Nie werden wohl so wenige Punkte für den sechsten Platz gereicht haben wie in diesem Jahr. Thomas Helmer glaubt an ein gutes Ende für den HSV.

Hamburg. Eigentlich dürfte das Thema "Europäischer Wettbewerb" beim HSV schon lange keine Rolle mehr spielen, angesichts der teils doch sehr dürftigen Darbietungen auf dem Rasen. Zumal seit Mittwochabend klar ist, dass der siebte Platz für den Einzug ins internationale Geschäft nicht mehr reichen wird, nachdem Freiburg beim VfB Stuttgart im DFB-Pokalhalbfinale verloren hatte. Auch beim HSV will niemand über etwas anderes sprechen als das kommende Spiel gegen Fortuna Düsseldorf am Sonnabend (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de). "Ich rechne keine Tabellenstände mehr hoch, das hat uns in der Vergangenheit nicht weitergebracht", sagte Trainer Thorsten Fink auf der Pressekonferenz am Donnerstag.

Doch ein Blick auf die Tabelle reicht aus, um zu begreifen, was für eine Chance der HSV in diesem Jahr hat, trotz seiner erst 41 Punkte nach 29 Spieltagen doch noch unter die besten sechs Teams zu rutschen. Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel in der Saison 1995/96 benötigten die Teams im Schnitt 52 Zähler für den sechsten Platz - in diesem Jahr würden vermutlich drei oder vier Punkte weniger genügen, da sich viele der Kandidaten noch im direkten Duell gegenüberstehen (siehe Grafik). Drei Siege aus den verbleibenden fünf Spielen sollten den Hamburgern reichen, um "das Unmögliche doch noch möglich zu machen", wie sich Fink ausdrückte.

Beim Blick auf die letzten fünf Begegnungen des HSV muss auch niemandem im Verein angst und bange werden. Drei Heimspiele stehen noch aus, und mit Schalke und Leverkusen warten nur noch zwei Teams aus oberen Gefilden auf den Bundesliga-Dino. Doch wenn diese Spielzeit eines gelehrt hat, dann die Gewissheit, dass es für den HSV keine leichten oder schweren Gegner gibt. "Beim Blick auf unser Restprogramm muss ich sagen, dass wir theoretisch alle Spiele gewinnen können, aber auch alle verlieren", sagte Mittelfeldspieler Tolgay Arslan. "Es ist bei uns wohl mehr eine Sache des Selbstvertrauens als des Gegners."

In diese Kerbe schlägt auch Thomas Helmer. Der Ex-Profi, der in Hamburg lebt und als Experte fürs Fernsehen die Bundesliga intensiv verfolgt, traut dem HSV durchaus zu, nächstes Jahr europäisch zu spielen, obwohl die letzten Partien eher nicht dafür sprechen würden. "Ich war beim 0:1 gegen Freiburg im Stadion, und das war beileibe keine Übermannschaft. Ich habe vor vollem Haus ein wenig die Einstellung vermisst, dieses Spiel unbedingt gewinnen zu wollen. Beim HSV scheint das Problem eine Kopfsache zu sein."

Doch das Niveau der fünf anderen Teams, die um das internationale Geschäft kämpfen, sei nun mal nicht besser - und deshalb landen die Hamburger am Ende auf Platz sechs. Helmer tippte für das Abendblatt alle ausstehenden Partien der sechs Clubs durch, die sich noch Hoffnungen machen dürfen. Seiner Expertise nach siegt der HSV 3:1 gegen Düsseldorf, verliert 0:2 auf Schalke, gewinnt mit 1:0 gegen Wolfsburg und auch mit 2:1 in Hoffenheim. Am letzten Spieltag würde ein 2:2 gegen Leverkusen reichen, um die Saison mit 51 Punkten erfolgreich abzuschließen. Schalke dürfte demnach von der Champions League träumen, Freiburg landete auf dem fünften Rang.

"Schalke kommt am Ende sicherlich auf Platz vier oder sogar drei, Freiburg profitiert von seinem derzeitigen Vorsprung und dem vermeintlich leichten Restprogramm, da für deren Gegner Stuttgart und Greuther Fürth die Saison schon gelaufen ist. Doch dann kommt der HSV, der sich am Ende vielleicht bei René Adler bedanken wird, dass es doch noch gereicht hat." Denn für Helmer ist der "Königstransfer" die Personalie, die bei den Hanseaten den Unterschied ausmacht. "Vom Kader her hat der HSV eigentlich alle Voraussetzungen, um Platz sechs zu erreichen. Doch aus unerklärlichen Gründen ruft nur der Torwart sein Potenzial regelmäßig ab."

Allerdings demonstrieren auch Hamburgs schärfste Konkurrenten, die momentan sechstplatzierten Frankfurter und die mit dem HSV punktgleichen Gladbacher auf Rang sieben, ihre Klasse nur sehr unregelmäßig. In der Rückrundentabelle stehen beide Clubs noch hinter dem mäßig erfolgreichen HSV, was deren derzeit schwache Form unterstreicht. Zudem muss sich Gladbach neben der direkten Konkurrenz aus Gelsenkirchen und Mainz noch mit den Bayern auseinandersetzen. Frankfurt hat hingegen mit Düsseldorf, Bremen und Wolfsburg noch drei Gegner vor der Brust, die in dieser Spielzeit der Kategorie "schlagbar" angehören. "Doch die Eintracht ist nicht mehr die unbekümmerte Truppe aus der Hinrunde", sagt Helmer.

Ein Handicap hat der HSV allerdings zu tragen, das er in den restlichen Spielen kaum mehr ablegen kann: sein Torverhältnis. Selbst mit den drei von Helmer prognostizierten Siegen käme der Nordclub nur auf 42:51 Treffer - und mit einem negativen Torverhältnis hat seit der Saison 1999/00 niemand mehr Rang sechs erreicht. Doch damals reichten dem 1. FC Kaiserslautern sogar nur 50 Punkte und eine Tordifferenz von minus fünf zu Platz fünf. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.