Nicht nur die Finanzen sind marode. Warum es beim HSV nicht mehr so dilettantisch und amateurhaft weitergehen kann

Schlecht spielen, das hat die Vergangenheit bewiesen, kann der HSV gut. Das verrät seit Jahren der Blick auf die Bundesliga-Tabelle. Nun aber ist der HSV mal wieder ganz vorne aufgetaucht. In Sachen „rote Zahlen“ rangiert der Verein mit der längsten Bundesliga-Erfahrung an der Spitze.

Manche haben es geahnt, einige haben es befürchtet, Eingeweihte haben es längst gewusst. Die Mitgliederversammlung am 19. Januar kommt denen gerade recht, die den HSV mit neuen Strukturen vor dem totalen Absturz bewahren wollen. In der Tat: So dilettantisch und amateurhaft darf es nicht mehr weitergehen.

Nicht nur bei den Finanzen. Dieser marode Club muss sich so schnell wie möglich neu aufstellen, jeder muss jetzt begreifen, dass es ausschließlich um das Schicksal des HSV geht. Persönliche Eitelkeiten, die Jagd nach irgendwelchen Pöstchen sollten tabu sein. Es ist fünf vor zwölf; wer jetzt nicht aufwacht, versündigt sich an einem Club, der einst eine große Rolle in Europa gespielt hat.

Das muss auch allen aktuell Verantwortlichen bewusst sein – oder bewusst gemacht werden. Auch und gerade der sportlichen Führung, denn die glänzte zu Beginn des Jahres nicht gerade durch Einigkeit. Am 2. Januar kündigte Sportchef Oliver Kreuzer in einem Interview mit dem Hamburger Abendblatt an: „Der Trainer wird die Spieler in der Rückrunde härter anfassen, davon bin ich überzeugt.“ Keine 24 Stunden danach sagte Trainer Bert van Marwijk jedoch: „Das habe ich nie gesagt. Ich bin sehr zufrieden mit der Einstellung der Spieler im Training.“ Einigkeit ist etwas anderes. Jeder in diesem Verein sollte sich künftig davon überzeugen, dass das, was er von sich gibt, auch tatsächlich erstligatauglich ist.

Leider gehört das nicht zu den Stärken der Hamburger Führung. Beispiele dafür gibt es reichlich. Nach dem 1:5-Debakel (gefühlt eher ein 1:10) am 23. Februar 2013 in Hannover kündigte der damalige Trainer Thorsten Fink an – und erhielt dafür viel Beifall: „Wir werden die Zügel anziehen, es wird eine direktere Ansprache an die Spieler geben, es wird der trainingsfreie Tag gestrichen.“ 30 Euro für das Phrasenschwein, denn passiert ist natürlich nie etwas.

Dafür gab es Sprüche satt. Wie zum Beispiel nach dem 2:9-Untergang des HSV bei den Bayern am 30. März 2013. Der damalige Sportchef Frank Arnesen befand ernsthaft: „So schlecht, wie das Ergebnis es besagt, sind wir gar nicht.“ Und der Vorstands-Vorsitzende Carl Jarchow kündigte mit ernster Miene und zusammengekniffenen Lippen an: „Wir werden diese Niederlage intern knallhart analysieren. Und wir werden aus diesem Spiel sicherlich unsere Schlüsse ziehen, die werden uns sicher auch beeinflussen bei dem Fazit am Ende der Saison ...“

Von jener Mannschaft aber, die sich und den HSV seinerzeit in München blamierte, musste später nur Bruma gehen; Son wurde wegen Geldmangels verkauft, Aogo ging frustriert zu Schalke, Skjelbred wurde Leihspieler bei Hertha BSC. Alle anderen Versager sind immer noch beim HSV – inklusive der drei Einwechselspieler.

Das Volk will offenbar verdummt werden. Das gilt ganz besonders im Profi-Fußball. Lieber mal einen kernigen Spruch, der nicht ganz der Wahrheit entspricht, als einmal zu schweigen. Diese fatale Einstellung gilt übrigens auch bei anderen Gelegenheiten. Sportchef Kreuzer verkündete dieser Tage in Sachen Vertragsverlängerung mit Hakan Calhanoglu: „Wir sind auf einem sehr guten Weg.“ Hoffnung? Erleichterung? Was bedeutet „guter Weg“? Kreuzers Vorgänger Frank Arnesen sagte einmal, als es um Heung Min Sons Vertragsverlängerung ging: „Ich rechne nun bald mit seiner Unterschrift, in 14 Tagen sollten wir spätestens soweit sein.“ Das sagte der Däne mehrere Male – bis Son gen Leverkusen entschwunden war.

Sinnfreie Sprüche, falsche Versprechungen, hohle Phrasen – wenn sich so etwas häuft, darf sich kein Club der Welt wundern, wenn sich auch noch der letzte treue Fan von ihm abwendet. Dabei wäre es ganz einfach: Nur der HSV! Dieses Motto gibt den Weg vor, dann sollte es leicht fallen, auch stets bei der Wahrheit zu bleiben. Nur so kann es funktionieren. Stellt endlich den Verein in den Mittelpunkt – und nicht euch selbst! Es ist allerhöchste Zeit für ein Umdenken.