Der HSV muss nach einem Bänderriss lange auf Rafael van der Vaart verzichten. Hakan Calhanoglu wird nun wohl die Aufgabe bekommen, im zentralen Mittelfeld für die kreativen Momente zu sorgen.

Hamburg . Um kurz nach 14 Uhr verschwand Rafael van der Vaart am Mittwoch im Kabinentrakt der HSV-Mannschaft unter der Haupttribüne der Arena. Der Kapitän humpelte leicht, Krücken brauchte er nicht. Dennoch ist seine Verletzung deutlich schlimmer, als es die erste Diagnose aus Amsterdam nahelegte. Anriss des Außenbandes und Riss des Innenbandes im rechten Sprunggelenk, stellte Mannschaftsarzt Philip Catála-Lehnen fest, nachdem er van der Vaart mittags um 13 Uhr im UKE in die „Röhre“ geschoben hatte.

„Das ist natürlich ein Schock für uns“, sagte HSV-Sportchef Oliver Kreuzer, der die Szene in Amsterdam auf der Tribüne genau mitverfolgen konnte, „jetzt hoffen wir, dass er so schnell wie möglich wieder fit wird.“ Eine Minute vor der Halbzeitpause im Testspiel zwischen den Niederlanden und Kolumbien (0:0) hatte Abel Aguilar den HSV-Kapitän von hinten brutal weggegrätscht. Rot für die neutralen Beobachter, Gelb nur für den deutschen Schiedsrichter Florian Meyer. „Es war ein sehr aggressives Spiel, obwohl es um nichts ging, beide Mannschaften waren sehr engagiert“, hatte Kreuzer beobachtet, „das Foul war total unnötig.“

Die Testländerspiele der vergangenen Tage haben also auch beim HSV ein prominentes Opfer gefordert. Aus der deutschen Nationalmannschaft hatte es Sami Khedira und Mats Hummels erwischt. Langfristige Verletzungen in Spielen, bei denen es um nichts ging. Kreuzer wollte diese Partien dennoch nicht verdammen. „Die Trainer brauchen diese Möglichkeiten zu Tests, Verletzungen passieren nun mal im Fußball, sie gehören dazu.“

In einer ersten Röntgenaufnahme in Amsterdam war am Dienstagabend bei van der Vaart nur eine schwere Prellung diagnostiziert worden und keine Verletzung von Knochen oder Bändern. Erst in Hamburg zeigte sich, dass doch die Bänder substanziell betroffen sind. Vier bis fünf Wochen Pause sind bei diesen Verletzungen normal. Van der Vaart soll konservativ behandelt werden, mit Eisbad, Strom und Lymphbehandlung, das ganze Programm der modernen Sportmedizin eben. Damit er eben so schnell wie möglich zurückkehrt.

Der 30-Jährige hatte sich in den vergangenen Wochen unter Trainer Bert van Marwijk wieder in prächtiger Verfassung präsentiert, war Dreh- und Angelpunkt des HSV-Spiels. „Es schmerzt, wenn solch ein Spieler nicht dabei ist“, sagte Kreuzer und fügte dann aber hinzu: „Grundsätzlich haben wir die Möglichkeit, solch einen Ausfall zu kompensieren.“ Das muss er natürlich sagen vor den wichtigen Heimspielen gegen Hannover und am 3. Dezember im Pokal-Achtelfinale gegen den 1. FC Köln. Nur nicht klagen: „Unser Kader ist schon breit aufgestellt, wir dürfen nicht jammern.“

Hakan Calhanoglu wird nun wohl die Aufgabe bekommen, im zentralen Mittelfeld für die kreativen Momente zu sorgen. Für den Deutsch-Türken könnte dann Ivo Ilicevic im linken Mittelfeld spielen. Hundertprozentig überzeugt, dass der erst 19 Jahre alte Calhanoglu gleich auf der „Zehn“ funktioniert, wirkte der Sportchef jedoch nicht. Ob man denn von einer „Chance“ für das große Talent sprechen könne, wurde er gefragt. „Jein“, zögerte Kreuzer, „er sieht sich selbst nicht so als Zehner. Er sieht sich selbst lieber auf der Außenbahn. Er kann das spielen, aber ich möchte nicht von Chance reden.“

Optimistischer ist da Marcell Jansen: „Hakan hat schon öfter in der Mitte gespielt, seine Entwicklung sehe ich sehr positiv“, sagte der Nationalspieler, der sich nun auf einen neuen Vordermann einstellen muss, „wir sind stark genug, Spiele auch ohne Rafa zu gewinnen.“ Hinweise darauf, wie Trainer Bert van Marwijk nun reagiert, gab es am Mittwoch noch nicht. Das Nachmittagstraining war nur ein lockerer Aufgalopp. Die Nationalspieler, die zuletzt voll im Einsatz waren, liefen nur aus, die anderen Spieler kickten rund eine Stunde auf dem Trainingsplatz. Vorher taten sie im „Bauch“ der Arena etwas für Fitness und Koordination. Die deutschen Nationalspieler Jansen, René Adler und Heiko Westermann waren erst unmittelbar zuvor aus London am Stadion angekommen. Westermann hat ein dickes Knie, aber das ist offenbar nichts Schlimmes. Immerhin gab es weiter keine Verletzungen aus den Länderspielen. Denn die Personallage ist durchaus angespannt. Gegen Hannover fällt auch der gelbgesperrte Tolgay Arslan aus, er könnte durch Tomas Rincon ersetzt werden. Dennis Diekmeier fehlt noch wochenlang, ebenso Zhi Gin Lam und Kerem Demirbay.

Für sie alle gibt es tatsächlich Alternativen, allein der Kapitän ist unersetzlich. „Ich werde alles dafür tun, um so schnell wie möglich auf den Platz zurückzukehren“, erklärte van der Vaart selbst, der am Vorabend noch über „starke Schmerzen“ klagte. Das letzte Spiel des Jahres gegen Mainz 05 am 21. Dezember ist sein Ziel. Kreuzer hofft darauf, dass der Kapitän vielleicht bereits am übernächsten Wochenende in Wolfsburg wieder spielen kann. Doch da scheint vor allem der Wunsch der Vater des Gedankens: „Rafa hat ein gutes Heilfleisch.“