Zum vierten Mal in Folge droht der bullige HSV-Torjäger die Vorbereitung zu verpassen. Dabei lebt kaum ein Spieler so sehr von seiner Fitness wie er

Dubai. Wer behauptet, dass Pierre-Michel Lasoggas letztes Lebenszeichen bereits eine halbe Ewigkeit her ist, der übertreibt natürlich. Am Sonntag war es, als Lasogga via Twitter seine Vorfreude auf die knapp zwei Wochen in Dubai kundtat: „Auf geht’s ins Trainingslager“, schrieb der Torjäger und schickte noch fröhlich zwei „Daumen hoch“-Zeichen hinterher.

Drei Tage später geht der Daumen nur noch nach unten. Nach ein paar Läufen um den perfekt gepflegten Platz von Dubais Kronprinzen Scheich Mohammed Bin Rashid al-Maktoum am Montag und leichtem Balltraining am Dienstag entschied die medizinische Abteilung des HSV am Mittwoch, dass der am Oberschenkel verletzte Torjäger besser im Meydan-Hotel bleiben sollte. Eine Verhärtung, eine Zerrung, ein Muskelfaserriss, wer weiß das schon so genau. Aber vorerst kümmert sich nun Rehatrainer Markus Günther um den Dauerpatienten. Wann der wieder ins Mannschaftstraining einsteigen kann, bleibt ungewiss. Mal wieder.

Es ist bereits die vierte Vorbereitung in Folge, die Lasogga verletzt verpasst. Vor seinem Last-minute-Wechsel aus Berlin im Sommer 2013 war es ein Außenbandriss, der den gerade erst von einem Kreuzbandriss genesenen Stürmer erneut zu einer wochenlangen Pause zwang. Dann, vor genau einem Jahr, plagte sich Lasogga mit einem Muskelfaserriss herum, den er sich im Flieger von Djakarta nach Abu Dhabi zugezogen haben soll. Am ersten Rückrundenspieltag stand der Angreifer auf Wunsch von Ex-Trainer Bert van Marwijk zwar wieder auf dem Platz, musste diesen allerdings nach nur 24 Minuten auch wieder verlassen. Die neue Diagnose: Muskelbündelriss. Und auch im vergangenen Sommer verpasste Pechvogel Lasogga mehr als fünf von achteinhalb Vorbereitungswochen mit einem Bluterguss im Sprunggelenk. „Man hat sich halt geopfert in der vergangenen Saison, was oft mit größerem Risiko verbunden war. Wenn ich ehrlich bin, war es ab und zu auch zu groß“, gab Lasogga damals sehr ehrlich zu.

„Wenn die physische Basis stimmt“, sagte nun Sportchef Peter Knäbel vor dem Abflug ins Trainingslager der „Sport Bild“, „ist seine Bereitschaft da.“ Doch die physische Basis, das ist bereits nach nur drei Tagen in Dubai klar, stimmt ganz und gar nicht. „Pierres Genesung ist nicht so, wie wir uns das vorstellen“, gab Trainer Joe Zinnbauer am Mittwoch ohne große Umschweife zu. Aus Erfahrung müssten sie mit Lasogga ein wenig vorsichtig sein: „Wir nehmen ihn jetzt mal ein paar Tage raus. Lieber einen Tag mehr als einen Tag zu wenig.“

Doch ein Tag mehr Pause ist nun mal ein Tag weniger Vorbereitung. Ein Problem ist das vor allem deshalb, weil wohl kaum ein HSV-Profi derart von seiner Fitness lebt wie eben Lasogga. So hatte der Star der Relegation, der im Mai das einzige Tor gegen Greuther Fürth erzielt hatte, in der herausragenden Vorsaison mehr Ballkontakte, war zweikampfstärker und legte auch deutlich mehr Kilometer zurück. Doch vor allem eine Statistik ist es, die das Lasogga-Drama schonungslos auf den Punkt bringt: die Tore. Nach 13 Treffern in der vergangenen Saison erzielte der frühere U21-Nationalspieler in der Hinrunde der laufenden Spielzeit gerade mal zwei Treffer. So ist aus dem mutmaßlichen Helden des Nichtabstiegs, innerhalb weniger Monate das Gesicht der Offensivkrise geworden.

Das Problem haben natürlich auch die HSV-Verantwortlichen längst erkannt. Obwohl im Sommer mehr als 20 Millionen Euro für die Offensive ausgegeben wurden, soll nun auch im Winter unbedingt noch ein echter Torjäger verpflichtet werden. So vergeht kaum ein Tag, an dem der HSV nicht mit einem mehr oder weniger hochklassigen Stürmer in Verbindung gebracht wird. Bestätigt hat Manager Knäbel lediglich, dass er nur zu gerne Bayer Leverkusens Josip Drmic nach Hamburg lotsen würde. Doch da eine schnelle Lösung nicht in Sicht ist, kocht die Gerüchteküche über. Mal ist es Chelseas Mohamed Salah, der ausgeliehen werden soll, dann das türkische Talent Batuhan Altintas, das kommen soll. Die „Sport Bild“ brachte nun sogar Werder Bremens Offensivallrounder Zlatko Junuzovic ins Spiel, und seit Montag ist da ja auch noch der vereinslose Schweizer Innocent Emeghara, der in Dubai um einen neuen Vertrag vorspielt. Mit einem Fallrückziehertor konnte der Quadratisch-praktisch-gut-Stürmer am Mittwoch schon mal überzeugen.

Doch obwohl Aufsichtsratschef Karl Gernandt, der in der Nacht zum Donnerstag nach nur zwei Tagen schon wieder abreiste, trotz schwieriger Finanzlage die benötigten Gelder für einen neuen Angreifer zugesichert hat, hoffen Hamburgs Verantwortliche noch immer vor allem auf eine zeitnahe Rückkehr Lasoggas. Der war dem HSV vor ziemlich genau einem halben Jahr immerhin 8,5 Millionen Euro wert.

Und wie verkraftet der Dauerpatient selbst sein Dauerpech? „Pierre wirkt nicht unbedingt niedergeschlagen“, sagt Kollege Marcell Jansen, „er ist ja ein Kämpfer.“ Und der Daumen, das bislang vielleicht einzige unverletzte Körperteil Lasoggas, soll schon bald wieder nach oben gehen.

An diesem Donnerstag trifft der HSV im ersten Trainingslagertest auf Eintracht Frankfurt. Das Spiel wird um 17 Uhr (MEZ) in HR3 live übertragen.