HSV-Sportdirektor Oliver Kreuzer spricht über Rafael van der Vaart, den Wechselpoker um Pierre-Michel Lasogga und die Konsequenzen aus der enttäuschenden Hinrunde.

Hamburg. Am Freitag ist für die HSV-Profis der Weihnachtsurlaub nach einer enttäuschenden Hinrunde vorbei. Um 10 Uhr bittet Trainer Bert van Marwijk die Mannschaft zu ersten Leistungstests. Dann kehrt auch Sportdirektor Oliver Kreuzer aus seinem Urlaub aus Dubai zurück. Zuvor sprach das Abendblatt mit Kreuzer.

Hamburger Abendblatt: Herr Kreuzer, Sie waren nach den Heimniederlagen des HSV gegen Augsburg und Mainz besonders sauer. Haben Sie die Niederlagen inzwischen unter der arabischen Sonne verarbeitet?

Oliver Kreuzer: Ich war so verärgert, weil unsere Ausgangsposition mit sechs Punkten aus diesen beiden Spielen für die Rückrunde so viel besser gewesen wäre. Aber das ist abgehakt. Ich schaue nach vorne.

Sie hatten turbulente Startmonate in Hamburg. Haben Sie sich den neuen Job so schwierig vorgestellt?

Kreuzer: Für mich sind auch 16-Stunden-Tage hier positiver Stress. Mir macht der Job unverändert viel Spaß. Auch wenn es bestimmt nicht eingeplant war, nach fünf Spieltagen den Trainer zu wechseln.

Haben Sie sich inzwischen mit Thorsten Fink ausgesprochen?

Kreuzer: Ich bin ja damals nach München geflogen, um ihm die Gründe der Freistellung selbst zu erläutern. Seitdem gab es nur losen Kontakt über SMS. Aber das ist doch normal, dass man die Dinge zunächst etwas sacken lässt.

Auch unter dem neuen Trainer Bert van Marwijk hält die Heimschwäche weiter an. Der HSV hat in der Hinrunde nur gegen Hannover 96 und Eintracht Braunschweig gewonnen. Das kann es doch nicht sein.

Kreuzer: Wir haben ein wunderbares Stadion, großartige Fans, das müsste die Spieler eigentlich beflügeln. Ich weiß nicht, ob die Spieler ein Problem mit der Drucksituation haben. Aber es wäre der falsche Weg, dies zu problematisieren. Dann setzt sich das erst recht in den Köpfen fest.

Sie haben die Einstellung der Mannschaft gerügt.

Kreuzer: Ich habe ihr nie den Charakter abgesprochen. Aber ich beobachte eine gewisse Selbstzufriedenheit. Nach nur einem Erfolgserlebnis glauben einige, dass es jetzt einfach so weiter geht.

Ist das nicht ein Problem im gesamten Verein?

Kreuzer: Ich denke nicht, dass sich jemand mit Mittelmaß zufriedengeben sollte. Das ist nicht mein Weg. Ich will immer nach ganz oben. Und dafür muss man eben noch härter arbeiten.

Wie passt diese Forderung denn zum Trainingsprogramm? Unter Thorsten Fink haben die Spieler jedenfalls deutlich mehr Einheiten absolviert als unter Bert van Marwijk.

Kreuzer: Ich konnte auch bei eher enttäuschenden Auftritten unserer Mannschaft kein Problem mit der Fitness beobachten. Daran lag es nicht. Van Marwijk trainiert lieber einmal am Tag, aber dafür mit sehr hoher Intensität. Dennoch ist unser Trainer erfahren genug, um seine Lehren zu ziehen. Er wird die Spieler in der Rückrunde härter anfassen, davon bin ich überzeugt. Dies muss auch so sein, wenn man die Ziele nicht erreicht.

Auch Kapitän Rafael van der Vaart hat in der Hinrunde insgesamt nicht überzeugt. Ist er schon über seinen Leistungszenit hinaus?

