Auch wenn der Verein finanziell klamm ist, sollte er sich in diesem Winter unbedingt verstärken. Sonst droht der sportliche Absturz. Ein Kommentar von Dieter Matz.

Und schon ist diese Winterpause für die Bundesliga-Fußballer Geschichte. Bereits an diesem Freitag steht für die HSV-Profis das erste Training des neuen Jahres an, schon am Sonnabend fliegt die Mannschaft zu einem Testspiel nach Indonesien und dann weiter ins Trainingslager nach Abu Dhabi.

Seit ihrem letzten Bundesligaspiel am 21. Dezember, an dem es eine ernüchternde 2:3-Heimniederlage gegen Mainz 05 gab, konnten die HSV-Profis hoffentlich lange genug darüber nachdenken, was sie sich und auch dem Verein damit eingebrockt haben. Trainer Bert van Marwijk sprach von „Abstiegskampf“, Sportchef Oliver Kreuzer von „fehlender Qualität“ – in Hamburgs fußballerischem Aushängeschild herrscht wieder einmal Alarmstufe Rot.

Jetzt ist die Mannschaft gefragt, die es bislang in 17 Spielen nur auf magere 16 Punkte und damit lediglich auf Tabellenplatz 14 gebracht hat. Spieler und Trainerteam sollten ab sofort die Ärmel aufkrempeln, aber nicht nur sie. Alle Verantwortlichen müssen nun an den Stellschrauben drehen, damit der Abstieg auch im neuen Jahr kein Thema für den Traditionsclub wird.

Der HSV ist der „Dino“ der Liga, das einzige Gründungsmitglied, das sich stets erstklassig gehalten hat. Weil letztlich eine Symbiose aus Können und Glück, oft tatsächlich sehr viel mehr Glück als Können, dafür gesorgt hatte, dass der Rettungsanker nicht ins Leere fiel.

Aber auf das Glück kann sich auch ein Verein wie der HSV nicht immer verlassen. Deswegen sollte die Club-Führung alles Mögliche unternehmen, um einem dramatischen Absturz vorzubauen. Der Verein hat kaum noch Geld. Das weiß jeder; das sagen inzwischen auch die Leute, die die Verantwortung dafür tragen, dass der HSV nicht in der Anonymität der Zweitklassigkeit verschwindet.

Spieler-Verpflichtungen in diesem Winter könne es also, bekräftigen Trainer, Sportchef und Vorstand, nicht geben. Eine viel zu voreilige Aussage. Kann es sich der HSV erlauben, vorzeitig aufzugeben, ohne bis zuletzt alles versucht zu haben, der Mannschaft mit Verstärkungen doch noch neues Leben einzuhauchen?

Dafür muss jetzt alles in Bewegung gesetzt werden. Vielleicht wäre es ein geeigneter Anfang, sich endlich von jenen Spielern zu trennen, die seit Jahren schon verkauft werden sollen. Eventuell würde eine Bettel-Tour helfen. Als erster Ansprechpartner wäre da Klaus-Michael Kühne zu nennen, auch wenn jetzt schon wieder viele beim HSV die Nase rümpfen. Auch Klinkenputzen bei anderen Hamburgern, die ein riesiges Imperium hinter sich haben, stünde für mich jetzt auf der Tagesordnung.

Statt eines „Retter-T-Shirts“ könnte man auch einen „Retter-Trainingsanzug“ anbieten oder eine „Retter-Hose“ – woher das Geld kommt, ist doch egal. Es muss nur schnell gehen. Der ganz kleine Nachbar, der HSV Barmbek-Uhlenhorst, versuchte es in den 70er-Jahren mal mit einer Benefizplatte, die der Sänger „Tony“ herausgab: „Mädchen, mit roten Haaren...“ Für den HSV würde Udo Jürgens sicher gern singen, der Entertainer trat schon zum 100. Geburtstag des Vereins mit der Pepe-Lienhard-Band auf und griff dabei eine Super-Gage ab...

Es gäbe sicherlich noch weitere Möglichkeiten, zu Geld zu kommen. Nur aufgeben, weil man im Moment klamm ist, das wäre fatal. In der Saison 1990/91 stieg die Mannschaft des FC St. Pauli ab, weil der Verein vom Millerntor im Winter tatenlos zusah, wie die Konkurrenz, die eigentlich gemäß DFB-Auflage nichts hätte tun dürfen, Spieler um Spieler kaufte – und sich so rettete. St. Pauli musste in die Zweite Liga zurück. Das sollte allen in Hamburg eine Warnung sein: Es muss jetzt etwas passieren. Sonst läuft der HSV geradewegs in die sportliche Katastrophe.

Denn weil diese Mannschaft tatsächlich nicht besser ist als ihr Tabellenstand, muss nun Hilfe von außen kommen. Und zwar solche, die dafür sorgt, dass in diesem Team endlich gekämpft wird. So wie 1972, als es ganz schlimm um den HSV stand. Dann kam Horst Heese, heute 70 Jahre alt, und wurde zum bis heute gefeierten „Retter der Rothosen“.

Bitte nachmachen, sehr geehrte HSV-Führung! Jeder Stein muss noch einmal umgedreht werden, damit der HSV auch diesmal nicht absteigt. Nur die Hände in den Schoß zu legen, sich seinem Schicksal zu ergeben – das wäre zu dürftig...

Dieter Matz, Abendblatt-HSV-Experte und Blog-Vater („Matz ab“), mit seiner aktuellen Freitags-Analyse