Der 57-Jährige will bei einem Aufstieg maximal drei neue Spieler verpflichten und glaubt: “In der Stadt sind wir beliebter als der HSV.“

Hamburg. Bundesligafußball in einem neuen Stadion und eine entspannte finanzielle Situation. Man muss kein kühner Optimist sein, um dem FC St. Pauli für das Jahr 2010 diese Prognose zu erstellen. Oder besser: nicht mehr. Corny Littmann tat dies bereits vor über drei Jahren: "Zum 100. Vereinsgeburtstag in die Bundesliga aufsteigen und im neuen Millerntor-Stadion spielen. Das wäre doch was", fand der Präsident und schien am Abend des 13. Oktober 2006 von blühenden Landschaften zu fabulieren.

Man muss sich zurückerinnern, dass St. Pauli damals auf dem zwölften Tabellenplatz der Regionalliga Nord stand, aus den letzten fünf Spielen gegen Hertha BSC II, Union Berlin, SV Wilhelmshaven, Bayer Leverkusen II und Kickers Emden nur einen Sieg geholt hatte und im Zeichen des sich anbahnenden Führungsstreits zwischen Aufsichtsrat und Präsidium gespalten war, um zu verstehen, weshalb Littmanns Worte bei den Zuhörern einen Mix aus Kopfschütteln und belustigtem Grinsen hervorriefen. Der Präsident, für seine vollmundigen Ankündigungen bekannt, schien nun komplett den Verstand verloren zu haben. Darlehen wollten zurückgezahlt, Verbindlichkeiten mussten getilgt werden. Kurz gesagt: der Verein lag am Boden. Wo Littmann dort den Ansatz für seine rosa-rote Zukunftsprognose fand, bleibt sein Geheimnis. Doch aus dem Traum ist mittlerweile ein sehr wahrscheinliches Szenario geworden. Im Dezember 2009 liefert der FC St. Pauli ausreichend Stoff für ein Weihnachtsmärchen.

Sicher, der Erfolg hat viele Väter. Holger Stanislawski, den mittlerweile überall anerkannten Fußballlehrer, der die Mannschaft zu einem spieltechnisch glänzenden, taktisch variablen und vor allem erfolgreichen Kollektiv formte. Oder Helmut Schulte, der als Sportchef Strukturen schafft und mit seinem Weitblick den Verein fit für die Zukunft macht. Eingestellt aber wurden sie vom Präsidium, dessen Vizepräsidenten er mittlerweile alle selbst aussuchte und an dessen Spitze seit dem 5. Dezember 2002 Littmann steht. Wohl kaum jemand hätte damals geglaubt, dass der Mann, der sich mit Jeans, Totenkopf-Schirmmütze und Strickjacke der Öffentlichkeit präsentierte, sieben Jahre später noch immer im Amt sein würde, den Verein entschuldete und auf dem besten Weg ist, den Zweitligaklub nach der finanziellen Gesundung und einem Rekordergebnis im abgelaufenen Geschäftsjahr wieder in die Bundesliga zu führen. Der Traum, am 9. Mai den Aufstieg zu feiern, sechs Tage vor dem Jubiläumstag, lebt.

Wie konkret im Hintergrund bereits die Planungen für die Erste Liga laufen, zeigt sich allein schon daran, dass Littmann ankündigt, die Fehler der Vergangenheit dann nicht zu wiederholen. Nach dem letztmaligen Aufstieg 2001 verpflichtete St. Pauli 14 Spieler, die zuvor erfolgreiche Mannschaft wurde gesprengt. "Wir werden im Sommer maximal drei neue Spieler holen", kündigt er an.

Dass Littmann sich nach einem neuen Trainer umsuchen muss, hofft der 57-Jährige nicht. Aber er weiß, dass Holger Stanislawskis gute Arbeit bei der Konkurrenz nicht unbemerkt blieb: "Über kurz oder lang wird Stani ganz sicher in der Bundesliga arbeiten. Die Frage ist nur: Mit oder ohne den FC St. Pauli." Der Vertrag läuft zwar bis 2012, doch für 250 000 Euro kann der Coach jederzeit wechseln. Liebend gerne möchte Littmann mit Stanislawski und Schulte in die Zukunft gehen. "Wir sind uns im Prinzip einig", hofft Littmann, dass auch der Sportchef bis 2011 bleibt.

Das Erfolgsrezept müsse auch künftig lauten, eine gute Adresse für junge, deutsche Spieler zu sein: "Es kann nicht unser Ziel sein, eine internationale Mannschaft aufzubauen, wie es in anderen Vereinen längst üblich ist." Dabei sei es zwingend notwendig, die Qualität im Nachwuchsbereich voranzutreiben: "Es ist enorm wichtig, dass unsere A- und auch B-Jugendmannschaften in der Bundesliga spielen." Stolz ist Littmann aber nicht nur auf die sportliche Entwicklung. "Als ich anfing, hatte der Klub Nullkommanull mit dem Stadtteil zu tun, es gab nur das Klischee vom Freudenhaus der Liga. Jetzt sind wir dort mit unseren sozialen Initiativen wirklich verankert."

Überhaupt glaubt Littmann, dass St. Pauli innerhalb der Stadtgrenzen den HSV längst überflügelt hat - zumindest, was die Beliebtheit betrifft. "Der HSV ist ein norddeutscher Verein, hat im Umland sehr viele Anhänger. In der Stadt genießt St. Pauli die größeren Sympathien." Damit das so bleibt, müsse sich der FC das Anderssein und das Authentische bewahren, dürfe aber nicht stehen bleiben, glaubt Littmann, der den Stadionbau als gelungenes Beispiel dafür nennt. Mit der neuen Haupttribüne könne es bei einem Aufstieg auch gelingen, den großen HSV zu ärgern, indem Business-Kunden abwandern: "Die VIP-Preise im HSV-Stadion sind exorbitant hoch, bei uns käme neben den geringeren Summen auch der Erlebnisfaktor hinzu."

Bis November 2011 läuft die Amtszeit Littmanns, und man kann davon ausgehen, dass ihm die Ideen und Träume nicht ausgehen werden. Einen weiteren Wunsch formulierte er am Abend des 13. Oktober 2006: "Die Stehplätze am Millerntor sollen bei Bedarf in Sitzplätze umgewandelt werden können, um die Durchführung von Uefa-Cup-Spielen zu gewährleisten." Das Märchen ist noch nicht zu Ende.

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