Der frühere Präsident Dr. Wolfgang Klein fordert die Ausgliederung der Profis in eine AG und ein repräsentatives Demokratieverständnis.

Hamburg. Die mit Spannung erwartete Mitgliederversammlung rückt näher, fünf Modelle stehen am 19. Januar zur Abstimmung, darunter auch die Initiative HSVPlus, die auch vom ehemaligen Club-Präsidenten Dr. Wolfgang Klein unterstützt wird.

Hamburger Abendblatt: Herr Klein, der HSV scheint derzeit wie ein Angeklagter vor Gericht zu stehen: kein gutes Management, ungenügende Strukturen, kein Geld, sportliches Mittelmaß. Welches Urteil fällen Sie?
Dr. Wolfgang Klein: Was die sportliche Situation betrifft, so bin ich nach dem Chaos in den vergangenen Jahren nicht unzufrieden. Bert van Marwijk war beispielsweise die beste Lösung, die für den HSV möglich war. Wir werden nicht absteigen. Auch Sportchef Oliver Kreuzer muss ich Abbitte leisten, von dem ich glaubte, er würde zu einer gewissen Kumpanei zu Thorsten Fink neigen. Aber Kreuzer geht wohl seinen Weg.

Jetzt kommt sicher ein Aber …
Klein: Die HSV-Struktur ist mittelalterlich, wie sich auch an Wahl und Besetzung des Aufsichtsrats zeigt. Ich habe es als HSV-Mitglied satt, deswegen bemitleidet zu werden, wo immer ich auch in Deutschland bin.

Womit wir schon bei der Gretchenfrage angekommen sind: Liegt das an der Besetzung des Gremiums oder an der Struktur?
Klein: Die bisherige Struktur führt zu diesen Fehlbesetzungen. Nicht ein einziger der Kandidaten, die ich gerne im Aufsichtsrat der AG sähe, wäre bereit, dafür einen Wahlkampf zu führen oder sich einer Mitgliederbefragung vor 30 Leuten zu stellen. Gute Leute stehen dafür nicht zur Verfügung.

Der HSV ist nun mal ein demokratisch geführter Verein.
Klein: Für mich gehört zur Demokratie, dass man den Mitgliedern erklärt, warum man eine Vorauswahl für die Besetzung von Gremien trifft. Wenn 100 von einem Redner zuvor eingekaufte Leute diesen bei einer Versammlung johlend und klatschend unterstützen, hat das doch nichts mit Basisdemokratie zu tun. Eine Information über die Kandidaten findet nicht wirklich statt.

Sie spielen wohl auch auf einige emotionalere Auftritte an.
Klein: Erinnern Sie sich an die Rede von Ian Karan 2009? Alle hatten Tränen in den Augen, als er, rhetorisch glänzend, von seiner Anfangszeit in Deutschland erzählte – und haben brav ihr Kreuz hinter seinen Namen gesetzt. Wobei er zweifellos noch einer der Besseren war.

Und in einer AG wäre alles toll?
Klein: Moment mal! Hier geht es zunächst mal um den gesamten Verein von 1887. Ich sage nicht, dass bei einer Ausgliederung alle Personalprobleme gelöst wären. Aber die neue Struktur würde diesen Weg ermöglichen. Jemand hat mal gesagt: Klein ist gegen klein-klein. Und das stimmt auch. Eine AG ist die klarste, sauberste Form. Bremen hat eine KG auf Aktien und damit eine starke persönliche Verflechtung, die ich vermeiden würde.

Noch mal kurz zum Aufsichtsrat: Das konkurrierende „Reformmodell“, das auch einige Kontrolleure unterstützen, wirbt mit einer Reduzierung von elf auf acht Mitglieder. Wäre die Reduzierung nicht ein erster, richtiger Schritt?
Klein: Haben Sie die Erklärung dazu gelesen? Die Macher schreiben, dass so die Aufklärung von Indiskretionen erleichtert würde. Indirekt sagen sie also: Dieser Saustall ist nicht in den Griff zu bekommen. Sicher, kriminaltaktisch ist das nicht unklug, aber auf mich wirkt es so, als ob einige nicht einsehen wollen, dass sie vollkommen ungeeignet sind für den Job, aber unbedingt wiedergewählt werden wollen. Einige scheinen sich bei der „Bild“ oder dem Abendblatt durch Indiskretionen lieb Kind machen zu wollen. Wer von wirklich guten Leuten hätten so etwas nötig? Keiner.

