Zum Start der Wintervorbereitung setzt Trainer Zinnbauer auf den Zehnstundentag. Im neuen Trainingszentrum beginnt der Arbeitstag um 7.30 Uhr

Hamburg. Möglicherweise ist es ein wenig übertrieben, wenn man beim HSV von einer neuen Zeitrechnung spricht. Doch faktisch falsch ist es eben auch nicht. Schließlich ist die Zeit nicht erst seit Albert Einstein relativ – und beim HSV beginnt der Arbeitstag der Fußballer seit diesem Montag relativ früh. Sehr früh, um genau zu sein. Um 7.30 Uhr, um ganz genau zu sein.

„Die Spieler müssen keine Decken für die Nacht mitbringen“, witzelte am Vormittag Trainer Joe Zinnbauer, der aber ganz im Ernst die Zügel in der Rückrundenvorbereitung anziehen will. So erklärte der Coach seinen Profis am frühen Montag, wie er sich die neue Ganztagsbetreuung in den kommenden Wochen vorstellt: Bis 7.30 Uhr müssen die Fußballer an der Arena eingetroffen sein, dann wird 20 Minuten gejoggt, anschließend gemeinsam gefrühstückt. Ab 10 Uhr ist die erste echte Einheit vorgesehen, um 12.30 Uhr gibt es Mittagessen, dann geht es um 15 Uhr zurück auf den Trainingsplatz. Abschließend stehen noch Pflege und Regeneration auf dem Programm, dann ist Feierabend. „Die Pause war lange genug. Wir wollen uns schließlich in allen Bereichen verbessern“, so Zinnbauer.

Glaubt man dem Fußballlehrer, und warum sollte man das nicht tun, dann ist der neu eingeführte Zehnstundentag vor allem Mittel zum Zweck. „Die Spieler sollen sich wohlfühlen. Wir wollen die Jungs nicht bestrafen, sondern sie sollen sich nur fokussieren“, sagte Zinnbauer, der vor allem die Vorzüge des neuen mobilen Trainingszentrums neben der Arena in höchsten Tönen pries: „Die Spieler können sich hier hinlegen, sie können Playstation spielen, in der Lounge sitzen, Karten spielen. Sie können hier eigentlich alles machen.“ Vor allem natürlich trainieren.

Tatsächlich beeindruckt das 1700 Quadratmeter große Trainingszentrum, das rechtzeitig zum Start der Rückrundenvorbereitung fertig wurde. Bis zum Saisonende ist der zweistöckige Komplex – samt Spielekonsolen, Fitnessraum, einer Doppelsauna, zwei Entmüdungsbecken und 16 Schlafmöglichkeiten – die neue Heimat der Profis. Fehlen eigentlich nur noch die klinsmannschen Buddha-Figuren, die der frühere Bayerntrainer bei seinem kurzen Intermezzo als FCB-Coach vor sechseinhalb Jahren neben einem Achtstundentag und einer ähnlichen Wohlfühloase in München eingeführt hatte. Anders als die Bayern waren die Hamburger aber zu ihrem Glück gezwungen: Der alte Kabinentrakt im Stadion muss wegen eines Wasserschadens renoviert und umgebaut werden. Angesichts des mobilen Luxustempels, der von der Versicherung finanziert wurde, stört das aber kaum jemanden.

Auch nicht Manager Peter Knäbel, der vor allem von Zinnbauers Ganztagsbetreuung begeistert ist. „Nun beginnt die Phase der harten Arbeit“, sagte der Direktor Profifußball, der dies auch auf sich selbst bezog. Auch er würde künftig schon um 7 Uhr am Schreibtisch sitzen: „Als Chef muss man ja mit gutem Beispiel vorangehen.“ Und zu tun hat der Manager in der Wintervorbereitung sicher nicht weniger als seine Spieler.

„Es ist wichtig, dass wir Bewegung in den Kader reinbekommen“, sagte Knäbel, der Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer längst einen ganzen Katalog von möglichen Neuzugängen vorgestellt hat. Zehn bis 15 Varianten, so Knäbel, hätte er ausgearbeitet. Zwei bis vier Transfers, Ab- und Zugänge zusammengerechnet, könnten es am Ende schon werden. Alles würde aber natürlich davon abhängen, wie erfolgreich der HSV beim Verkaufen ist.

Ein Verkaufskandidat ist und bleibt Tolgay Arslan, obwohl Valon Behrami nach einer Knie-OP in der Vorbereitung zunächst fehlen wird. Zum einen gehe er davon aus, so Knäbel, dass Behrami ins Trainingslager nach Dubai am Sonntag mitfliegen kann und nach seiner Gelbsperre beim Rückrundenauftakt gegen Köln wieder zur Verfügung steht. Und zum anderen gebe es ja mit Petr Jiracek, Gojko Kacar und sogar Heiko Westermann genügend Alternativen im Kader für die Position vor der Abwehr. Eine erneute Nachfrage, ob Behramis Verletzung Auswirkungen auf einen möglichen Transfer Arslans habe, beantwortete Knäbel unmissverständlich: „Nein, keine Auswirkungen.“

Ernsthafte Auswirkungen auf eine bessere Rückrunde soll aber in jedem Fall der neue Tagesablauf haben. Das will Zinnbauer in Absprache mit seiner Mannschaft bis zum Rückrundenstart am 31. Januar sogar schriftlich festhalten. „Wir haben zuletzt einen Schritt nach vorne gemacht. Das wollen wir jetzt fortführen“, sagte Zinnbauer. Wie in der Hinrunde soll sich das Team ein gemeinschaftliches Ziel setzen. In der ersten Halbserie waren es 19 Punkte, die um zwei Zähler verfehlt wurden.

Ein ganz profanes Ziel können die Profis durch gutes Training bereits vor dem Ende der Vorbereitung erreichen: etwas mehr Schlaf. So könnte der Zehnstundentag schneller als gedacht wieder abgeschafft werden, sofern alle wie gewünscht mitziehen. „Wir werden auch nach dem Trainingslager noch das eine oder andere frühe Training haben. Aber grundsätzlich kommt es darauf an, wie sich die Mannschaft präsentiert“, sagte Zinnbauer, dem das frühe Aufstehen ohnehin nichts ausmacht: „Ich war schon immer ein Frühaufsteher.“

Seit dieser Woche sind das nun auch die HSV-Profis.