Trainer Thorsten Fink und sein Team dürfen sich nach dem 4:1 in Hoffenheim auf ein nicht mehr erwartetes Endspiel um Europa gegen Leverkusen freuen. Frankfurt muss patzen.

Sinsheim/Hamburg. Eine kleine Belohnung wartete auf die HSV-Profis bereits auf dem Rückflug am späten Sonnabend aus Frankfurt. Kurz bevor die Maschine LH008 gegen 21 Uhr in Fuhlsbüttel landete, gewährte der Flugkapitän den siegreichen Hamburgern nach dem deutlichen 4:1-Sieg gegen Hoffenheim noch einen ganz besonderen Blick auf ihre Wahlheimat. Mit einer Ehrenrunde in luftiger Höhe über den Hafengeburtstag konnten die Fußballer eine eindrucksvolle Aussicht über das Tor zur Welt genießen. Ob sich aber in der Hansestadt auch das Tor zu Europa öffnet, wird dagegen erst in der kommenden Woche entschieden.

"Wir haben immer dieses Endspiel am letzten Spieltag gewollt, jetzt müssen wir unsere Hausaufgaben machen", sagte Heiko Westermann am Morgen nach dem höchsten Saisonsieg. Die Ausgangslage vor dem letzten Heimspiel ist nun denkbar simpel: Nur bei einem Sieg gegen Leverkusen und einer gleichzeitigen Niederlage von Eintracht Frankfurt gegen den VfL Wolfsburg wäre der nicht mehr für möglich gehaltene Einzug in die Europa League geschafft. "Wir sind jetzt der Jäger, vielleicht ist das ja ein psychologischer Vorteil", sagte Thorsten Fink, der vor dem Finale furioso keinen zusätzlichen Druck aufbauen wollte: "Wir haben viel zu gewinnen, aber nichts zu verlieren."

Nun darf man selbstverständlich darüber streiten, ob der HSV nach dem finanziellen Kraftakt, den der Verein im vergangenen Sommer eingegangen ist, tatsächlich am kommenden Wochenende nichts mehr zu verlieren hat. Keine Zweifel aber gibt es daran, dass Finks Mannschaft erstmals überhaupt in Hoffenheim ziemlich viel gewonnen hat. "Unser Plan ist voll aufgegangen", eigenlobte der Trainer, der sich erst am Morgen vor dem Spiel für eine überraschende Startformation entschieden hatte. Statt Artjoms Rudnevs spielte Heung-Min Son als einzige Sturmspitze, Dennis Aogo durfte von Anfang an im Mittelfeld ran. Bedenkt man nun, dass Son das 1:0 per Kopf erzielte (18.) und den zweiten Treffer - ausgerechnet durch Aogo - vorbereitete (35.), dann darf man bilanzieren: Plan aufgegangen. "Hamburg war brutal offensiv", erkannte Hoffenheims Trainer Markus Gisdol an, der froh sein konnte, dass der HSV lediglich durch Petr Jiracek (60.) und den eingewechselten Rudnevs (88.) erhöht hatte. Kevin Vollands Ehrentreffer (61.) konnte den Tabellenvorletzten, der sich nach seinem fünfjährigen Gastspiel in der Bundesliga mit dem Gedanken an den Abstieg langsam anfreunden muss, nur bedingt versöhnen.

Interesse an Heintz und Derdiyok

Zu ausgelassen wollten allerdings auch die Hamburger ihren Teilerfolg nicht feiern, nachdem sie in der Kabine erfahren mussten, dass Europa-Konkurrent Freiburg noch das Spiel gegen Greuther Fürth gedreht hatte, zudem Fürth in der Nachspielzeit noch einen Elfmeter vergeben hatte. Die Freude über das unerwartete Europa-Endspiel wollte sich Vereinschef Carl Jarchow aber dennoch nicht nehmen lassen. "Nach den ersten drei Spielen hatten wir null Punkte, da dachten schon alle, dass wir absteigen müssen. Jetzt sind wir Siebter", sagte der Vorstandsvorsitzende, der die wechselhafte Spielzeit bereits unabhängig von den Ergebnissen am kommenden Wochenende als "sehr ordentliche Saison" einordnete. Den schwindelerregend hohen Preis, den die Hamburger mit dem höchsten Millionenminus ihrer Vereinsgeschichte zahlen mussten, dürfte Jarchow bei seiner vorzeitigen Saisonbilanz ausgeklammert haben. Kurios: Sollte Wolfsburg tatsächlich gegen Frankfurt Schützenhilfe leisten und die Hamburger so in die Europa League einziehen, müsste der HSV dem VfL eine Million Euro zahlen. Grund ist die Vereinbarung der Vereine beim Wechsel Jiraceks, dass der HSV beim Erreichen des internationalen Wettbewerbs statt vier sogar fünf Millionen Euro Ablöse zahlt.

Deswegen wurde Sportchef Frank Arnesen unabhängig vom immer noch möglichen Erreichen der Europa League längst angemahnt, kreative Wege und Möglichkeiten zu finden, die Mannschaft günstig zu verstärken. Anders als früher sollen aus Kostengründen auch Spieler aus den unteren Ligen kein Tabu mehr sein. Bereits klar sind die Zugänge von Karlsruhes Hakan Calhanoglu und Karem Demirbay (beide aus der Dritten Liga), angefragt wurden zudem Kaiserslauterns 19 Jahre altes Abwehrtalent Dominique Heintz und Hoffenheims Eren Derdiyok. Interessant: Der 1,90 Meter große Innenverteidiger Heintz wird von Ex-HSV-Chef Bernd Hoffmann beraten.

Konkreter soll allerdings das Interesse an Stürmer Derdiyok sein. Der 24 Jahre alte Schweizer, der bis 2016 im Kraichgau unter Vertrag steht, hat ein echtes Seuchenjahr hinter sich, traf nur einmal und fehlte zuletzt wegen einer Leisten-OP. Trotzdem soll sich Arnesen nach einem Ausleihgeschäft im Falle des Abstiegs erkundigt haben. Ein Kauf des früheren Leverkuseners, der im Sommer für 5,5 Millionen Euro nach Sinsheim gekommen war, ist ausgeschlossen. Derdiyok-Berater Volker Struth wollte sich auf Abendblatt-Nachfrage nicht äußern.

Spätestens nach dem Saisonfinale will sich dagegen Hoffenheim-Matchwinner Son zu seiner ungewissen Zukunft äußern. Tendenz: Der Stürmer dürfte das Tor zur Welt vor der kommenden Saison endgültig durchschreiten - das Tor nach Europa will er zuvor aber noch für den HSV öffnen.

Statistik

Hoffenheim: 30 Casteels - 2 Beck, 12 Abraham, 45 Süle (ab 82. Ludwig), 4 Thesker - 17 Weis (ab 46. Johnson), 6 Rudy (ab 82. de Camargo) - 31 Volland, 22 Firmino, 23 Salihovic, - 9 Schipplock. - Trainer: Gisdol

Hamburg: 15 Adler - 2 Diekmeier, 4 Westermann, 24 Rajkovic, 7 Jansen - 8 Rincon, 14 Badelj - 19 Jiracek (ab 90. Beister), 23 van der Vaart, 6 Aogo (ab 65. Skjelbred) - 40 Son (ab 77. Rudnevs). - Trainer: Fink

Schiedsrichter: Christian Dingert (Lebecksmühle)

Zuschauer: 30.150 (ausverkauft)

Tore: 0:1 Son (18.), 0:2 Aogo (35.), 0:3 Jiracek (60.), 1:3 Volland (61.), 1:4 Rudnevs (88.)