Der HSV-Profi wurde hart kritisiert und für fünf Spiele gesperrt. Sein Entdecker ist sich aber sicher, dass das HSV-Eigengewächs sein Tief überwindet.

Hamburg. Die neue Woche fing für Maximilian Beister ähnlich an, wie die alte Woche zu Ende gegangen ist: ziemlich ärgerlich. Wegen des überraschenden Schneefalls in der Nacht dauerte zunächst sein Weg zum Flughafen Fuhlsbüttel länger als sonst, dann startete die Maschine LH2063 auch noch mit knapp einer Stunde Verspätung in Richtung München. Dort traf sich die U21-Nationalmannschaft am Mittag, um gemeinsam am Dienstag weiter zum Testländerspiel nach Israel zu fliegen. Eine Reise, für die sich Beister zweierlei vorgenommen hat: die Ärgernisse aus der vergangenen Woche zu vergessen - und vor allem endlich mal wieder so richtig unbeschwert Fußball zu spielen.

Beides dürfte dem 22 Jahre alten Offensivtalent nach den Geschehnissen der vergangenen Tage schwerfallen. Wohl selten zuvor war ein HSV-Profi öffentlich derart hart kritisiert worden wie Beister. Nach einer schwachen Trainingswoche, einem lustlosen Auftritt in einem Test gegen Valerenga Oslo und schließlich dem Platzverweis nach einem Tritt am Sonnabend gegen Augsburgs Daniel Baier war Trainer Thorsten Fink der Kragen geplatzt.

Der Youngster habe mal einen Denkzettel nötig, zürnte der Coach, eigentlich habe er ihn gar nicht spielen lassen wollen, und überhaupt habe sich Beister erst mal selbst ins Abseits manövriert. Nachdem sich Sportchef Frank Arnesen bereits unmittelbar nach der 0:1-Niederlage gegen Augsburg den Angreifer vorgeknöpft hatte, ließ auch Fink im Vieraugengespräch am Sonntag seinem Ärger freien Lauf.

Und Beister? Schwieg, haderte, flüchtete. "Ich will dem Jungen vor allem helfen, aber er muss die Hilfe auch annehmen und zurückzahlen", sagte Fink am Montag, als der Ärger nach zwei Nächten noch immer nicht so ganz verzogen war, "Maxi muss verstehen, dass es so wie in der vergangenen Woche nicht geht." Ähnliche Worte hatte der 45-Jährige seinem Talent auf Abwegen bereits am Vortag mit auf den Weg gegeben. Fink, das betont er immer wieder, ist von Beisters Fähigkeiten begeistert, fordert gleichzeitig aber professionelles Verhalten ein: "Wir wollen ihn auf keinen Fall fallen lassen, weil wir große Stücke auf ihn halten."

Ganz ähnlich denkt auch einer, der Beister wohl so gut kennt wie keiner Zweiter. Steffen Brauer hatte Beister vor neun Jahren beim VfL Lüneburg entdeckt und den damals 13-Jährigen wenig später zum HSV gelotst. Bei der U15 war Brauer, der heute für den VfL Wolfsburg arbeitet, Beisters erster Jugendtrainer beim HSV: "Natürlich war Maxi talentiert, aber beim HSV musste er sich alles mühsam erarbeiten." Selten habe er einen derart ehrgeizigen Jugendspieler kennengelernt. Brauer erinnert sich, wie Beister täglich mit dem Regionalzug aus Lüneburg nach Harburg kam, dort vom Fahrdienst eingesammelt wurde und durch die ganze Stadt nach Ochsenzoll zum Training fuhr. "In dieser Zeit ist er für seinen Traum beim HSV allein mit dem Regionalexpress sicher mehrmals um die ganze Welt gereist", sagt Brauer, der auch heute noch guten Kontakt mit seinem einstigen Zögling pflegt. "Maxi ist ehrgeizig und nie zufrieden. Er denkt sehr viel nach, grübelt dann auch viel über sich selbst."

