HSV-Abräumer Tomas Rincon ist nach seinem Kieferbruch ins Aufbautraining eingestiegen. Er will sich bei Trainer Bert van Marwijk in Erinnerung bringen und noch in der Hinrunde wieder spielen.

Steak geht noch nicht. Für einen Südamerikaner eigentlich kaum zu ertragen, aber Tomas Rincon beklagt sich nicht. Im Gegenteil: „Alles ist gut. Ich esse Pasta, Reis und Fisch.“ Mit drei Titanplatten im Kiefer ist das doch schon was, nur knapp drei Woche nach dem Kieferbruch im Spiel gegen Werder Bremen. „Es geht mir gut“, bekräftigt der Mittelfeldabräumer des HSV.

Er war in dem ersten Spiel nach der Beurlaubung von Trainer Thorsten Fink im Strafraum voll mit dem Bremer Luca Caldirola zusammengestoßen. „Ich habe den Mannschaftsarzt erst gefragt, ob die Zähne noch alle da sind“, erinnert sich der Venezolaner. Ja, waren sie. „Aber du hast einen Kieferbruch hieß es. Ich wollte trotzdem unbedingt weiterspielen, stand etwas unter Schock“, erinnert sich der 25-Jährige, „erst als ich dann aufgestanden und vom Platz gegangen bin, da tat es richtig weh.“

Noch am gleichen Abend wurde er im UKE operiert. Seit dieser Woche arbeitet er beim HSV schon wieder an Geräten, Fahrradfahren, Kraft. Ab Montag will er langsam wieder ins Lauftraining einsteigen, mit dem Ball in drei Wochen. Ich hoffe, dass ich in der Hinrunde noch ein paar Spiele machen kann“, sagt er. So hart gegen sich, wie sonst nur gegen seine Gegenspieler. Möglicherweise wird eine Maske angefertigt, um die grade wieder zusammenwachsenden Knochen nicht zu gefährden. Sechs Wochen rechnen Ärzte normalerweise bei einem Knochenbruch.

Auch im wichtigen WM-Qualifikationsspiel von Venezuela in der Nacht zum Sonnabend gegen Paraguay konnte er nur mit dem Herzen dabei sein. Um wenigstens noch eine theoretische Chance auf die erste WM-Teilnahme seines Heimatlandes überhaupt zu haben, musste dringend ein Sieg her. Rincon wollte sich die Partie im Internet ansehen und mitfiebern: „Natürlich hoffe ich noch, aber es wird schwer mit der Qualifikation.“

Ob die Platten in seinem Kiefer wieder rauskommen oder drinbleiben können, ist noch nicht klar. Da ist auch noch ein Weisheitszahn, man muss schauen, ob es ein Problem gibt, oder nicht. In sechs Monaten weiß man das, oder in einem Jahr. Unbestimmte Zukunft, wie Rincons persönliche und sportliche Situation insgesamt.

Beim neuen Trainer Bert van Marwijk konnte sich Rincon durch den Unfall ja noch nicht präsentieren: „Der Trainer hat mich zwei, drei Mal angesprochen, wie es geht. Aber mehr war da noch nicht.“ Van Marwijk ist schließlich immer noch dabei, sich einen kompletten Überblick über seine Mannschaft zu verschaffen. Am Freitag leitete sein Assistent Roel Coumans die Übungen. Marwijk stand währenddessen mit Co-Trainer Roger Stilz am Rand und tauschte sich aus. Allerdings waren durch die Länderspielpause wieder nur elf Profis bei der lockeren, 90-minütigen Einheit mit Ballstafetten und Fußball-Tennis dabei. Gegen Mittag war dann Schluss, für die meisten folgt ein langes Wochenende, erst am Montag um 15.00 Uhr wird wieder trainiert. Van Marwijk nutzt die freien Tage für einen Trip in die niederländische Heimat. Zhi Gin Lam und Michael Mancienne allerdings sollen am Sonnabend im Regionalliga-Punktspiel der U23 gegen den VfB Oldenburg aushelfen.

Seine Situation ist für Rincon ja besonders ärgerlich, weil er sich erst kurz vor der Verletzung wieder ins Team gespielt hatte. Zuvor gab es die Suspendierung nach seiner Kurzreise nach Mallorca im Anschluss an das 1:5 gegen Hoffenheim. Gegen Werder war er dann der beste Hamburger. Jetzt aber spielen Milan Badelj und Tolgay Arslan auf der defensiven Mittelfeldposition – und der HSV hat noch nicht verloren. „Ich will schnell fit werden und im Training Gas geben für einen Platz in der Mannschaft“, kündigt Rincon an.

Ein fester Platz im Kader ist für den Dauerkämpfer ganz besonders wichtig. Sein Vertrag läuft Ende der Saison aus, und Rincon möchte gerne in Hamburg bleiben: „Ich habe in fast fünf Jahren gelernt, den HSV zu lieben.“ Erste Gespräche mit Sportchef Oliver Kreuzer gab es schon, „Interesse von beiden Seiten“, hat Rincon ausgemacht. Aber das allein reicht ja nicht: „Es soll ja alles passen. Und wichtig ist, was der Trainer über mich denkt. Das werden wir in den nächsten Tagen besprechen.“

Dass er möglichst bald Klarheit über seine berufliche Situation haben möchte, ist auch aus einem ganz persönlichen Grund verständlich. In rund einem halben Jahr ist die Familie Rincon zu dritt. Ehefrau Karina ist in der zwölften Woche schwanger. Da passt es grade ganz gut, dass ihr Mann zwangsläufig ein wenig kürzertreten muss. „Sie schwächelt ein bisschen, ich muss mich um sie kümmern“, erzählt Rincon, „wir helfen uns also gegenseitig. Wir sind ein Team.“ So wie sich das anhört geht es ihm wirklich gut – auch mit drei Titanplatten im Kiefer und ohne Steak.