Interview mit Paul Scharner und seinem Karrierecoach Valentin Hobel: Warum 2012 das Mentaltraining für den Verteidiger so wichtig war.

Hamburg. In ihrer österreichischen Heimat gelten HSV-Neuzugang Paul Scharner und sein Berater Valentin Hobel als "bunte Hunde". In ihrem ersten Doppelinterview mit einer deutschen Zeitung erklären die beiden "Querdenker" im Abendblatt, wie man durch Atemtechniken verletzungsfrei bleibt, was sie sich für das Jahr 2013 vorgenommen haben und wie man einen Sieg gegen Arsenal am Flipchart planen kann.

Hamburger Abendblatt: Herr Hobel, als was dürfen wir Sie bezeichnen: als Paul Scharners Mentaltrainer, Karrierecoach, Persönlichkeitstrainer, Selbstbewusstseinstrainer oder schlicht Berater?

Valentin Hobel: Ich würde mich als Personal-Karrierecoach und Sportmanager bezeichnen. Wobei es ja auf den Inhalt statt auf die Verpackung ankommt.

Herr Scharner, erklären Sie uns, wozu Sie einen Personal-Karrierecoach brauchen.

Paul Scharner: Das Leben besteht ja nicht nur aus Fußball, nicht mal für mich als Fußballprofi. Mir ist wichtig, in der Zusammenarbeit mit Valentin meine Persönlichkeit zu entwickeln. Besonders in diesem Jahr, in dem ich ja viele Tiefen durchgemacht habe, war die Zusammenarbeit sehr wichtig. Durch meine Zusammenarbeit mit Valentin konnte ich besser damit umgehen, plötzlich kein Stammspieler mehr zu sein. So etwas war ich nicht gewohnt.

Hobel: Wir arbeiten aber vor allem in die Zukunft. Ich würde den Begriff Coach wortwörtlich mit Kutscher übersetzen. Der Kutscher kennt den Weg. Meine Aufgabe ist es, Pauls Weg zu ebnen. Und das war wirklich nicht immer einfach. Das größte Problem ist eigentlich, so banal das auch klingen mag: Als Österreicher war und ist Paul im Profifußball nur schwer vermittelbar.

Das klingt nicht banal, das klingt absurd.

Scharner: Es stimmt aber. In Österreich wurden mir häufiger Hindernisse vor die Füße geworfen. Als 19-Jähriger habe ich mir dann Valentin bewusst als Karrierecoach ausgesucht, weil ich mit aller Macht eine große Karriere hinlegen wollte. Zusammen mit Valentin haben wir uns ein konkretes Ziel gesetzt: Spätestens 2006 wollte ich als erster Österreicher in die englische Premier League wechseln. Diesem Ziel haben wir alles andere untergeordnet. Und wir haben es geschafft.

Sprechen Sie täglich miteinander?

Hobel: Das hängt immer vom jeweiligen Zeitpunkt ab. In England haben wir uns beispielsweise immer vor Topspielen gegen Arsenal London, Manchester United und Chelsea zusammengesetzt und haben das Spiel schon vorab am Flipchart durchgespielt. Dabei sind wir alle möglichen Szenarien durchgegangen. Und der Erfolg hat uns überwiegend recht gegeben.

Scharner: Vor allem die ersten vier Jahre haben wir intensiv miteinander gearbeitet. Ich bin da in Bereiche eingetaucht, die ich nicht kannte. Es geht immer darum, bestimmte Szenarien zu visualisieren, um danach bestmöglich auf jede Eventualität vorbereitet zu sein.

Was bedeutet das konkret?

Scharner: Es gibt verschiedene Formen des Trainings: autogenes Training, Körper-Kopf-Übungen, Gehirntraining. Es ist ein Zusammenspiel von vielen Komponenten. Durch Atemtechniken habe ich beispielsweise meinen Körper besser kennengelernt und auch meine Wahrnehmung geschult. Konkret konnte ich eine ernsthafte Verletzung durch das verbesserte Zusammenspiel zwischen Kopf und Körper bis zu meinem 27. Lebensjahr verhindern.

Und dann waren Kopf und Körper plötzlich keine Einheit mehr?

Scharner: Ich war gerade nach England gewechselt, hatte mein großes Ziel also erreicht. Ich war dann nicht mehr so fokussiert wie zuvor. Auch meine Knieverletzung hier in Hamburg ist erklärbar. Ich wohnte noch im Hotel, hatte Umzugsstress, war in einer neuen Stadt, einem neuen Land, einer neuen Liga.

Hobel: Seine geistige Kondition war erschöpft, die mentale Energie hat nicht mehr gereicht. Und auch wenn es absurd klingen mag: Als Österreicher hat es Paul noch mal schwerer. Denken Sie doch mal an den ganzen Streit um die Nationalmannschaft, das hat unglaublich viel mentale Substanz gekostet.

Wieso haben Sie sich so sehr mit mentalen Trainingsformen beschäftigt?

Scharner: Ich habe schon mit 15 Jahren verstärkt angefangen, mich für autogenes Training zu begeistern. Meine Mutter hat sich immer sehr viel mit dem alternativen Medizinbereich beschäftigt und weitergebildet. Und auch mir hat das sehr gutgetan, wodurch ich die Idee bekam, dass ich in einem Team weiterkommen kann als alleine.

Hobel: Wobei man schon zwischen Mental- und Karrieretraining unterscheiden muss. Mentaltraining ist lediglich einer von vielen Bestandteilen unserer gemeinsamen Arbeit. Durch mentales Training wird man ruhiger und ausgeglichener, man macht aber noch lange keine Karriere.

Wird der Kopf im Profifußball mittlerweile ausreichend trainiert?

Scharner: Es hat sich gebessert. Als ich damit in Österreich angefangen habe, wurde ich als Sonderling begutachtet. Mittlerweile hat fast jeder Verein einen eigenen Mentaltrainer.

Auch der HSV bietet das an.

Scharner: Ja, und obwohl ich mit Valentin zusammenarbeite stehe ich prinzipiell auch dem Vereinsangebot offen gegenüber. Ich habe mir ohnehin überlegt, ob ich nicht noch einen zusätzlichen Psychologen besuchen sollte.

Haben Sie für 2013 ein Ziel?

Scharner: Nachdem 2012 für mich wirklich ein, entschuldigen Sie, Scheißjahr war, geht es jetzt darum, ab dem 2. Januar ganz neu anzugreifen. Für mich zählt immer der Wettkampf, und der beginnt für mich im Jahr 2013 mit dem Trainingslager in Abu Dhabi.