Der Linksfuß läuft auf ungewohnter Position zur Hochform auf. Doch reden will Dennis Aogo über seinen Aufschwung lieber nicht.

Hamburg. Lange Hosen sind nichts für Dennis Aogo. Auch bei Schneefall und eisigem Wind trainiert der HSV-Profi im Gegensatz zu fast allen Mannschaftskameraden lieber mit nacktem Bein. Doch Angst, dass er sich erkälten könnte, hat derzeit niemand. Denn Aogo ist auch in den Übungseinheiten in seinem Bewegungsdrang kaum zu bremsen - hier holt er sich die Energie für seine kraftraubenden Sprints auf der linken Seite, die ihn in der Rückrunde bisher so aufblühen ließen. Gegen Nürnberg, Bremen und Dortmund war der 26-Jährige laufstärkster Spieler des HSV, regelmäßig absolvierte er um die zwölf Kilometer pro Partie. Und, noch viel wichtiger: Auch das Spielgerät gehorcht ihm plötzlich besser als je zuvor. "Ich bin kein Freund von Superlativen", wiegelt Aogo ab, der seine gute Form zwar eingesteht, sonst aber lieber Taten statt Worte sprechen lassen will. "Ich muss mein Gesicht jetzt nicht täglich in den Zeitungen sehen, nur weil ich gerade gut gegen den Ball trete."

Doch die aktuelle Situation Aogos verdient es zweifelsfrei, einmal ausführlich betrachtet zu werden. Schließlich wurde der gebürtige Karlsruher beim HSV über Jahre hinweg fast ausschließlich als Linksverteidiger eingesetzt, in seinen ersten Profijahren auch als defensiver Mittelfeldspieler. Doch die Position im linken Mittelfeld, auf der er sich nun in den Blickpunkt gespielt hat, ist für ihn gänzlich neu.

Nachdem Aogo in der Hinrunde aufgrund eines rätselhaften Erschöpfungssyndroms lange ausgefallen war und Marcell Jansen sich auf seiner angestammten Position festgespielt hatte, tauchten erste Überlegungen auf, wie der offensichtlich wieder zu Kräften gekommene Linksfuß in die Mannschaft integriert werden könnte. Vor Jansen im Mittelfeld? Nein, das könne er sich nicht vorstellen, sagte Trainer Thorsten Fink damals. Doch vor dem Spiel gegen Schalke änderte der Coach seine Meinung und probierte diese Variante aus. "Ich war schon überrascht", gibt Aogo heute zu. Der HSV gewann die Partie 3:1, der einstige Nationalspieler überzeugte und hatte sich fortan im Mittelfeld festgespielt. Die Zahlen belegen seinen Aufwärtstrend: Aogo erzielte gegen Werder Bremen sein erstes Bundesligator und bereitete bereits vier weitere vor - alle aus der eigentlich ungewohnten Position heraus.

Einen seiner größten Förderer überrascht das wenig. Volker Finke holte Aogo im Jahr 2004 als 17-Jährigen in die Profimannschaft des SC Freiburg und ließ ihn ausgerechnet beim 0:4 gegen den HSV debütieren. "Bei mir hat er ausschließlich im defensiven Mittelfeld gespielt, da er seine Stärken einfach besser ausspielen kann, wenn er jemanden hinter sich hat. Für einen Linksverteidiger fehlt ihm vielleicht die überragende Schnelligkeit auf den ersten Metern." Finke ist dennoch überzeugt, dass sein einstiger Schützling auch zukünftig für Furore sorgen wird. "Gerade sein Passspiel ist sehr gut. Und darauf wird ja auch in der Nationalmannschaft viel Wert gelegt."

Den Sprung zum Nationalspieler hatte Aogo bereits im Mai 2010 vollzogen. Doch sein bislang letztes A-Länderspiel liegt mittlerweile ein Jahr zurück. Natürlich würde sich der zehnmalige Internationale freuen, wenn er künftig wieder dem Kreis der deutschen Fußball-Elite beiwohnen dürfte. Doch trotz der zuletzt bemerkenswerten Leistung auf neuer Position kann ihm genau diese zum Verhängnis werden: Denn Bundestrainer Joachim Löw ist im Mittelfeld mit herausragenden Fußballern gesegnet und sucht vielmehr bei den Außenverteidigern nach Alternativen. So könnte ausgerechnet Aogos Mannschaftskollege Jansen den Vorzug bei einer Nominierung bekommen, der sich in den letzten Wochen ebenfalls in den Vordergrund gespielt hat. Aogo selbst will das Thema lieber ganz außen vor lassen, sieht die Rückkehr in die DFB-Elf nicht als vorrangig an. "Mich interessiert derzeit nur, dass ich Spaß am Fußball habe. Alles andere ergibt sich - oder eben nicht."

Sollte Aogo im Spiel am Sonnabend gegen den VfL Borussia Mönchengladbach (15.30 Uhr/ Sky und Liveticker auf abendblatt.de) weitermachen wie zuletzt, wird sich Löw automatisch wieder mit ihm beschäftigen. Doch in Euphorie will der nach viereinhalb Jahren Vereinszugehörigkeit dienstälteste Hamburger trotz des überragenden Sieges in Dortmund nicht verfallen. Ob jetzt wieder ein Auftritt des HSV wie bei der 0:2-Niederlage gegen Eintracht Frankfurt möglich sei? "Durchaus", sagte Aogo dem HSV-Blog "Matz ab", "da wir die Konstanz bisher noch haben vermissen lassen. Dennoch glaube ich, dass in diesem Jahr etwas in der Mannschaft passiert ist, jetzt passt das Gefüge. Es ist noch viel Potenzial da."

Zumindest Aogo nutzt sein Potenzial derzeit aus und avanciert mehr und mehr zur tragenden Säule in dieser HSV-Mannschaft. Da nimmt es ihm auch keiner krumm, dass er derzeit nur ungern darüber redet.