Trainer Bert van Marwijk rechnet mit einer schnellen Rückkehr des Kapitäns. Bis Rafael van der Vaart wieder zurückkehrt wird Hakan Calhanoglu aller Voraussicht nach die Rolle des Spielmachers übernehmen.

Hamburg. Da war er wieder, der typische Trainer vor einem wichtigen Spiel. Nichts Substanzielles enthüllen, bloß nichts verraten. Der Gegner könnte ja mithören. Hannover 96 kommt am Sonntag (15.30 Uhr) zum „kleinen“ Nordderby, das sei schließlich „eine gut organisierte Mannschaft“. Sagte Trainer Bert von Marwijk. Wer in seinem Team aber den verletzten Kapitän Rafael van der Vaart ersetzen soll, dazu äußerte sich der sperrige Niederländer nicht: „Natürlich könnte ich dazu etwas sagen, mache ich aber nicht.“

Sofort als am Mittwochnachmittag die Diagnose kam – Außenbandanriss und Innenbandriss im rechten Fuß –, dachte der HSV-Trainer um: „Es ärgert mich, dass das passiert ist. Aber ich muss nach vorne schauen.“ Er glaubt allerdings, dass van der Vaart rascher als in den prognostizierten vier Wochen wieder auf den Beinen ist. „Ich habe die Bilder gesehen – ich denke, es geht schneller.“

Dann wurde van Marwijk aber einmal grundsätzlich. „Die Spieler sind überbelastet, das ist ganz deutlich“, meinte der ehemalige niederländische Bondscoach. „Es ist ein Problem, dass das Geld so wichtig ist. Man erwartet immer mehr von den Spielern. Aber es kommt der Moment, an dem man was ändern muss.“

Einen Ersatz für van der Vaart nannte der HSV-Trainer dann doch noch. Marcell Jansen wird das Team als Kapitän aufs Feld führen. „Er ist erfahren, er ist Nationalspieler, er ist gut in Form“, begründete van Marwijk seine Entscheidung. Der 28-Jährige ist eine logische Wahl, seit 2008 spielt er bereits beim HSV, so lange wie kein anderer Profi. Und außerdem steht hinter dem bisherigen Ersatzkapitän Heiko Westermann noch ein kleines Fragezeichen. Der Abwehrspieler konnte nach seinem Schlag auf das Knie im Länderspiel gegen England auch am Donnerstag noch nicht trainieren.

Hakan Calhanoglu dagegen mischte munter mit. Der Deutsch-Türke ist der natürliche Kandidat für van der Vaarts Rolle als Spielmacher, als „Zehner“. Zumal van Marwijk ja durchaus ein Faible für junge Spieler hat. „Hakan hat ja schon öfter in der Mitte gespielt, seine Entwicklung ist sehr positiv“, sagte auch der neue Kapitän Jansen. Mittelfeldkämpfer Tomas Rincon meinte: „Rafas Ausfall ist natürlich bitter, er hat zuletzt super Leistungen gebracht. Wer auch immer ihn ersetzt, muss Verantwortung übernehmen.“

Calhanoglu wurde ja bereits bei seiner Ankunft im Sommer in Hamburg als potenzieller Nachfolger für van der Vaart im Mittelfeld gesehen. Die Kreativität, den Blick für den außergewöhnlichen, genialen Pass hat er bereits nachgewiesen. Zwölf Torvorlagen gelangen ihm in der Drittligasaison mit dem Karlsruher SC 2012/13, dazu 17 Tore. Überragende Werte, die mithalfen, dass der KSC wieder in die Zweite Liga aufstieg. Schon im August vergangenen Jahres hatte Hamburg den gebürtigen Mannheimer verpflichtet, der drei Tage vor seinem 18. Geburtstag Anfang Februar 2012 für den KSC sein Zweitligadebüt gegen Aue gab und dabei gleich beide Treffer zum 2:1 vorbereitete. Dem ehemaligen Sportchef Frank Arnesen war durchaus ein Coup gelungen, als er Calhanoglu trotz Mitbietern wie Werder Bremen zum HSV lotsen konnte.

Allerdings wurde Calhanoglu in seiner überragenden Drittligasaison in 36 Spielen nur zehnmal zentral aufgestellt. Meist spielte er wie zuletzt beim HSV auf der linken Seite. Auf dieser Position sieht ihn auch der damalige KSC- und jetzige HSV-Sportchef Oliver Kreuzer, „aber natürlich kann er zentral spielen.“

Der Verein schirmte seinen Jungstar in den vergangenen Tagen so weit wie möglich vor der Öffentlichkeit ab, um bloß keinen Druck aufzubauen. Die Rolle als Ersatzmann für van der Vaart wird ohnehin schwer genug. Denn der Niederländer ist unter van Marwijk regelrecht aufgeblüht. Seit sein Landsmann Trainer beim HSV ist, gelangen Hamburgs Nummer 23 vier Assists und drei Tore in fünf Spielen. Die Statistik zeigt außerdem, dass kein HSV-Profi so viel läuft wie van der Vaart, knapp 13 Kilometer ist er durchschnittlich unterwegs. Dafür sprintet er nicht so oft in die Schnittstelle der Abwehr. Etwas, das Calhanoglu laut „Hamburger Morgenpost“ durchaus für sich beansprucht: „Ich bin vielleicht etwas spritziger als er und will noch häufiger in die Spitze vorstoßen.“

Johan Djourou kehrt wahrscheinlich in die Innenverteidigung zurück

Ivo Ilicevic steht im linken Mittelfeld als Ersatz für Calhanoglu bereit. Weil auch Tolgay Arslan gelbgesperrt ist, muss van Marwijk das Team erstmals gründlich umbauen. So wird wohl Tomas Rincon erstmals nach seinem doppelten Kieferbruch vom 29. September aus dem Spiel gegen Werder Bremen für Arslan auflaufen. In der Innenverteidigung kehrt wahrscheinlich Johan Djourou an der Seite von Jonathan Tah zurück. Lasse Sobiech müsste nach seinen unglücklichen Spielen vor allem gegen Borussia Mönchengladbach wieder weichen. „Djourou und Rincon sind fit, das kann ich sagen“, erklärte van Marwijk, „wie wir in der Abwehr spielen wollen, sage ich aber nicht.“ Natürlich nicht. Es könnte ja jemand mithören.