Trotz der 1:4-Niederlage gegen den FC Bayern München kann der HSV aus eigener Kraft den Relegationsplatz halten, weil die Konkurrenz patzte. Trotz der Niederlage ist nach der Partie die Erleichterung groß.

Hamburg. Am Tag danach fiel für Mirko Slomka die Regenerationseinheit flach. 22 Stunden nach der 1:4-Niederlage gegen Bayern München saß der HSV-Coach (mit ernster Miene) beim 6:0 von Greuther Fürth bei Energie Cottbus im Stadion der Freundschaft, sein Assistent Nestor el Maestro schaute sich den 2:0-Sieg des SC Paderborn in Aue an – Spielanalysen vor der nun immer realistischer erscheinenden Relegation gegen den Tabellendritten der Zweiten Liga am 15. und 18. Mai, der mit großer Wahrscheinlichkeit Fürth sein wird.

Es ist ja nun so, dass die Hamburger gut geübt darin sind, Niederlagen kommentieren und dabei noch die positiven Momente hervorheben zu müssen, um die Moral für die kommenden Aufgaben nicht abstürzen zu lassen. Aber so paradox es klingen mag: Nach der vierten Niederlage in Folge war bei allen Beteiligten die Erleichterung so groß wie nie, weil es der HSV noch immer in der eigenen Hand hat, sich für die beiden Ausscheidungsspiele zu qualifizieren. Das 1:4 war gefühlt die schönste Niederlage der Saison und quasi mit dem Abpfiff vergessen. „Niemals Zweite Liga“, sangen die HSV-Fans euphorisch, als sie die Ergebnisse aus den anderen Stadien auf den Videowänden erblickten.

„Wir sind immer noch in der Pole-position der letzten drei Mannschaften“, wagte Sportchef Oliver Kreuzer einen etwas gewagten Quervergleich zur Formel 1, was aber allein an der Schwäche der Konkurrenten im Schneckenrennen um Platz 16 lag, wie auch Heiko Westermann zugab: „Wir müssen uns bei Augsburg und Hannover bedanken, dass wir noch im Rennen sind.“

Überhaupt scheint die Fußballerphrase „Wir müssen nur auf uns schauen“ ihre Gültigkeit mit dieser Bundesligasaison verloren zu haben und muss durch „Wir müssen nur auf die anderen schauen“ ersetzt werden, denn darauf begründet sich in erster Linie die Hoffnung des HSV, nicht direkt in die Zweite Liga durchgereicht zu werden. Braunschweig verlor gegen Augsburg sein fünftes Spiel in Folge, die desolaten Nürnberger sogar ihr sechstes.

Die Ausgangslage vor dem finalen Spieltag: Gelingt dem HSV nach acht Auswärtsniederlagen in Serie überraschend ein Sieg beim FSV Mainz, der aber selbst noch drei Punkte benötigt, um sicher in die Europa League einzuziehen, ist Platz 16 fix. Bei einem Unentschieden dürfte Nürnberg in Gelsenkirchen, wo Schalke noch einen Punkt für Platz drei und die direkte Qualifikation für die Champions League benötigt, nicht gewinnen und gleichzeitig nicht Braunschweig 7:0 in Hoffenheim gewinnen. Bei einer Niederlage bei den Rheinhessen, der realistisch gesehen wahrscheinlichsten Variante, muss der HSV darauf bauen, dass auch Nürnberg und Braunschweig ihre Sieglosserien ebenfalls ausbauen.

Dass die Fans ihren HSV nach dem Abpfiff gegen die Bayern mit viel Applaus verabschiedeten, lag aber nicht nur am Schwächeln der Konkurrenten im Abstiegskampf, sondern auch am vor allem in der ersten Hälfte beherzten Auftreten der durch viele Ausfälle immer noch dezimierten Hausherren. So musste sich Marcell Jansen mit Schmerzen im Sprunggelenk vor der Partie abmelden. Mit dem frühen, aggressiven Stören nahm Slomkas Team dem uninspiriert wirkenden Rekordmeister die Lust am Spielaufbau, in den sich ungewohnt viele Fehler einschlichen. Die Führung durch Mario Götze nach Doppelpass mit Arjen Robben fiel fast aus dem Nichts (32.). „Wenn wir in anderen Spielen auch so engagiert gewesen wären, hätten wir ganz sicher ein paar Punkte mehr“, sagte Kreuzer. „Dieses Spiel muss uns Mut und Selbstvertrauen geben.“ Anders als bei den harmoniebedürften Verlierern knirschte es beim Sieger. So kündigte Clubchef Karl-Heinz Rummenigge eine Geldstrafe für Jerome Boateng an, der sich kurz vor dem Abpfiff zu einer Ohrfeige gegen Kerem Demirbay hinreißen ließ, und schäumte: „Hirnlos!“

Dass der HSV aber nicht über die Ressourcen verfügt, solch ein kraftraubendes Spiel durchzuziehen, zeigte sich nach der Pause, begünstigt auch durch das 0:2 durch Thomas Müller (55.), als Mario Götze nach einer Ecke so frei stand, wie man es in der Landesliga keinem Gegner zugestehen würde. Warum dem HSV ausgerechnet in Mainz nicht solche womöglich folgenschweren Fehler unterlaufen sollen? Dafür gibt es keine belastbaren Argumente. Der HSV verfügt über zwei Gesichter, was bedingt auch für den Sonnabend galt. „In der zweiten Halbzeit haben die Bayern eine breitere und wir eine hängende Brust bekommen“, sagte Slomka.

So stützt sich der Rest Hoffnung, trotz insgesamt bundesligaunwürdiger Auftritte weiter im Oberhaus spielen zu dürfen, auf die Rückkehr vor allem von Stürmer Pierre-Michel Lasogga, der Mitte der Woche ins Mannschaftstraining einsteigen soll. Auch Johan Djourou dürfte wieder zur Verfügung stehen, genau wie der gegen die Bayern gelbgesperrte Tolgay Arslan. Ob die Zeit für Jansen reicht, muss abgewartet werden, genauso wie bei Dennis Diekmeier, der über ein leichte Oberschenkelzerrung klagt und deshalb vorzeitig ausgewechselt werden musste.

Doch unabhängig davon, wer in Mainz spielt: Danach ist ein Strategiewechsel dringend notwendig. Verlieren und dann auf die anderen hoffen, funktioniert in Relegationsspielen nicht.