Das 1:8 des FC St. Pauli gegen Bayern bedeutete den endgültigen Abstieg und einen beschämenden Abschied für Trainer Holger Stanislawski.

Hamburg. Als Holger Stanislawski rund eine Stunde nach der Pleite gegen den FC Bayern München in die Kabine seines Teams kam, war diese menschenleer. Die Spieler des FC St. Pauli hatten längst das Weite gesucht, wollten einen der bittersten Tage in der Geschichte des Kiezklubs lieber alleine verarbeiten. Mit einem 1:8 hatten sich die Braun-Weißen am Sonnabend gegen den Rekordmeister bis auf die Knochen blamiert. Die höchste Bundesliga-Niederlage bedeutete nicht nur endgültig den Abstieg aus Deutschlands Eliteklasse, sondern auch einen ganz bitteren Abschied für Stanislawski vom Millerntor.

18 Jahre lang arbeitete er für seinen Verein. Erst als Spieler, später als Praktikant, Vizepräsident, Sportchef und schließlich als Trainer. Man wolle dem bundesweit beliebten Stanislawski den verdienten Abgang verschaffen, hatten die Spieler nach der Verkündung seines Wechsels zu 1899 Hoffenheim stets betont. Gemeint war der Klassenerhalt. Und wenn es dazu nicht reichen sollte, wenigstens ein ganz besonderes letztes Heimspiel gegen den FC Bayern. Heraus kam ein Debakel, das der Coach ganz sicher nicht verdient hatte. Ein Stich ins Herz, wie es der maßlos enttäuschte 41-Jährige später selbst nannte.

Ursachenforschung wollte er in der Öffentlichkeit lieber nicht betreiben. "Zu meiner Mannschaft möchte ich nichts sagen, weil das einiges kaputt machen könnte, was ich hier aufgebaut habe", erklärte Stanislawski, der am Sonntag auch auf die übliche Ansprache verzichtete und sein Team einfach nur zum Auslaufen schickte. An die Aufarbeitung der Geschehnisse war er bereits am Abend zuvor mit seinen Assistenten André Trulsen und Klaus-Peter Nemet sowie Teammanager Christian Bönig gegangen. Als er sich dann nach dem etwa zwei Stunden langen Gespräch auf den Weg nach Hause begab, erreichte ihn noch eine Kurznachricht von Oliver Bierhoff. Er solle sich durch die Momentaufnahme nicht die vielen anderen positiven Highlights kaputt machen lassen, habe der Nationalmannschafts-Manager geschrieben, berichtete Stanislawski. Es änderte nichts an dem Gefühl, auf die Schlachtbank geführt worden zu sein.

St. Pauli war erst durch zwei individuelle Fehler von Innenverteidiger Markus Thorandt ins Hintertreffen geraten, hatte zu Beginn der zweiten Halbzeit dann alles nach vorne geworfen, was die Münchner wie im Training zu Kontern nutzten. Marcel Egers umjubelter Ehrentreffer zum 1:5 hätte ein halbwegs versöhnlicher Schlusspunkt sein können, doch anschließend fielen die Kiezkicker völlig in sich zusammen. Viele der Profis ergaben sich seltsam teilnahmslos ihrem Schicksal. "Es ist ein ganz bitterer Moment für mich, den Verein, den Trainer", sagte der allein gelassene Torhüter Thomas Kessler. "Dass wir ihn mit so einem Spiel verabschieden, ist beschämend."

Kessler gehörte wie Marius Ebbers und Fin Bartels zu den wenigen Spielern, die sich nach dem Spiel den Medienvertretern stellten. Das Team hatte zuvor nach einer von stürmischem Applaus (!) der Zuschauer begleiteten Ehrenrunde den Platz quasi über den Hinterausgang verlassen. Zurück blieben Innenverteidiger Ralph Gunesch und Torhüter Benedikt Pliquett, die an der Bande verfolgten, wie sich zuerst Trulsen und später dann auch Stanislawski von den Fans verabschiedeten. "Mir war überhaupt nicht danach, eine Ehrenrunde zu drehen. Am liebsten hätte ich mich eingegraben", beschrieb der Chefcoach seine Gefühlslage.

Nach dem Schlusspfiff hatte Stanislawski zunächst lange auf seiner Bank verharrt, erst Bayern-Star Bastian Schweinsteiger holte ihn mit einer Umarmung wieder aus seinen Gedanken. Lange stand der Coach anschließend mit seinem Trainerteam am Mittelkreis, entschied sich dann, dem Fernsehteam von "Sky" ein Interview zu geben. "Stani, wenn du dich verabschieden willst, solltest du jetzt losgehen", habe Pressechef Bönig dann zu ihm gesagt.

Drei Minuten dauerte schließlich seine Gänsehaut-Runde durch das Stadion. Drei Minuten, in denen er sich zu Musik von Tomte immer wieder vor den Anhängern verneigte und mit der Hand aufs Herz klopfte. "Der Abschied war das Emotionalste, was ich von unseren Zuschauern erlebt habe. Das werde ich nie vergessen", sagte Stanislawski. Die Fans hatten Trainer und Team schon mit einer beeindruckenden Choreografie im Stadion empfangen, in deren Zentrum zwei überdimensional große "Lebkuchenherzen" mit den Aufschriften "Stani" und "Truller" standen.

Später blieb Stanislawski nur, sich dafür "bei jedem Einzelnen" zu bedanken und sich für die Leistung seiner Mannschaft zu entschuldigen. Die zehnte Niederlage in elf Spielen besiegelte, was St. Pauli letztlich schon vor Wochen mit den Pleiten gegen Hannover, Nürnberg, Stuttgart und Frankfurt eingeleitet hatte. Stanislawskis Fazit: "Letztlich waren wir qualitativ nicht gut genug, um die Bundesliga zu halten."