Beim Hamburger SV ist eigentlich immer was los - oft mit negativer Färbung. Lesen Sie hier zehn kuriose und teils peinliche Geschichten, von denen einige bisher noch nie veröffentlicht wurden.

Hamburg. HSV – ein Verein beschäftigt eine ganze Stadt. Ob als Bundesliga-Dino, als sportlicher Hoffnungsschimmer, als Imageträger oder manchmal auch als Garant für Klatsch- und Tratschmedien: Bei den Rothosen ist eigentlich immer etwas los; oft, in den vergangenen Jahrzehnten für die leidgeprüften Fans zu oft, mit negativer Färbung. Dabei können sie sogar noch froh sein, denn eine Vielzahl von Kuriositäten und mitunter auch Peinlichkeiten wurde nie veröffentlicht. Meine zehn Favoriten in Sachen Kuriositäten – einige davon erstmals veröffentlicht:

1. Die Thesentrottel: Der jetzige HSV ist meilenweit von Champions League oder Titeln, sogar von Europa entfernt, aber Trainer und Sportdirektoren nehmen den Mund immer voll. Frank Arnesen spricht bei erster Gelegenheit von Europa, Thorsten Fink legt nach. Und was machen die Nachfolger? Oliver Kreuzer spricht bei seiner Vorstellung von der „Schale“, Bert van Marwijk betont, der HSV gehöre auf die Plätze eins bis sechs. Hallo!? Die Realität hat offenbar keiner der Verantwortlichen wahrgenommen. Und dass solche kommunikativen Aussetzer selbst bei eingefleischten Anhängern nur noch mitleidiges Kopfschütteln hervorrufen, schert auch niemanden.

2. Die Witzveranstaltungen: Mitgliederversammlungen beim HSV sind seit Jahren eine Unterhaltungsgarantie. Das gilt auch für Wahlen. Beispiel gefällig? Im Januar 2009 kandidiert Ex-Profi Sergej Barbarez für den Aufsichtsrat. Während seiner Wahlrede schauen sich selbst engste Freunde des Bosniers fragend an, weil dieser keinerlei Argumente für Stimmen liefert. Doch Barbarez, typisch Torjäger, hat noch einen Trumpft parat: seinen Abschlusssatz. „Eines noch“, sagt er zu den erstaunten und enttäuschten Mitgliedern im CCH: „Nur der HSV!“ Jubel, tosender Beifall. Alles ist vergessen. Im zweiten Wahlgang wird Barbarez in das Kontrollgremium gewählt, um im Mai des folgenden Jahres zurückzutreten.

3. Die Maulwurfdebatten: Wer plaudert Interna aus? Warum wissen alle etwas von Verhandlungen, die noch nicht beendet sind? Aufsichtsräte und mitunter auch Vorstände spielen seit einigen Jahren die Empörten. Und diejenigen, die am lautesten über Verschwiegenheitsregeln debattieren, kommentieren selbst jeden Wasserstand. Gibt es eigentlich nur beim HSV ein Gesetz, dass Verträge, Transfers und interne Missstände in der Öffentlichkeit besprochen werden müssen? Die Bundesliga lacht sich schlapp über dieses Gebaren. Dabei liegt der Grund auf der Hand: Die vermeintlichen Maulwürfe sind nämlich entweder Schlangen oder Pfaue ...

4. Die Schleuser: 2003 bestreitet der HSV ein Testspiel beim schottischen Erstligaklub FC Aberdeen (3:2). Weitaus spannender als die Partie ist die Anreise, denn der iranische Offensivspieler Mehdi Mahdavikia hat weder seinen Reisepass, noch ein Gästevisum dabei. Doch bei der Passkontrolle lenken Erik Meijer, Martin Groth und Kollegen die Polizisten so geschickt und gewitzt ab, dass Mahdavikia an den Beamten vorbeihuscht ohne entdeckt zu werden.

5. Der Torskandal: 2004 führt das Abendblatt auf Hamburger Amateurfußballplätzen eine Überprüfung der Torhöhen durch. Nach den erstaunlichen Ergebnissen – das niedrigste Tor ist 2,31 Meter statt der erforderlichen 2,44 Meter hoch – nehmen die Redakteure auch in der damaligen AOL-Arena Maß. Ergebnis: Das Tor in der Nordkurve ist nur 2,39 Meter hoch, in der Südkurve 2,41 Meter. Plötzlich legt die gesamte Liga die Messlatte an und korrigiert klammheimlich die Höhen.

