Der Doppeltorschütze stand nach dem 4:0-Erfolg über Eintracht Braunschweig im Rampenlicht. Nach seinem ersten Treffer lief Calhanoglu sofort zu Trainer Fink: „Mit meinem Jubel wollte ich mich bei ihm für sein Vertrauen bedanken.“

Hamburg. Es dauerte bis zum Sonntagvormittag, ehe Thorsten Fink eine ganze Stunde Zeit fand, den 4:0-Sieg gegen Eintracht Braunschweig vom Vortag so richtig zu genießen. Auf dem Flug mit der Maschine LH 2065 von Hamburg nach München nahm sich der HSV-Trainer sämtliche Sonntagszeitungen vor und freute sich über die ausnahmslos positiven Berichte. „So ein richtig gutes Gefühl am Tag nach einem Spiel hatte ich ja schon länger nicht mehr“, sagte Fink, als er schließlich um kurz nach 12 Uhr gelandet war.

Tatsächlich bot die Begegnung gegen Aufsteiger Braunschweig gleich eine ganze Reihe von netten Geschichten und Geschichtchen. Da war zum Beispiel das erfolgreiche Debüt des lange verletzten Abwehrriesen Johan Djourou, der mit einer grundsoliden Leistung dazu beitragen konnte, dass der HSV erstmals in dieser Saison zu Null spielte. „Wir waren ja schon die Schießbude der Liga. Dieser Zu-null-Sieg wird uns gut tun“, sagte Fink, der Djourou einen ordentlichen Auftritt bescheinigte. Und auch der Schweizer selbst war zufrieden: „Am Ende war ich ein bisschen müde. Für die Mannschaft war das ein ganz wichtiger Sieg, es war ein gefährlicher Moment für uns.“

Dass aus dem gefährlichen Moment keine ernsthafte Gefahr wurde, darf Fink besonders Rafael van der Vaart verdanken. Der Niederländer war in der 4-4-2-Raute als Mittelfeldregisseur Dreh- und Angelpunkt des variablen Angriffsspiels. Erstmals seit langer Zeit konnte der 30-Jährige auf dem Platz auch all die unsäglichen Geschehnisse rund um sein zur Show gestelltes Privatleben in den Schatten stellen. Dass der Kapitän seinen Treffer zum frühen 1:0 mit einem angedeuteten Herz in Richtung von Freundin Sabia auf der Tribüne feierte, durfte an diesem Tag ebenso als Randnotiz gewertet werden wie die Meinung von Sky-Experte Jens Lehmann. Der frühere Torhüter zum Wirbel um den öffentlichen Zweikampf zwischen Sabia und Sylvie van der Vaart: „Er sollte der Frau sagen, sie soll ihre Klappe halten oder gehen.“

Calhanoglus Trikot hängt schon an der Wand

Weit mehr als nur eine Randnotiz war die Geschichte um den bemerkenswerten Kurzauftritt Hakan Calhanoglus wert. Fink brachte den Deutsch-Türken, der sich am Sonntag erstmals auf den Weg zur türkischen Nationalmannschaft machte, elf Minuten vor Schluss für van der Vaart und sagte dem 19-Jährigen kurz zuvor einen Treffer voraus. Gesagt, getan. Calhanoglu brauchte nicht mal eine Minute, um die halbe Braunschweiger Hintermannschaft schwindelig zu spielen, zum 3:0 zu treffen und dem Hellseher nach einem beherzten Sprint über den halben Platz in die Arme zu springen.

„Mit meinem Jubel wollte ich mich bei ihm für sein Vertrauen bedanken", sagte Calhanoglu, der das Erfolgstrikot von seiner Mutter waschen ließ, um es am Sonntag in seiner Wohnung an die Wand zu hängen. Und natürlich habe er sich die Szenen des Spiels am Abend unzählige Male im Fernsehen angeschaut, berichtete Calhanoglu, der am Vortag Sekunden vor dem Abpfiff auch für den Schlusspunkt der Happy-End-Geschichte gesorgt hatte.

