Alles eine Frage des Alters: Die jungen Wilden des HSV treffen am Sonnabend auf Mainz 05, die absoluten Oldies der Bundesliga.

Hamburg. Alter schützt vor Toren nicht. Für den letzten HSV-Gegner der Bundesliga-Hinrunde, den FSV Mainz 05 (Sonnabend, 15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de), spielen die Oldies der Liga. Und die stehen mit ihrer gebündelten Erfahrung auf einem respektablen neunten Tabellenplatz, fünf Punkte und vier Positionen vor den jungen Wilden des HSV. Die zehn ältesten Startaufstellungen dieser Bundesligasaison hatte allesamt der Mainzer Trainer Thomas Tuchel ausgewählt. Am zehnten Spieltag hatte seine Elf gegen Eintracht Braunschweig ein Durchschnittsalter von 29,73 Jahren – bis dato der Rekordwert. Aber die Truppe der Betagten gewann das Spiel mit 2:0.

Tuchel setzt generell auf die Generation 30 plus: Schon in der vergangenen Serie war seine Mannschaft an vielen Spieltagen das älteste Team. Unter den zehn ältesten eingesetzten Feldspielern in dieser Spielzeit sind mit Zdenek Pospech, 35, Nicole Noveski, 34, und Bo Svensson, 34, gleich drei Mainzer vertreten. Und auch der derzeit verletzte Stammtorwart Heinz Müller ist mit seinen 35 Jahren nach Augsburgs Alexander Manninger der zweitälteste Keeper der deutschen Eliteklasse.

Gegen den HSV wird das Durchschnittsalter der Mainzer zwar sinken, da sich mit Ersatztorwart Loris Karius, 20 und den Nachwuchsleuten Johannes Geis, 20, und Stefan Bell, 22, mittlerweile ein paar junge Profis aufgedrängt haben. Dennoch hat der HSV mit seinen Jungstars um Jonathan Tah, 17, Hakan Calhanoglu, 19, und Pierre-Michel Lasogga, 22, in Sachen Erfahrung klar das Nachsehen. Auch Maximilian Beister, 23, und Tolgay Arslan, 23, sind aus dem Team von Bert van Marwijk kaum mehr wegzudenken – gemeinsam kommen sie auf einen Altersdurchschnitt von gerade mal 20,8 Jahren. Mit Zhi Gin Lam, 22, oder Kerem Demirbay, 20, warten zwei weitere Talente auf ihren Durchbruch. Sollte Nationaltorwart René Adler, 28, der am Mittwoch nur individuell trainierte, nach seiner Sprunggelenkverletzung wieder fit sein und den sechs Jahre älteren Jaroslav Drobny verdrängen, Trainer Bert van Marwijk aber ansonsten an seiner Elf aus dem Bayern-Spiel festhalten, hätte das HSV-Team gegen Mainz gerade mal ein Durchschnittsalter von 24 Jahren. Zu jung?

„Wenn ältere Spieler aufgrund von Verletzungen wegbrechen, kann man das vielleicht ein- oder zweimal kompensieren, auf Dauer sind die Erfahrenen aber immens wichtig für das Team“, sagt HSV-Sportchef Oliver Kreuzer, der natürlich darauf setzt, dass seine Mannschaft im Kern zusammenbleibt und in den kommenden Jahren die nötige Reife erwirbt, um wieder international mitspielen zu können.

Doch das scheint in dieser Saison noch nicht möglich zu sein. „Man hat ja immer wieder gesehen, dass uns die Konstanz fehlt“, sagt auch Dennis Diekmeier, 24, der am Mittwoch nach seinem Fußbruch aus dem September erstmals wieder am Mannschaftstraining teilnahm (siehe Text oben rechts). Ein Einsatz gegen Mainz kommt für ihn noch zu früh. Van Marwijk wird entweder an Tomas Rincon, 25, festhalten oder dem wiedergenesenen Lam, 22, eine Chance als Rechtsverteidiger geben, was den Schnitt weiter senken würde. „Ich bin glücklich, dass ich viele junge, kreative Spieler im Kader habe. Sie haben alle viel Talent“, sagte der Coach, als er sich einen Überblick über sein Team verschafft hatte. „Um sie noch besser zu machen, muss man ihnen Vertrauen schenken. Das geht nur über Spielpraxis. Klar ist aber: Bei mir darf keiner jede Woche schlecht spielen.“

Der Hamburger Sportmediziner Klaus-Michael Braumann hält den „Jugendwahn“ in der Bundesliga, der ja nicht nur den HSV befallen hat, für überzogen. „Theoretisch kann auch eine reine Ü33-Mannschaft Weltmeister werden. Der einzig belegte Nachteil älterer Spieler ist der, dass sie längere Regenerationsphasen benötigen. Aber wenn das Training darauf abgestimmt wird, ist Erfahrung eher von Vorteil“, sagt der Professor. Die Karriere von Lothar Matthäus, der im Alter von 29 Jahren bei der Weltmeisterschaft 1990 in Italien zum überragenden Spieler wurde und noch bis ins hohe Alter auf Top-Niveau spielte, stützt diese These. Heute wäre er damit nach Philipp Lahm schon der zweitälteste Akteur beim letzten Pflichtspiel der Nationalmannschaft in Schweden gewesen.

Das „beste Fußballeralter“ hat sich anscheinend verschoben. Einst spielten sich die besten Jahre einer Karriere zwischen dem 25. und dem 35. Lebensjahr ab. Heute gelten viele Spieler bereits mit 30 als Auslaufmodell. Von den in der vergangenen Saison eingesetzten Bundesliga-Spielern waren nur rund 15 Prozent älter als 29 Jahre, darunter etwa ein Drittel Torhüter. Vor zwölf Jahren bekamen die 25-Jährigen den größten Anteil der Spielzeit, vor zwei Jahren waren es die 23-Jährigen, ergab eine Untersuchung von bundesliga.de. „Die jungen Spieler sind heutzutage viel besser ausgebildet als noch vor 20 Jahren und damit früher auf Top-Niveau“, führt Braumann als Erklärung an.

Undenkbar scheint es heute, dass ein Feldspieler mit über 43 Jahren noch auf dem Rasen steht. Klaus Fichtel hält den Rekord seit der Saison 1987/88. In dieser Saison ist der Berliner Levan Kobiashvili mit 36 Jahren der Alteste.

Besonders bemerkenswert ist die Altersentwicklung auf der Torwartposition, die lange als Hort der erfahrenen Recken galt. Die eingesetzten Bundesligakeeper dieser Saison waren im Schnitt nur 27,1 Jahre alt, vor zwei Jahren sogar nur 25,9 Jahre. Viele der erfahrenen Keeper sind in ihren Teams nur noch zweite Wahl. Siehe Jaroslav Drobny beim HSV. „Jung und erfahren gibt es im Fußball nicht“, sagte Stuttgarts Keeper Sven Ulreich. „Das gibt es nur auf dem Straßenstrich.“