Der HSV bestreitet sein erstes Pflichtspiel der aktuellen Saison und spielt Sonntag in Karlsruhe im DFB-Pokal - der letzte Triumph ist 25 Jahre her.

Hamburg. Auf die stolze Zahl von 21 Trainern kann der HSV in den vergangenen 25 Jahren zurückblicken - und fast jeder von ihnen ließ sich wenigstens einmal zu folgendem Satz hinreißen: "Der Pokal ist der einfachste Weg, in der kommenden Saison international zu spielen." In der Tat stehen nur sechs Spiele zwischen einer möglichen Blamage in der ersten Runde und dem Triumph beim Endspiel in Berlin, der eine gleichzeitige Qualifikation für die Europa League mit sich bringt.

Doch seit dem legendären Ernst Happel, der mit seinem Team am 20. Juni 1987 in seinem letzten Jahr beim HSV den DFB-Pokal gewann, konnte keiner seiner Nachfolger auch nur das Endspiel erreichen - Blamagen gab es dafür reichlich. Viermal war für die Hamburger schon nach dem Pokalauftakt Feierabend, lediglich dreimal drang der Klub zumindest ins Halbfinale vor (siehe Kasten). Eine verheerende Bilanz - sogar ohne die denkwürdigen Niederlagen aus der Zeit davor gegen Eppingen (1974, 1:2) und Geislingen (1984, 0:2) mit einzubeziehen.

+++ Harte Jahre: So schnitt der HSV seit dem letzten Sieg im Pokal ab +++

+++ "Ich will ein Publikumsliebling werden wie van der Vaart" +++

Ex-HSV-Spieler Thomas von Heesen, derzeit Trainer beim Karpfenberger SV in Österreich, war beim letzten Triumph der Hamburger einer der Pokalhelden. "Das war eine riesige Befreiung, da der bis 1983 so erfolgsverwöhnte HSV nach einer vierjährigen Durststrecke endlich wieder einen Titel holen konnte", sagt von Heesen - ohne damals ahnen zu können, dass es mindestens 26 Jahre dauern würde, bis der nächste hinzukommt. Der einstige Mittelfeldmann, der das Geschehen beim HSV nach wie vor verfolgt, glaubt aber nicht an einen "Pokal-Fluch" oder Ähnliches. "Der Verlauf im DFB-Pokal hängt an so vielen Faktoren, tausend Kleinigkeiten, das ist dann auch oft einfach Pech, dass es nicht gereicht hat." Eine spezielle "Pokalmentalität" brauche man als Spieler nicht.

Im Jahr 2009 stand der HSV immerhin ganz knapp vor dem Einzug ins Endspiel, als die Hamburger unter Trainer Martin Jol im Halbfinale erst im Elfmeterschießen an Werder Bremen scheiterten. Gleich drei HSV-Profis (Jerome Boateng, Ivica Olic und Marcell Jansen) scheiterten damals am überragenden Tim Wiese im Tor der Bremer. Doch auch die bitteren Niederlagen gegen die unterklassigen Stuttgarter Kickers (2007, 3:4 nach Verlängerung) und den SC Paderborn (2005, 2:4), als Schiedsrichter Robert Hoyzer den HSV verpfiff, sind noch in böser Erinnerung.

+++ Paul Scharner: "Lasse mich nicht wie einen Trottel behandeln" +++

Dieses Jahr sollen wieder positive Erlebnisse hinzukommen - auch wenn der Bundesliga-Dino am Sonntag (14.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) in der ersten Runde auf Pokal-Angstgegner Karlsruhe trifft: Schon 1993 (2:4) und 2001 (0:1) war für den HSV nach Niederlagen früh Schluss im DFB-Pokal. Zudem konnten die Hamburger überhaupt erst viermal im Wildparkstadion gewinnen. Der letzte Sieg liegt fast 15 Jahre zurück. Doch auch in Karlsruhe sind die rosigen Zeiten vorbei. Aktuell liegt der Klub in der dritten Liga auf einem Abstiegsplatz, noch ohne Sieg aus den ersten fünf Spielen. Alle drei Ligatore erzielte Mittelfeldspieler Hakan Calhanoglu, der sich spätestens in der kommenden Saison dem HSV anschließen wird (siehe Bericht unten). "Ich denke nicht, dass Hakan ein Problem mit der Situation hat. Vielmehr hat er seine besten Spiele gemacht, wenn alle Augen auf ihn gerichtet waren", erklärte KSC-Trainer Markus Kauczinski, der sich sicher ist, dass sein Team den HSV schlagen kann. Auch HSV-Coach Thorsten Fink hat Respekt vor seinem Neuzugang in spe. "Calhanoglu kann Spiele durch seine Schusstechnik alleine entscheiden", sagt HSV-Coach Thorsten Fink. "Doch auch seine Mannschaftskollegen spielen Bälle gut hinter die Abwehr, da müssen wir aufpassen."

Fink, dessen Karriere bei den Badenern Mitte der 90er Fahrt aufnahm, stand als Spieler fünfmal im Finale des DFB-Pokals (drei Siege) und weiß genau, wie reizvoll dieses Erlebnis ist. "Ich kann den Jungs natürlich den Mund wässrig machen, aber zunächst müssen wir unsere Hausaufgaben in der ersten Runde erledigen, ehe ich von großen Zeiten schwelge."

Ob Tolgay Arslan dabei helfen kann, die Sehnsucht nach dem Pott endlich zu befriedigen, ist weiter fraglich. Der 22-Jährige war von Fink fest für das zentrale Mittelfeld eingeplant, konnte aber auch am Freitag aufgrund von Adduktorenproblemen nicht trainieren. Sollte er ausfallen, wird Heung Min Son neben Marcus Berg als hängende Spitze auflaufen und Maximilian Beister den rechten Flügel besetzen. "Er hat sich durch seine Leistung in der U21-Nationalmannschaft aufgedrängt", lobt Fink.

Nicht allzu große Sorgen bereitet dem Trainer das zu erwartende Wetter. Immerhin 35 Grad im Schatten sind angesagt. In der Halbzeit werden die HSV-Profis kalte Umschläge bekommen und kühlende Westen anziehen. "Wir sind durch unsere Vorbereitung im schwülen Südkorea und auf Mallorca ja optimal auf die Hitze eingestellt", erklärt Fink - und appelliert noch mal an seine Mannschaft: "Wir haben im letzten Test gegen Altona gesehen, dass 90 Prozent an Einstellung und Aggressivität nicht reichen. Das muss jedem bewusst sein. Schließlich ist der Pokal der einfachste Weg, in der kommenden Saison international zu spielen." Wie wahr.

Karlsruhe: Orlishausen - Klingmann, Stoll, Gordon, Kempe - Biggel, Varnhagen - Alibaz, Calhanoglu, D. Blum - van der Biezen

HSV: Adler - Lam, Mancienne, Bruma, Aogo - Westermann, Skjelbred - Beister, Jansen - Son - Berg