Kreuzer: Unsinn, mit 30 Jahren ist Rafael im besten Fußball-Alter, er kann noch mindestens zwei bis drei Jahre auf höchstem Niveau spielen. Er war ja auch nach seiner Verletzung in hervorragender Verfassung. Leider kam dann sein schwerer privater Schicksalsschlag (seine Lebensgefährtin hatte eine Fehlgeburt, die Red.). Ich will die schlechten Leistungen insgesamt überhaupt nicht schön reden. Dennoch muss man festhalten, dass wir auch viel Verletzungspech hatten, etwa mit den langen Ausfällen von Dennis Diekmeier und Heiko Westermann. Nach der Winterpause kann Bert van Marwijk jetzt endlich mal mit nahezu dem kompletten Kader arbeiten.

Auffällig war, wie viele Fehler sich ein Routinier wie Johan Djourou mit Erfahrung in der Schweizer Nationalmannschaft und der Premier League erlaubt. Wie kann das sein?

Kreuzer: Das müssen wir mit ihm besprechen. Vielleicht lässt sich Johan auch von der gesamten negativen Entwicklung herunterziehen, vielleicht ist sein Selbstvertrauen nicht so groß, wie es eigentlich sein sollte. Wir brauchen insgesamt mehr Stabilität, davon wird auch Johan profitieren.

Im Sommer sind Sie mit Ihrem Plan gescheitert, den Kader deutlich zu reduzieren. Spieler wie Slobodan Rajkovic, Michael Mancienne oder Robert Tesche haben keine Abnehmer gefunden. Wird das in der Winterpause noch funktionieren?

Kreuzer: Das wird schwierig, in der jetzigen Transferperiode handeln in der Regel nur Clubs mit großen Verletzungssorgen. Ich bin skeptisch.

Wären Sie bereit, Artjoms Rudnevs abzugeben? Er spielt nach der Verpflichtung von Pierre-Michel Lasogga auf Leihbasis von Hertha BSC kaum noch eine Rolle.

Kreuzer: Es gibt keinen konkreten Interessenten.

Für Schlagzeilen sorgten Ihre ersten Gespräche mit Lasogga über einen möglichen endgültigen Wechsel zum HSV. Hertha-Manager Michael Preetz nervt das. Er sagt, der Spieler käme auf jeden Fall im Sommer nach Berlin zurück.

Kreuzer: Michael hat mir schon eine SMS geschrieben, wir werden zeitnah telefonieren. Ich sehe das ganz entspannt, Pierre-Michel spielt in Hamburg, da ist es doch ganz normal, dass ich mit ihm und seiner Mutter, die ihn berät, hin und wieder rede. Völlig anders wäre es, wenn ich etwa hinter seinem Rücken mit Berlins Stürmer Adrian Ramos verhandeln würden.

Herr Kreuzer, spüren Sie angesichts von nur 16 Punkten eigentlich Abstiegsangst?

Kreuzer: Ich mag dieses Wort nicht. Und noch haben wir fünf Zähler Vorsprung zu einem direkten Abstiegsplatz und sind auch nur fünf Punkte von einem einstelligen Rang entfernt. Dennoch müssen wir den Blick auch nach unten richten, das ist doch klar. Aber ich bin sicher, dass wir in der Rückrunde mit dem kompletten Kader angreifen werden. Dieser Club braucht endlich Ruhe und Kontinuität. Hier gab es viel zu viele Trainerwechsel in den vergangenen Jahren.

Angesichts der Jahreshauptversammlung am 19. Januar, wo über Ausgliederung und mögliche Investoren abgestimmt wird, wird Ruhe ein frommer Wunsch bleiben.

Kreuzer: Das wird die Spieler nicht belasten. Ob man gewinnt oder verliert, hängt nicht nur davon ab, ob man für einen eingetragenen Verein oder eine ausgegliederte Profi-Abteilung spielt.