Mit dem Schlusspfiff hatte der begnadete Techniker einen Freistoß aus 20 Metern ins linke Toreck gezirkelt, nachdem er zunächst Mitspieler Jacques Zoua wort- und gestenreich davon überzeugen musste, dass nur er diesen Freistoß ausführen könnte. „Ich war mir sicher, dass ich treffen würde“, sagte Calhanoglu, der in der vergangenen Saison für den KSC sogar siebenmal per Freistoß erfolgreich war.

Fink der größte Gewinner

Natürlich könnten an dieser Stelle auch Geschichten über den starken Auftritt Maxi Beisters geschrieben werden, über Zoua, dessen Torknoten geplatzt war, oder über Linksverteidiger-Youngster Zhi Gin Lam, der als Ersatz des am Zeh verletzten Marcell Jansen von Spiel zu Spiel besser wird. Doch unter all den kleinen Gewinnern war zweifelsohne einer der größte Gewinner, der in den Wochen zuvor geballte und mitunter auch berechtigte Kritik einstecken musste: Trainer Fink.

„Selbstverständlich tut auch mir dieser Sieg gut“, sagte Fink, der das aus seiner Sicht perfekte Wochenende Sonntagnachmittag mit seiner Familie im gerade fertiggestellten Haus in München ausklingen lassen wollte. Dabei dürfte dem Coach durchaus bewusst gewesen sein, dass ihm im Falle einer erneuten Niederlage zwei ganz schwere Länderspielwochen bevorgestanden hätten. Gar von einem „Schicksalsspiel für Fink“ war im Vorfeld des Heimspiels gegen Braunschweig berichtet worden, obwohl alle Verantwortlichen versuchten, eine aufkommende Trainerdiskussion im Keim zu ersticken.

„Es war ein Spiel unter besonderer Beobachtung“, gab Heiko Westermann nach der Partie ganz offen zu, „natürlich haben wir mitbekommen, wie die Stimmung in der Stadt war.“ Und die Stimmung, da gab es keine zwei Meinungen, war mies. Richtig mies.

Auch intern war das Betriebsklima nach den Niederlagen gegen Hoffenheim (1:5) und Berlin (0:1) sowie dem unentschlossenen Hin und Her bei der Sanktionierung der Mallorca-Urlauber Dennis Aogo und Tomas Rincon angespannt. Sportchef Oliver Kreuzer soll wenig erfreut gewesen sein, dass Fink die zunächst ausgesprochene Suspendierung noch mal überdenken wollte. Und auch die Einwechslungen bei der Hoffenheim-Klatsche sollen ihm nicht gefallen haben.

„Vielleicht hat der Trainer heute mal richtig aufgestellt und eingewechselt“, freute sich Fink nach dem 4:0-Sieg, der für ihn mehr als „nur“ ein gewöhnlicher Heimsieg war, um so mehr. Ob der Erfolg gegen die bundesligauntauglichen Braunschweiger aber tatsächlich ein Wendepunkt war, werden wohl erst die kommenden Spiele gegen Dortmund und Bremen zeigen. Als Wendepunkt der vergangenen Saison galt übrigens auch der vierte Spieltag, aber das ist eine andere Geschichte.

Statistik

Hamburg: Adler - Diekmeier, Djourou (72. Sobiech), Westermann, Lam - Badelj (30. Rincon) - Arslan, Jiracek - van der Vaart (79. Calhanoglu) - Zoua, Beister. - Trainer: Fink

Braunschweig: Davari - Kessel, Bicakcic, Dogan, Reichel - Theuerkauf (64. Boland) - Bellarabi, Hochscheidt (64. Oehrl) - Damir Vrancic - Kumbela, Jackson. - Trainer: Lieberknecht

Schiedsrichter: Knut Kircher (Rottenburg)

Tore: 1:0 van der Vaart (7.), 2:0 Zoua (17.), 3:0 Calhanoglu (80.), 4:0 Calhanoglu (90.+1)

Zuschauer: 54.958

Gelbe Karten: Zoua (2) - Bicakcic, Theuerkauf (4), Bellarabi, Jackson