HSV-Stürmer Artjoms Rudnevs steht vor einem Wechsel zu Hannover 96. Über einen möglichen Nachfolger gibt es unter den Hamburger Verantwortlichen noch Redebedarf.

Abu Dhabi. Es war noch früh am Morgen, als Artjoms Rudnevs am Donnerstag das luxuriöse Fairmont Bab al Bahr in Abu Dhabi verließ und sich Richtung Flughafen kutschieren ließ. Der Lette, der seit Sonnabend knapp 30 Stunden im Flugzeug verbringen musste, hatte früher als geplant die nächste Flugreise vor sich – diesmal allerdings ohne seine HSV-Mannschaftskollegen. Über Antalya ging es für den Stürmer bis ins türkische Belek in den Robinson Club „Nobilis“, wo am gleichen Tag Hannover 96 sein Trainingslager-Quartier bezog. Hier wollte und sollte der 25-Jährige, der am kommenden Montag seinen 26. Geburtstag feiert, nach bestandenen Medizincheck am Nachmittag bereits seine neuen Kollegen kennenlernen, denn: Rudnevs wird bis mindestens Sommer Hannoveraner.

„Rudi war mit seiner Situation nicht so ganz zufrieden“, sagte HSV-Sportchef Oliver Kreuzer wenige Stunden später, als Rudnevs bereits im Flugzeug saß, „für alle Beteiligten könnte das eine Win-Win-Situation werden.“ So wird Rudnevs zunächst bis Saisonende für knapp 500.000 Euro an die Niedersachsen verliehen, die sich allerdings eine Kaufoption von zwei Millionen Euro zugesichert haben. „Unsere finanzielle Situation ist ja bekannt“, sagte Kreuzer, der das gesparte Rückrundengehalt von rund 600.000 Euro als „nette Begleiterscheinung“ beschrieb. Sportlich, so Kreuzer, könne der Weggang von Lasogga-Ersatz Rudnevs, der unter Trainer Bert van Marwijk nur 23 Minuten in der Hinrunde spielen durfte, problemlos durch Jacques Zoua oder Maximilian Beister aufgefangen werden: „Wenn Pierre-Michel etwas passiert, dann kann Jacques auch im Sturmzentrum spielen. Dafür haben wir ihn ja im Sommer ursprünglich geholt.“

So weit, so gut. Oder etwa doch nicht? Rudnevs saß noch immer im Flugzeug in die Türkei, als auch Trainer van Marwijk den bevorstehenden Transfer bewertete – und eine ganz andere Wahrnehmung als Sportchef Kreuzer offenbarte. „Wenn man zwei Stürmer hat, den einen auf dem Spielfeld und den anderen auf der Bank, und einer der beiden geht, dann hat man nur noch einen Stürmer übrig“, rechnete der Niederländer schulbuchmäßig vor, wodurch sich für ihn nur ein logisches Ergebnis der Subtraktionsrechnung ergebe: „Ich brauche einen neuen Stürmer. Man kann sagen, dass ein neuer Spieler die Bedingung dafür war, dass wir Rudnevs gehen gelassen haben.“ Ihm sei zwar sehr wohl die finanziell nicht ganz einfache Situation des Vereins bekannt, „aber ich bin mir sicher, dass wir da eine Lösung finden.“

Tatsächlich scheint der Coach bereits ziemlich klare Vorstellungen davon zu haben, wen er sich als Rudnevs-Nachfolger vorstellen könnte. Gerade im Benelux-Bereich kenne er ein paar Spieler, führte der frühere Trainer der Elftal aus, der über seine Ideen noch mal mit Sportchef Kreuzer sprechen will. „Am liebsten hätte ich schon heute einen neuen, aber wenn der Wunschspieler erst in zwei Wochen da ist, dann ist mir das wichtiger.“

Kreuzers Priorität bleibt der Verkauf

Nun darf man gespannt sein, ob Kreuzer, dem die angespannte Tabellensituation sehr wohl bewusst, der aber gleichzeitig zum Sparen angehalten ist, seinem Coach den Wunsch nach einem neuen Angreifer erfüllen wird. Der Sportchef deutete zwar an, dass in den nächsten Tagen erneut etwas auf dem Transfermarkt passieren könnte, allerdings bleibe seine Priorität das Verkaufen. „Der HSV muss sparen. Daran hat sich nichts geändert und daran arbeiten wir sehr hart“, sagte der frühere Karlsruher, der nun zunächst mal ironischerweise hoffen muss, dass Rudnevs ausgerechnet bei dem ebenfalls kriselnden Nordrivalen durch Tore einschlägt und dann im Sommer komplett verpflichtet wird.

Bereits seit Wochen war 96-Manager Dirk Duffner mit Kreuzer und Rudnevs über ein mögliches Leihgeschäft in Gesprächen, das sich aber zunächst durch die Entlassung von Trainer Mirko Slomka verzögerte. Da sich aber auch Slomka-Nachfolger Tayfun Korkut schnell von den Vorzügen des lettischen Torjägers, der in der vergangenen Saison immerhin zwölf Treffer erzielte, überzeugen ließ, machte Duffner im Telefonat mit Kreuzer am Mittwochabend Nägel mit Köpfen. Aus Duffners Sicht gleich aus zweierlei Hinsicht ein lohnender Deal: Zum einen ist das finanzielle Risiko für Hannover durch das Leihgeschäft mit Kaufoption überschaubar, zum anderen soll Rudnevs den am Knöchel verletzten Ya Konan sofort und den umworbenen Mame Diouf perspektivisch ersetzen.

Und van Marwijk? Der HSV-Trainer bekommt unfreiwillig bereits an diesem Freitag die Möglichkeit, den Ernstfall ohne seine bisherigen Stürmer Nummer eins und zwei im Testspiel gegen Vitesse Arnheim (18.30 Uhr/MEZ) zu proben. Rudnevs ist weg – und Lasogga laboriert an muskulären Problemen am Oberschenkel. „Das ist genau die Situation, über die ich mit Oliver Kreuzer gesprochen habe“, sagte van Marwijk. Doch das letzte Wort, das steht spätestens seit Donnerstagfrüh fest, ist in dieser Angelegenheit wohl noch nicht gesprochen.