Drei Tage lang besuchten die Vorstände Oliver Kreuzer und Joachim Hilke São Paulo und die modernste Fußballakademie Südamerikas. Ihr Fazit klingt verlockend.

Hamburg. Die Nacht auf den Mittwoch war lang, sehr lang. Drei Zeitzonen haben Oliver Kreuzer und Joachim Hilke in mehr als elf Stunden im Flugzeug von São Paulo nach Frankfurt am Main hinter sich gebracht. Und als die beiden Vorstände des HSV am Vormittag mit der Maschine LH 507 um 10.08 Uhr auf dem Frankfurter Flughafen zwischenlandeten, waren die Hamburger Führungskräfte gleich zweierlei: sehr müde, aber auch sehr zufrieden.

„Unser Kurztrip nach Brasilien war keine Urlaubsreise, aber es hat sich wirklich gelohnt“, sagte Sportchef Kreuzer, der drei durchgetaktete Tage in Südamerika hinter sich hatte. Am Sonntag waren Hilke und er in der Millionenmetropole São Paulo gelandet und hatten sich direkt auf den Weg ins Stadion von Traditionsclub Corinthians gemacht. Höhepunkt der Kurzreise sollte aber der zweitägige Besuch am Montag und Dienstag in der Academia Traffic de Futebol, der größten Nachwuchsschmiede für Fußballtalente in Brasilien (siehe Infokasten), sein. „Der Besuch bei Traffic war schon sehr beeindruckend. Wir haben zwar keine offizielle Kooperation vereinbart, aber natürlich streben wir eine Zusammenarbeit an, durch die wir uns beispielsweise ein Erstzugriffsrecht auf einige der talentierten Fußballer sichern könnten“, sagte Kreuzer, der aber im gleichen Atemzug betonte, dass der Fokus der Talentsichtung auch weiterhin in Deutschland liege: „Deutschland bleibt natürlich unser Kernmarkt, aber mit Brasilien könnten wir uns einem sehr interessanten Markt annähern."

Überhaupt erst möglich machte diese Annäherung der frühere Hamburger Jochen Lösch, der seit 2007 als President International Business für Traffic in Brasilien aktiv ist. Lösch und Hilke kennen sich aus gemeinsamen Tagen bei Sportfive, wodurch eine Kontaktaufnahme fast logisch erschien. Vor sieben Wochen besuchte Lösch erstmals Kreuzer in dessen Büro, dabei wurde der Trip nach Brasilien vereinbart. „Es wäre sehr schön, wenn der HSV und wir ins Geschäft kommen würden“, sagte auch Lösch dem Abendblatt.

In England konnte Lösch, der zehn Jahre lang für Sportfive mit Fernsehrechten handelte, bereits Manchester United als Kooperationspartner gewinnen, in Portugal ist Freiburgs Europa-League-Gegner GD Estoril Praia eine Art europäischer Schwesterclub der brasilianischen Nachwuchsakademie. „Besonders mit Estoril haben wir sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagte Lösch, der daran erinnerte, dass der mit Traffic-Spielern bestückte Verein erst 2012 aufgestiegen sei und nach der Qualifikation für die Europa League auch aktuell wieder den vierten Platz in Portugal belege. Um sich von den in Brasilien ausgebildeten Estoril-Spielern ein besseres Bild zu machen, plant Kreuzer im Frühling nach Portugal zu reisen.

Darüber hinaus sollen die bislang noch losen Kontakte bis zum Sommer intensiviert werden. Brasilianische Talente sollen für 14 Tage nach Hamburg eingeladen werden, zudem will Kreuzer einen HSV-Scout zu São Paulos Jugendmeisterschaften im Januar und im Mai zu einem international besetzten Nachwuchsturnier in Bielefeld, an dem auch Traffic teilnimmt, schicken. „Das Niveau der Talente ist überdurchschnittlich hoch“, sagte Kreuzer, der sich am Montag beim U18-Training von Traffic selbst überzeugen konnte. Gleich mehrere von den U18-Nachwuchsspielern, so Kreuzer, hätten bereits bei Olympique Lyon und bei Manchester City unterschrieben. Ob es den einen oder anderen in der mittelfristigen Zukunft vielleicht auch nach Hamburg zieht, ist zwar noch offen. Aber die Voraussetzungen dafür sind geschaffen – und dafür nimmt man dann auch mal ein gewisses Schlafdefizit in Kauf.