Der degradierte HSV-Profi geht verbal auf Trainer Fink und Sportchef Kreuzer los und erwägt sogar sein Karriereende

Hamburg. Es war bereits kurz nach zehn Uhr, als Paul Scharner am Dienstagmorgen gemütlich zum Trainingsplatz neben der Arena schlenderte. Die Fußballschuhe in der einen Hand, einen Stift zum Autogrammeschreiben in der anderen. Und auch die bereits anwesenden Medienvertreter wurden wie immer freundlich begrüßt. „Guten Morgen, die Herren“, sagte der HSV-Profi, der trotz fortgeschrittener Zeit überhaupt keine Eile hatte, seine Runden neben den bereits trainierenden Kollegen zu drehen. „Heute und morgen werden sehr intensive Tage für mich“, sagte der Österreicher, der trotz gespielter guter Laune aus seinem Frust über sein „Gespräch unter Männern“ am Vorabend mit Sportchef Oliver Kreuzer keinen Hehl machen wollte.

„Ich werde erpresst“, sagte Scharner, weiterhin freundlich lächelnd, „offenbar zählen die Gespräche aus der Vergangenheit nicht mehr.“ So habe Kreuzer ihm am Montag offenbart, dass er von der kommenden Woche an wie bereits Gojko Kacar und Robert Tesche nur bei der U23 mittrainieren dürfe. Ein Vorgang, den der 33-Jährige bei aller Lockerheit so nicht akzeptieren wollte: „Vor unserem Test in Innsbruck wurde mir gesagt, dass ich nicht abgeschoben werde. Und jetzt soll ich zur U23.“ Erst mal in Fahrt, drückte Scharner verbal aufs Gaspedal: „Mit meiner Wade gibt es keine Probleme mehr, aber offenbar gibt es in Deutschland ein Problem mit mir. Die Leistung, die ich in England gebracht habe, zählt hier wohl nicht mehr.“ Was denn nun seine Pläne seien? „Es gibt verschiedene Optionen: ich kann wechseln, für die U 23 spielen, aufhören, und ich kann auch Krieg führen.“ Doch vor einer möglichen Schlacht stand zunächst Training an.

Es dürfte wohl eine seiner letzten Einheiten im Kreise der Profikollegen gewesen sein. Trainer Thorsten Fink, der sich intern klar gegen Scharner ausgesprochen hatte, wollte die verbalen Angriffe des Verteidigers nicht kommentieren, dürfte sich in seiner Entscheidung allerdings bestätigt gefühlt haben. „Das ist Pauls Sache, ob er seine Karriere beendet oder nicht“, sagte Fink lediglich, „er ist nicht mehr unter den ersten vier Innenverteidigern, alles andere muss Oliver Kreuzer klären.“

Und obwohl Sportchef Kreuzer bereits vor dem Trainingsauftakt Kacar, Tesche und den mittlerweile nach Griechenland gewechselten Marcus Berg aussortiert und zur U23 geschickt hatte, dürfte der Manager im Fall des unbequemen Österreichers eine andere Lösung präferieren. So hat Scharners Berater Valentin Hobel, der am Dienstag nach Hamburg reiste, Kreuzer informiert, dass er Gespräche mit Englands Premier-League-Aufsteiger Hull City aufgenommen habe. Am frühen Abend soll es sogar ein Treffen zwischen Hobel und Hull-Trainer Steve Bruce gegeben haben. Und obwohl Bruce einen Zweijahresvertrag bietet und der HSV Scharner ablösefrei wechseln lassen würde, ist ein Transfer völlig offen.

„Seit zwei Tagen denke ich sehr intensiv über die ganze Situation nach“, sagt Scharner, der aus familiären Gründen eigentlich nicht erneut nach England wechseln will. Zwei seiner drei Kinder hätten gerade erst das neue Schuljahr begonnen, deswegen sei ein Transfer zum jetzigen Zeitpunkt schwierig. „Vor sechs Jahren war meine oberste Priorität die Karriere, jetzt ist mir meine Familie am wichtigsten“, sagt der Innenverteidiger, der – solange der Preis stimmt – sogar ein vorzeitiges Karriereende erwägt. „Das ist durchaus möglich. Ein Wechsel darf jedenfalls nicht schon wieder auf Kosten der Familie gehen“, sagt Scharner. Frei übersetzt bedeutet das: Entscheidet sich Scharner gegen einen Wechsel, müsste der HSV wohl eine entsprechende Abfindung zahlen, um den vermeintlichen Problemprofi loszuwerden.

Es wäre nicht das erste Mal in diesem Jahr, dass dem HSV statt einer Ablöse eine Abfindung droht. Auch Millionen-Flop Berg bekam als Entscheidungshilfe einen sechsstelligen Betrag, um sich mit einem Wechsel nach Athen zu arrangieren. Und auch Kacar wurde im Januar eine halbe Million Euro geboten, damit der Serbe seinen kostspieligen Vertrag nicht aussitzt und stattdessen nach Hannover wechselt. Geklappt hat der Deal damals allerdings nicht, weswegen Kacar aktuell der wohl bestbezahlte Regionalligaspieler Deutschlands ist – der sich möglicherweise schon bald auf einen prominenten Mannschaftskollegen freuen darf.

Nach einer Stunde war Scharner vorerst genug gelaufen. „Mir ist noch was eingefallen“, sagte er, weiterhin lächelnd, „ihr könnt auch schreiben: Vielleicht hat der Trainer Angst vor mir.“