Dabei war Beisters bisheriger Karriereweg keinesfalls eine Einbahnstraße zum Glück. "Man kann Maxi als Spätstarter bezeichnen", sagt Brauer. So sei Beisters Stern erst unter Nachwuchstrainer Rodolfo Cardoso beim HSV so richtig aufgegangen. Dem Argentinier habe er viel zu verdanken, auch, dass er nach einer schweren Bandscheibenverletzung in der A-Jugend nach einem Jahr Pause die Rückkehr zum bezahlten Fußball noch mal geschafft hat. "Maxi war immer ein Kämpfer, für den Aufgeben nicht infrage kam", erinnert sich Brauer.

Für den Nachwuchstrainer war es auch wenig überraschend, dass Beister vor zwei Jahren den Umweg über Fortuna Düsseldorf wählte, um den Traum von einer Profikarriere zu verwirklichen. Doch auch im Rheinland war aller Anfang schwer. "Er wurde zunächst nicht mit offenen Armen empfangen", sagt Berater Carsten Kühn: Beister musste in seiner ersten Zweitligasaison hart um seinen Platz kämpfen. Erst im zweiten Jahr lief es besser. 33 Einsätze, elf Tore, 13 Vorlagen, Aufstiegsheld. Sogar Meister Dortmund zeigte Interesse, aber Beister wollte zurück nach Hamburg. "Er hat sich bewusst für einen Vierjahresvertrag beim HSV entschieden, weil er seinen Traum verwirklichen wollte", sagt Kühn.

Doch aus dem Traum wurde zunächst ein Albtraum. Erst am neunten Spieltag - ausgerechnet gegen Augsburg - durfte der Publikumsliebling erstmals von Anfang an spielen. Überall in der Stadt warb der HSV mit dem Konterfei des Eigengewächses an Bushaltestellen, doch auf der Anzeigetafel im Stadion fehlte sein Name regelmäßig. "Maxi ist ein geduldiger Mensch, aber er ist nicht als Einwechselkönig nach Hamburg gekommen", sagt Kühn, der bereits vor dem Platzverweis, den er als "blödes Frustfoul" bezeichnete, ein klärendes Gespräch mit Arnesen kurz nach Ostern terminiert hat: "Es ist doch klar, dass Maxi völlig frustriert ist. Wir müssen jetzt gemeinsam überlegen, was das Beste für seine Zukunft ist."

Doch was ist das Beste für ihn, für die Mannschaft, für den Verein? "Maxi muss aus der Situation lernen und verstehen, dass Profifußball kein Wunschkonzert ist, sondern ein Mannschaftssport", sagt Fink, der vor allem deswegen so enttäuscht von Beisters aktuellem Auftreten ist, weil er den U21-Nationalspieler bei einem möglichen Abgang Heung Min Sons im Sommer als ernsthaften Nachfolgekandidaten eingeschätzt hatte. "Natürlich ist Maxi vom bisherigen Saisonverlauf extrem enttäuscht, deswegen erwarte ich auch von Herrn Arnesen, dass wir offen und ehrlich über seine Perspektiven sprechen", sagt Berater Kühn, "Maxi musste sich schon häufig durchbeißen. Das wird er auch diesmal schaffen."

Diesmal dürfte es nur etwas länger dauern. Am Montag entschied der DFB, Beister für fünf Spiele wegen Tätlichkeit und Schiedsrichterbeleidigung zu sperren. Der HSV und Beister selbst haben umgehend zugestimmt. "Die Strafe ist für mich zu hoch. Trotzdem möchte ich, dass er die Sperre nutzt, um Gas zu geben und mich neu zu überzeugen", sagt Fink, der Beister nur wenige Hoffnungen auf einen Platz in der Startelf für den Rest dieser Saison machen kann. Der Youngster soll zunächst mal trainieren, arbeiten, sich anbieten. "Maxi muss verstehen, dass so eine Phase zum Erwachsenwerden dazugehört", sagt Beister-Entdecker Brauer, "er wird seinen Weg weitergehen."

Dieser Weg hat gerade begonnen.