HSV-Trainer Bert van Marwijk setzt auch am Sonntag in Nürnberg auf seinen neuen Torjäger aus Berlin. Lasogga überzeugt weniger durch technische Qualität, sondern vor allem durch seinen Torriecher.

Hamburg . Zwei Meter hohe, weiße Plastikplanen rund um den Übungsplatz an der Imtech-Arena sollten auch beim „Geheimtraining“ am Freitag verhüllen, welche Feinheiten sich HSV-Trainer Bert van Marwijk für das wichtige Spiel am Sonntag beim 1. FC Nürnberg (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) ausgedacht hat. Neu ist das nicht, auch sein Vorgänger Thorsten Fink hatte vor gut einem Jahr schon mal einen Sichtschutz eingeführt, damals allerdings blickdurchlässig und in grüner Farbe. Und auch bei anderen Clubs ist der „Ausschluss der Öffentlichkeit“ gang und gäbe: Dortmunds Trainer Jürgen Klopp beispielsweise lässt in der Regel jeden Freitag „geheim“ üben, Hoffenheim und Braunschweig sogar mehrmals in der Woche.

Doch rund ein Dutzend Fans wollte sich vor dem Duell mit dem punktgleichen Tabellennachbarn nicht ausschließen lassen und lugte einfach von der etwas erhöht liegenden öffentlichen Straße über den Sichtschutz hinweg. „Die Spieler stört das gar nicht, wenn Leute zusehen, aber für den Trainer ist es natürlich gut, wenn er ein paar taktische Dinge einüben kann. In Berlin konnte dann allerdings wirklich niemand etwas sehen“, äußert der auf Leihbasis von Hertha BSC zum HSV gewechselte Stürmer Pierre-Michel Lasogga Verständnis für die Entscheidung, zumal die erste Stunde auf einem einsehbaren Platz trainiert wurde.

Die wenigen Kiebitze sahen dann auch keine spektakulären Dinge. Die Mannschaft, die ein 2:2 in Frankfurt einfuhr, wird wohl erneut beginnen. Erwähnenswert ist allerdings, dass der ausgemusterte Michael Mancienne gegen Nürnberg erstmals wieder im Kader stehen wird. Genau das hatte Sportchef Oliver Kreuzer zu Saisonbeginn kategorisch ausgeschlossen. „Wir machen uns unglaubwürdig, wenn wir die Spieler nach Ablauf der Transferfrist wieder zurückholen würden“, sagte er noch vor drei Wochen. Nun beugt sich Kreuzer offenbar dem Wunsch des Trainers, dessen Vorgesetzter er immerhin ist.

Van Marwijk hielt sich bei der Pressekonferenz bedeckt, was seine favorisierte Startelf angeht. „Ich weiß es noch nicht genau, aber viel wird sich nicht verändern. Die Mannschaft erfährt die Aufstellung von mir auch erst ein paar Stunden vor dem Anpfiff, also werde ich sie nicht vorher öffentlich machen“, erklärte der Trainer, der noch keine Wunderdinge von seinem Team erwartet. „Wir haben auch in dieser Woche wegen des Testspiels in Karlsruhe bisher nur zweimal gut trainieren können. Wie weit die Mannschaft schon ist, wird man sehen. Das Wichtigste ist, dass sie Vertrauen bekommt. Am Ende sollten wir unsere Spielweise immer durchziehen können und uns nur noch sehr bedingt nach dem Gegner richten.“

So weit scheint der aktuelle HSV noch nicht zu sein, auch wenn der Gegner aus Nürnberg bisher auch nur selten überzeugen konnte. Die Nürnberger seien „schwierig, aber nicht Bayern München“, erläuterte van Marwijk. Sein Gegenüber Michael Wiesinger gab das Teillob zurück und bezeichnete den HSV als „eine Mannschaft, die Qualität hat und beachtet werden muss. Deshalb werden wir versuchen, die Gefahr von unserem Tor fernzuhalten und so wenig Standards wie möglich zuzulassen.“

Letzteres wäre hilfreich, denn der HSV ist tatsächlich Ligaspitze, was Tore nach Ecken, Freistößen und Elfmetern angeht. Schon sechsmal fanden Bälle so den Weg ins gegnerische Tor. Zum Vergleich: In der vergangenen Spielzeit trafen die Hamburger insgesamt nur achtmal nach ruhenden Bällen. Lasogga glaubt aber, dass dieser gute Wert eher auf Instinkten beruht. „Wo man als Stürmer nach Standards hinlaufen muss, kann man nicht lernen, da zählt eher der Wille, das Tor zu machen.“ Und natürlich sei ein guter Vorlagengeber wie Hakan Calhanoglu vonnöten, der beide Treffer des Stoßstürmers vorbereitete. „Es ist ja bekannt, dass Hakan eine besondere Schusstechnik hat. Meine Aufgabe ist dann nur noch da zu stehen, wo ich stehen muss.“

Und Lasogga stand bereits zweimal goldrichtig. Der geborene Gladbecker hat beim HSV schnell deutlich gemacht, wo seine Stärken liegen: Er hat Torjäger-Qualitäten, zeigt unermüdlichen Einsatz, geht dahin, wo es wehtut, hat ein gutes Kopfballspiel und ist dank seiner Statur (90 Kilo auf 1,89 Meter) äußerst robust im Zweikampf. Seine beiden Tore gegen Fürth im Pokal (klassischer Abstauber) und gegen Frankfurt (Kopfball nach Ecke) macht so nicht jeder seiner Kollegen.

Auch sein Trainer ist angetan. „Wer Pierre in den Weg kommt, ist ihm egal. Ich mag solche Stürmer“, sagt van Marwijk. Doch die Treffer übertünchen auch unübersehbare Schwächen: Für einen Angreifer ist er nicht sonderlich schnell, im Spiel Eins gegen Eins nicht übermäßig trickreich. Technische Eleganz sieht auch anders aus. „Die Feinabstimmung mit den Kollegen kann noch nicht bei 100 Prozent sein, schließlich bin ich jetzt erst die fünfte Woche hier“, sagt Lasogga, 21, der sich in Hamburg aber schon wohlfühlt.

Sollte Lasogga so weitermachen und auch der im Gegenzug verliehene Per Skjelbred in Berlin durchgängig überzeugen, erscheint es gut möglich, dass beide ihre Arbeitsplätze dauerhaft tauschen. Möglich ist jedoch, dass Hertha an diesem Tausch noch verdienen will: Denn Lasogga hat laut Transfermarkt.de mit vier Millionen Euro einen deutlich höheren Marktwert als der Norweger (2,5 Millionen). „Wenn alles passt, wird man eine Lösung finden“, sagt Kreuzer. Wenn Lasogga weiter so trifft, keine schlechte Idee.