Ein Kommentar von Björn Jensen

Das Fußballspiel zwischen dem HSV und Eintracht Braunschweig war längst entschieden und plätscherte dahin, als auf den Rängen Bedenkliches geschah. Im Gästeblock waren zwei Leuchtfackeln, Bengalos, gezündet worden, die im erloschenen Zustand auf das Spielfeld geworfen wurden. Im Zuge der entstehenden Unruhen marschierte behelmte Polizei auf, was die Ultrafans des HSV, die kurz zuvor noch den Gegner geschmäht hatten, zur Solidarität mit den Braunschweigern gegen die Staatsmacht veranlasste. „Bullenschweine“, so tönte es aus Tausenden Kehlen.

Wer am Sonnabendabend den zigtausendfachen Protest der Schalker Fans gegen den überzogenen Polizeieinsatz im Ultra-Block während des Champions-League-Qualifikationsspiels gegen Saloniki vor zehn Tagen sah; wer weiß, dass beim FC St.Pauli dessen Ultras einen Fan aus der Kurve vertrieben, nur weil der Polizist ist; wer las, dass die HSV-Supporters Rainer Wendt, den als populistischen Hardliner bekannten Chef der Deutschen Polizeigewerkschaft, zur unerwünschten Person erklärt haben, der spürt: Es braut sich Unheilvolles zusammen über den deutschen Stadien. Zwischen dem harten Kern der Fans und der Polizei haben sich Fronten aufgebaut, die eingedämmt schienen. Eine Eskalation der Gewalt scheint nur eine Frage der Zeit zu sein.

Entzündet hat sich der Konflikt maßgeblich am Umgang mit der von den Ultras geliebten, in Stadien jedoch verbotenen Pyrotechnik. Die Fans fühlten sich von Vereinen, Verband und Staat nicht ernst genommen, gegängelt und drangsaliert. Aus dem Gefühl, nicht verstanden zu werden, entstand neue Antipathie. Die Polizei, zu oft Zielscheibe blinden Hasses und unbegründeter Gewalt, reagiert ihrerseits zu oft mit überzogener Härte. Wer, wie auf Schalke geschehen, Tränengas in einen voll besetzten Block schießt, konterkariert den eigenen Auftrag, für Sicherheit zu sorgen.

Polizei und Vereine müssten viel öfter begründen, warum sie bestimmte Maßnahmen ergreifen, anstatt sie von oben herab durchzusetzen. Ultras müssten endlich respektieren, dass Polizisten nicht per se Zielscheibe von Gewalt sein dürfen. Helfen könnte ein aus den Reihen der Fans bestimmter Verbindungsmann, der vor polizeilichen Maßnahmen gehört werden muss. Klar ist: Wenn sich die Streitparteien nicht schleunigst an einen Tisch setzen, wird die Fußballkultur, um die Deutschland viele beneiden, schweren Schaden nehmen.