Der Stürmer soll die Torflaute in den Heimspielen des HSV beenden. Gegner Szalai von Mainz 05 könnte als Vorbild dienen.

Hamburg. Für einen kurzen Moment ballte er die Faust. Sekunden zuvor hatte der unermüdlich kämpfende HSV-Stürmer Artjoms Rudnevs seinen zweiten Treffer beim Abschlusstraining erzielt. Doch kurz darauf war "Rudi", wie er von seinen Mannschaftskollegen gerufen wird, schon wieder am ackern. Jeder Treffer gibt dem mitunter schüchtern wirkenden Letten neues Selbstvertrauen, wie er kürzlich bestätigte. Und das kann er gut gebrauchen.

Denn Tore sind auch beim Heimspiel gegen den FSV Mainz 05 (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) an diesem Sonnabend das oberste Gebot. In den fünf Auftritten vor eigenem Publikum erzielte der HSV in der laufenden Saison gerade einmal vier Treffer.

"Wir haben es in den meisten Heimspielen nicht geschafft, Lösungen zu finden, um Torchancen zu kreieren, sondern waren gezwungen, zu verteidigen", fasst Linksverteidiger Marcell Jansen die Misere zusammen. Dennoch bleibt in der Offensive alles beim Alten, Rudnevs ist als einzige Sturmspitze gesetzt. Fink schenkt dem niemals aufgebenden Angreifer weiter das Vertrauen, trotz seiner unübersehbaren Mängel. Der Lette ist zwar pfeilschnell, mit gemessenen 35,39 km/h sogar der derzeit sprintstärkste Spieler der gesamten Bundesliga. Doch seine Laufwege sind oft unglücklich gewählt, so dass er sich nicht entscheidend von seinen Gegnern absetzen kann. Zugegeben: Als Einzelkämpfer im HSV-System mit nur einer Spitze hat es jeder Stürmer schwer. Doch der bisher dreifache Torschütze hat auch Probleme, den Ball "festzumachen", also sich in Bedrängnis zu behaupten und den Ball sauber weiterzuspielen. 33,5 Prozent gewonnene Zweikämpfe sprechen eine deutliche Sprache, selbst sein als zweikampfschwach kritisierter Kollege Heung-Min Son hat mit 41,5 Prozent gewonnener Duelle hier die Nase vorn.

Und auch das Fachmagazin "Kicker" urteilt mit einer Durchschnittsnote von 4,15 nur wenig begeistert über Rudnevs, der durchaus selbstkritisch zu seiner Leistung steht. "Ich weiß auch, dass ich noch mehr Tore machen muss, um das Vertrauen des Trainers zu rechtfertigen", sagt der 24-Jährige. "Zudem muss ich mich technisch und taktisch weiter verbessern." Dennoch findet Fink überwiegend lobende Worte für seinen Neuzugang, der dem Team durch seine Spielweise immens helfen, nie aufgeben und immerzu den Torerfolg suchen würde.

Verständlich, denn die Alternativen sind rar gesät. Marcus Berg, der nach dem Tod seiner Schwiegermutter seit Donnerstag wieder im Mannschaftstraining steht, konnte nie überzeugen, und Son ist laut Fink "eher in Auswärtsspielen" eine Alternative im Sturm.

Dafür hat Rudnevs, dessen Familie mittlerweile zu ihm nach Hamburg gezogen ist, einen äußerst prominenten Befürworter: Uwe Seeler. Das Hamburger Sturmidol plädiert dafür, nicht vorschnell über den Angreifer zu urteilen. "Natürlich ist Rudnevs noch nicht so effektiv, wie man es sich wünscht. Doch wie er für das Team arbeitet und sich immer voll reinhaut, imponiert mir. Einige brauchen eben länger für die Eingewöhnung, andere finden sich schneller zurecht. Aber man sollte ihm Zeit geben und kein überstürztes Urteil fällen", sagt Seeler und fügt noch zwei Ratschläge hinzu. "Rudnevs sollte sein Kopfballspiel trainieren und sich generell mehr zutrauen. Als Stürmer muss er ab und zu eigensinniger sein und häufiger den Torabschluss suchen."

Ein mögliches Vorbild findet Rudnevs heute in den Reihen der Gegner: Angreifer Adam Szalai. Mit acht Treffern führt der gleichaltrige Ungar zusammen mit Bayerns Mario Mandzukic die Torjägerliste an und befindet sich in der Form seines Lebens. Dabei erlitt er vor eineinhalb Jahren einen schweren Rückschlag: Im Frühjahr 2011 zog sich Szalai im Derby beim 1. FC Kaiserslautern einen Kreuzbandriss zu. Nach einjähriger Zwangspause scheint er stärker zu sein als je zuvor. "Man hat schon vor seiner Verletzung gemerkt, dass er ein kompletter Stürmer ist, der von seiner Spielweise her gut in die Bundesliga passt", sagt Jansen. "Auf ihn müssen wir besonders aufpassen." Diese Aufgabe kommt neben Heiko Westermann auch auf Michael Mancienne zu, der sich im internen Duell gegen Jeffrey Bruma behaupten konnte und zur Startelf zählen wird. Mainz-Trainer Thomas Tuchel, den Fink zuletzt als "Taktikfuchs" bezeichnete, kannte Szalai schon als Jugendtrainer beim VfB Stuttgart. 2007 wechselte der Stürmer zu Real Madrid. Dort rückte er nach einem Jahr aus der zweiten Mannschaft für den nicht spielberechtigten Klaas-Jan Huntelaar (heute Schalke) sogar in den Champions-League-Kader auf. Anfang 2010 lieh Mainz 05 den Stürmer aus und verpflichtete ihn später fest. In seinen ersten 50 Bundesligaspielen erzielte er nur acht Tore. Diese Marke hat er jetzt schon nach elf Partien erreicht.

Doch Fink warnt vor der ganzen Mainzer Mannschaft, die spielerisch stark und immer wieder für Überraschungen gut sei. "Ich erwarte ein offenes Spiel mit vielen Torchancen. Hinten reinstellen wird Mainz sich sicher nicht", prognostiziert er.