HSV-Sportchef Arnesen versucht den Kader zu verkleinern und will Ende 2013 mindestens auf Platz sechs stehen. 2012 hatte er Job-Angst.

Hamburg. Wenn Frank Arnesen aus seinem Bürofenster schaut, bekommt der Sportchef ein Gefühl dafür, wie gut es doch den meisten beim HSV geht. Der Parkplatz der Spieler, auf dem gewöhnlich bullige Geländewagen und tiefergelegte Spotwagen in Reih und Glied stehen, ist mit einer etwas verzerrten Perspektive aus Arnesens Büro einzusehen. Und der eigene Dienstwagen, ein schwarzer Audi A6, steht ein paar Meter weiter rechts unmittelbar unter seinem Fenster. "Ich glaube, jeder weiß genau, was für ein Glück wir hier beim HSV haben", sagt der Däne, der tatkräftig dabei helfen will, dass die Grundvoraussetzungen im Jahr 2013 noch mal deutlicher besser werden.

"Wenn wir uns hier in genau einem Jahr wieder treffen, dann ist mein größtes Ziel, dass wir auf einem internationalen Platz stehen", sagt Arnesen, schält sich eine Mandarine und nimmt einen Schluck Tee. Bei seinen Wünschen für das neue Jahr redet der Skandinavier nicht lange um den heißen Brei herum. Bei einem großen Verein wie dem HSV würde es ja immer turbulent zugehen, aber so eine Krise wie im vergangenen Sommer will Arnesen im Jahr 2013 unter keinen Umständen noch mal erleben. "Kurz nach Saisonbeginn war ich ja fast schon weg, das weiß ich auch", sagt der 56-Jährige, der im August sogar zum Rapport vom Aufsichtsrat bestellt worden war. "Der Druck war enorm groß, aber ich habe schon das Gefühl, dass meine Vorstandskollegen und ich gestärkt aus dieser Krise hervorgegangen sind", sagt Arnesen, der die Beziehung untereinander mit einer Ehe vergleicht. Am Anfang sei man bis über beide Ohren verliebt, dann würde es irgendwann mal kriseln und schließlich kommt der Zeitpunkt, an dem man sich entscheiden muss, ob man sich scheiden lässt oder ob man der Liebe nicht doch noch mal eine Chance geben will.

Nach 36 gemeinsamen Jahren mit Ehefrau Kate weiß Arnesen ganz genau, dass es sich manchmal lohnt, für die große Liebe zu kämpfen. Was die eigene Zukunft beim HSV betrifft, da kann sich der Sportchef mittlerweile sogar vorstellen, seinen bis 2014 laufenden Vertrag im kommenden Winter zu verlängern. Dann will er auch über den ebenfalls im Sommer 2014 auslaufenden Vertrag von Trainer Thorsten Fink entscheiden. "Thorsten ist noch ein sehr junger Trainer, aber er hat sich in den wenigen Monaten bei uns großartig entwickelt", sagt Arnesen, der sich sicher ist, dass Fink das junge Team in der kommenden Saison zu einer Bundesliga-Spitzenmannschaft formen kann. Anders als in den vergangenen beiden Jahren sei dafür diesmal kein Umbruch mehr nötig, sondern nur noch kleinere Korrekturen am Kader.

Bereits in diesem Winter hofft Arnesen, den Kader zu verkleinern, um das Sparziel von 6,4 Millionen Euro zu erreichen. "Es wurde ja immer behauptet, dass uns der Aufsichtsrat diese Summe vorgegeben hat. Aber das stimmt nicht", sagt er, und erklärt: "Wir haben uns dieses Ziel selbst gesetzt, wobei sich die angestrebte Summe aus Ablöse und Gehalt zusammensetzt." Über mögliche Verkaufskandidaten will Arnesen öffentlich nicht reden, aber selbstverständlich hat er längst mit den Beratern von Robert Tesche, Ivo Ilicevic, Marcus Berg, Per Skjelbred, Jaroslav Drobny, Slobodan Rajkovic und Jacopo Sala gesprochen: "Jeder Spieler kennt ganz genau unsere Pläne."

Große Pläne hat Arnesen 2013 auch im Nachwuchsbereich. Bis zum Februar will er entscheiden, wer im Sommer neuer Nachwuchschef wird, oder ob Bastian Reinhardt überraschend doch bleiben darf. Unbedingt bleiben sollen die beiden umworbenen Talente Levin Öztunali und Jonathan Tah, deren Verträge möglichst bald langfristig verlängert werden sollen. "Wichtig ist, dass wir ihnen eine gute Perspektive aufzeichnen können", sagt Arnesen, der es begrüßen würde, wenn die beiden 16-jährigen Supertalente bereits ab Sommer bei den Profis reinschnuppern.

Damit der HSV auch zukünftig wieder mehr Eigengewächse an den Verein binden kann, ist auf Arnesens Agenda 2013 auch die eigene Scoutingabteilung ganz weit oben angesiedelt. Bis zum Frühling soll entschieden werden, ob die zuletzt etwas ausgedünnte Abteilung noch mal personell aufgestockt wird. Im Mai will sich Arnesen dann mit allen fest angestellten und freien Talentspähern zu einer mehrtägigen Klausurtagung zurückziehen.

Anders als im Vorjahr will sich der Däne zu diesem Zeitpunkt dann keine existenziellen Sorgen mehr um die Zukunft des Vereins machen müssen. "Nach der schweren Vorsaison, als wir lange um den Klassenerhalt zitterten, sind wir mittlerweile wieder im sicheren Fahrwasser", sagt er, "spätestens im Sommer müssen wir dann den nächsten Entwicklungsschritt machen."

Wie jedes Jahr wird Arnesen sich selbst auch auf 2013 mit einem Monat Abstinenz vorbereiten. Lediglich am 14. Januar, am Geburtstag von Ehefrau Kate, würde er sich abends ein Gläschen Rotwein gönnen, ansonsten will er auf Alkohol bis Anfang Februar verzichten. Bis es aber soweit ist, will der Eppendorfer aber zunächst ausgiebig Weihnachten feiern - und das gleich doppelt. Am 21. Dezember wird mit der Familie in Eindhoven im großen Kreis gefeiert, um anschließend mit Ehefrau Kate den Heiligabend am 24. Dezember in trauter Zweisamkeit in London zu genießen. Arnesen weiß also, worauf er sich freuen darf: gute Aussichten.