Schon 2005 haben Sie für den damaligen Vorsitzenden Bernd Hoffmann eine Strukturveränderung geplant, wie sie jetzt auch HSVPlus anstrebt. Damals warnten Sie davor, der HSV befinde sich quasi in einem rechtsfreien Raum …
Klein: … was heute noch so gilt. Wenn der erkennbar größte Teil des Vereins ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb ist, kann er nicht unter dem Dach des eingetragenen Vereins tätig sein. Das ist eine juristische Vorgabe.

Warum gibt es keinen Ankläger?
Klein: Bezogen auf Hamburg behaupte ich, dass kein Politiker, gleich welcher Partei er angehört, es mit Blick auf die kommenden Wahlen wagen würde, Tacheles zu reden und dem HSV eine Frist zu setzen. Gerade erst hat Senator Neumann bei der Hamburg Soirée fast liebevoll seine Verbundenheit ausgedrückt, indem er sich lobend für eine Ausgliederung ausgesprochen, aber keinen politischen Druck ausgeübt hat.

Wo ist dann das Problem?
Klein: Man könnte das einfach aussitzen, richtig. Nur: Geht der Verein pleite, gibt es im Amateurbereich in allen Sportarten keinen Trainingsbetrieb mehr, keine Miete könnte mehr gezahlt werden.

Bei einer Ausgliederung hängt der Amateursport doch weiter am Tropf.
Klein: Nein, das ist doch genau der Punkt. Die über 70.000 Mitglieder zahlen jedes Jahr einen namhaften Millionenbetrag. Selbst wenn die HSV-Tochter Fußball-AG pleite ginge, bliebe der gemeinnützige HSV e.V. gesund und hätte auch ohne Bundesliga-Fußball eine völlig ungetrübte, risikofreie Zukunft in den nächsten Jahrzehnten. Nebenbei: Die derzeitige Verteilung der Mitgliederbeiträge verstehe ich ebenfalls nicht.

Inwiefern?
Klein: Ich halte es für verkehrt, dass die Leitung der Supporters-Abteilung aus ihrem Etat, der die Maßnahmen zur Unterstützung der Fußballmannschaft finanzieren soll, ohne eine zwingende Abstimmung mit dem Amateurvorstand Gelder in anderen Abteilungen verteilen kann, um sich dort beliebt zu machen oder womöglich Stimmen für die nächste Mitgliederversammlung zu gewinnen.

Wo wir gerade beim Thema Geld sind: Warum sollten außer HSV-Fan Klaus-Michael Kühne Unternehmen wie Otto, Tchibo oder Beiersdorf bei einer Umwandlung in eine AG als strategischer Partner einsteigen? Rendite ist doch kaum zu erwarten, ein Imagegewinn genauso wenig.
Klein: Man darf die gegenwärtige Situation nicht zum Maßstab nehmen, der HSV hat ja einen viel höheren Wert, als viel glauben. Allein die Raute ist als Markenzeichen höher einzustufen als das Emblem des FC Bayern: viel besser, klarer, erkennbarer. Aber jeder, der zu einem Investment bereit wäre, geht zunächst davon aus, dass sich die Strukturen ändern müssen. Und ich habe Verständnis für Leute wie Herrn Kühne, die sagen: Ich werfe nicht einfach Geld in ein großes schwarzes Loch und weiß nicht, wo es landet.

Gesetzt den Fall, der HSV könnte einige Millionen Euro generieren. Was würden Sie mit dem Geld machen?
Klein: Die Schulden bei den Banken ablösen. Bei Verbindlichkeiten in Höhe von 60, 70 Millionen Euro kann sich jeder ausrechnen, welche Zinsersparnis das wäre. Es müssten aber auch 30, 40 Millionen Euro übrig bleiben für möglichst sinnvolle Investments im Fußballbereich.

Was halten Sie von den konkurrierenden Modellen wie dem von Jürgen Hunke?
Klein: Dass er tatsächlich keine herausgehobene Position beim HSV anstrebt, glaube ich ihm. Aber Hunkes Modell ist reiner Idealismus, etwas weltfremd und nicht zum heutigen, knallharten Fußballgeschäft passend. Genau wie unsere derzeitigen Strukturen in Teilen einem Taubenzüchterverein ähneln.