Wolfsburgs Tscheche ist heute beim Medizincheck. Van der Vaart bleibt im Fokus. Arnesen kann noch bis Freitag seine Kaderplanung korrigieren.

Hamburg. Ein halbes Dutzend TV-Teams hatte sich am Ausgang des Trainingsplatzes in Position gebracht, als sich Frank Arnesen gestern Vormittag mit langsamen Schritten auf den Weg in ihre Richtung machte. Die Hände in den Hosentaschen, der Blick ein wenig gequält. Die Niederlage vom Vortag gegen Nürnberg, das war dem sonst immer strahlenden Dänen deutlich anzusehen, hatte Arnesen getroffen. "Da kommt der Fachmann", höhnte einer der Fans, der sich das Schauspiel mit etwas Sicherheitsabstand ansah, "der Fachmann für die Zweite Liga."

Nein, sagte Arnesen in die zahlreichen Mikrofone, die ihm entgegengestreckt wurden, der HSV könne nach nur einem Spieltag nicht als Abstiegskandidat bezeichnet werden. Er sei sehr enttäuscht, glaube aber weiterhin fest an seine Mannschaft. Und Druck, so Arnesen, habe er ohnehin immer. Worthülse folgte auf Worthülse, aber was sollte der Skandinavier an diesem Wochenende auch sonst groß sagen?

Nach knapp fünf Minuten wurde der 55-Jährige erlöst. Vorerst. Denn nur ein Jahr nach seiner Verpflichtung, das wurde fünf Tage vor dem Ende der Transferfrist am Freitag mehr als deutlich, scheint Arnesens Kredit aufgebraucht. "Der HSV hat einen Sportdirektor, der sich nicht so gut auskennt", lästerte Sport1-Experte Mario Basler live im Fernsehen zeitgleich zu Arnesens Interviewrunde neben dem Trainingsplatz, "ich weiß nicht, wie viele Telefonnummern er überhaupt hat."

Die Nummer von Wolfsburgs Petr Jiracek ist mit Sicherheit in Arnesens Telefonbuch vermerkt - spätestens seit vergangener Woche. Der Tscheche, der sich dem Vernehmen nach über seinen Berater selbst beim HSV angeboten hat, soll nicht nur heute den Medizincheck am UKE absolvieren, einen Vertrag unterschreiben und möglichst schon in Bremen das Hamburger Mittelfeld verstärken, er soll auch Arnesens in dieser Transferperiode ramponierten Ruf aufpolieren. "Für den HSV ist Petr eine echte Verstärkung. Er ist nicht nur sehr lauf- und kampfstark, sondern auch extrem torgefährlich", lobt David Jarolim seinen Landsmann, "von seiner Spielanlage erinnert er ein wenig an Zé Roberto. Ich bin mir sicher, dass er dem HSV weiterhelfen wird." Und Arnesen.

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Spät, aber möglicherweise nicht zu spät versucht Hamburgs Sportchef seine Kaderplanung vor dem Ende der Transferfrist zu korrigieren. Mit dem Kroaten Milan Badelj, der morgen ein letztes Mal in der Qualifikation zur Champions League für Dinamo Zagreb gegen NK Maribor im Einsatz ist, kommt am Mittwoch Mittelfeldverstärkung Nummer eins, mit Jiracek dürfte bis dahin Mittelfeldverstärkung Nummer zwei bereits da sein. Laut Trainer Fink sind die beiden auch schon am Sonnabend in Bremen ernsthafte Optionen für die Startelf. "Jiracek und Badelj passen sehr gut zusammen", sagt Arnesen, der am Sonntag die letzten Details mit Felix Magath, Wolfsburgs Manager und Trainer in Personalunion, klärte, "Jiracek ist eher der Kämpfer, Badelj eher der Spielmacher".

Geeinigt hatten sich Magath und Arnesen bereits am Sonnabend auf eine Ablöse von vier Millionen Euro, am Sonntag wurden auch die letzten Transferdetails geklärt. Wie das Abendblatt erfuhr, muss der HSV noch einen Zuschlag von mehreren Hunderttausend Euro für den Fall zahlen, dass Jiracek in seiner HSV-Laufbahn eine bestimmte Anzahl von Spielen erreicht. Dafür soll der Mittelfeld-Arbeiter, der mehrere Angebote aus Russland abgelehnt hat, lediglich knapp über eine Million Euro verdienen. Sobald auch die Ergebnisse des Medizinchecks vorliegen, soll als letzte Hürde der Aufsichtsrat informiert werden. Dessen Jawort soll aber nur noch Formsache sein.

Bereits am vergangenen Mittwoch hatten die Aufsichtsräte grundsätzliche Zustimmung für Arnesens Planungen signalisiert. Diese galt und gilt sowohl für die Verpflichtung Jiraceks als auch - anders als zunächst berichtet - im Hinblick auf einen immer noch möglichen Last-Minute-Transfer Rafael van der Vaarts. "Es bleibt eine schwere Situation, aber ich schließe das nicht aus", sagte Arnesen, der weiter darauf hofft, dass Investor Klaus-Michael Kühne seine zugesagte finanzielle Unterstützung noch deutlich aufstockt. Besonders nach der bevorstehenden Verpflichtung Jiraceks sind kaum noch eigene Mittel für eine Rückholaktion van der Vaarts, der beim 1:1 von Tottenham Hotspur gegen West Bromwich Albion am Sonnabend nach 62 Minuten ausgewechselt wurde, vorhanden.

+++ Leitartikel: Falsche Bescheidenheit +++

Sollte der Traum von der Verpflichtung van der Vaarts aber auf der Zielgeraden platzen, könnte neben einem Kauf Jiraceks auch ein Transfer eines kostengünstigen Stürmers noch mal Dynamik aufnehmen. Auch hier soll die Fehlplanung, lediglich mit Marcus Berg und Neuzugang Artjoms Rudnevs in die Saison zu starten, nach Möglichkeit korrigiert werden. Bis Freitag um 18 Uhr ist die Transferliste geöffnet, spätestens dann muss es eine Entscheidung geben. Gefragt ist bis dahin vor allem einer: Fachmann Arnesen.