6. Der Ballermann: UI-Cup-Halbfinale 2004, der HSV steht vorm Halbfinalhinspiel beim spanischen Verein FC Villarreal. Trainer Klaus Toppmöller bereitet seine Schützlinge im Stadion El Madrigal im Training emotional auf das Duell vor. Kurz vorm Ende gibt es noch ein paar Torschüsse. Toppmöller ruft seinem Joker Wjatscheslaw Hleb zu: „Jetzt liegt alles an dir. Nachspielzeit, du bekommst einen traumhaften Pass. Nur noch der Torwart vor dir.“ Er bedient Hleb mit einem Pass in den Lauf, freie Schussbahn aus 16 Metern, und der Weißrusse bugsiert die Kugel zum Erstaunen aller Mitspieler und spanischen Medienvertreter über das Tor, über den Fangzaun – aus dem Stadion heraus. Der HSV verliert übrigens Hin- und Rückspiel mit 0:1.

7. Der Vielflieger: Stürmer Paolo Guerrero hängt 2010 nach seiner Rehaphase in Peru fest und behauptet, er könne wegen seiner Flugangst nicht sofort nach Hamburg zurückkehren. Kurios nur, dass er zuvor viele Möglichkeiten nutzte, um an freien Tagen oder Wochenenden mit Begleitung zum Kurzurlaub nach Mallorca zu reisen.

8. Der Stimmungsgarant: Ende der 90er-Jahre fährt Pressesprecher Gerd Krall bei Temperaturen um den Gefrierpunkt, Regen und Wind zu einer Weihnachtsfeier eines Fanclubs an der dänischen Grenze. Auf der Autobahn schaut er in den Rückspiegel und sieht auf der Überholspur einen Wagen heranrauschen mit offenem Verdeck und einem jungen Mann, der oben mit freiem Oberkörper rausschaut und eine HSV-Fahne herausstreckt. „Wir haben aber auch durchgeknallte Fans!“, sagt Krall und erkennt im Vorbeifahren, dass der Mann mit der Fahne HSV-Däne Thomas Gravesen ist. Die „Hümörbombe“ macht auch durch Nacktrutschen ins Entspannungsbecken, durch Dynamitböllern auf einem Trainingsplatz und durch Chips-Verstecken im Teambus auf sich aufmerksam.

9. Der Fachkundige:Emile Mpenza erzielt in seinen 36 Partien in den Jahren 2004 und 2005 nur fünf Tore. Teamintern schießt der Belgier in dieser Zeit aber mehrfach unfreiwillig den Vogel ab. Auf der Fernostreise in China fragt Mpenza einen seiner Kollegen beim Frühstück um 9 Uhr: „In Deutschland ist doch jetzt eine andere Zeit. Wie spät ist es da jetzt, ich will meine Uhr schon mal umstellen: 9.30 Uhr? 9.45 Uhr?“

10. Die Ignoranten: Im März 2013 verliert der HSV ein Testspiel auf dem Kunstrasenplatz neben der Imtech-Arena mit 2:3 gegen Oslo. Mehr als 500 Zuschauer, darunter viele Familien und kleine Kinder, sind vor Ort und schauen sich u. a. Jonathan Tahs Auftritt an. An die großen und kleinen Autogrammjäger verschwendet der HSV aber offenbar keine großen Gedanken. Während das B-Team verliert, machen sich die Stammkräfte nach der Pflegeeinheit abseits des Geschehens von dannen. Weitsicht sieht anders aus.

Christian Pletz (37) arbeitete von 1999 bis 2009 beim Abendblatt, zunächst als Fußball-Berichterstatter und Begleiter des HSV, später als stellvertretender Ressortchef Sport. Anschließend arbeitete er zwei Jahre als Kommunikationsmanager für das weltweite Fußballprojekt Red Bull Global Soccer in Salzburg, New York, São Paulo, Leipzig und Sogakope (Ghana). Seit 2012 realisiert er mit seiner Medienagentur PletzMedia multimediale und kommunikative Projekte (HSV-Buch des Abendblatts).