Am Dienstag entschied HSV-Aufsichtsratschef Horst Becker, nicht aus dem Gremium zurückzutreten. Die Hintergründe.

Hamburg. Am Tag nach der großen Aussprache stand Horst Beckers Telefon nicht mehr still. Viele Anrufer gratulierten dem 69-Jährigen zur überraschenden Fortsetzung seiner Chefrolle im Aufsichtsrat, andere fragten nach den Gründen für seinen Sinneswandel. Im Abendblatt erklärt Becker, warum er trotz der beißenden Kritik in den vergangenen Wochen Vorsitzender bleibt.

Abendblatt: Herr Becker, was hat Ihre Frau gesagt, als Sie Ihr nach der Aufsichtsratssitzung am Dienstag offenbarten, dass Sie doch Chef des Kontrollgremiums bleiben werden?

Horst Becker :Sie war nicht erfreut. Mit diesem Ergebnis hatte sie nicht gerechnet, und nach den vergangenen Wochen schon gar nicht darauf gehofft.

Das heißt, dass Sie vor der Sitzung davon ausgegangen waren, dass Sie Ihr Mandat als Vorsitzender zurückgeben?

Wir sind beide davon ausgegangen, aber man muss ja trotzdem offen in so eine Sitzung gehen. Der Verlauf der Gespräche war dann anders, als ich ihn mir zuvor vorgestellt hatte.

Was war am Ende ausschlaggebend, dass Sie Ihre Meinung über einen möglichen Rücktritt änderten?

Es waren sehr kontroverse, aber vor allem sehr offene Gespräche. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Alle waren da, und alle Probleme wurden ehrlich angesprochen. Was mir ganz wichtig war: Jeder hat Fehler eingeräumt. Ich habe das getan, aber auch die anderen. Letztendlich wurde ich nach dieser Aussprache gebeten zu bleiben.

Was war Ihr größter Fehler?

Sicherlich war die lange Suche nach einem neuen Sportchef unglücklich verlaufen. Uns ist nicht nur ein großer Fehler in diesen elf Monaten unterlaufen, sondern viele. Aber im Nachhinein ist es immer einfach zu sagen, was man besser hätte machen sollen. Selbstkritisch müssen wir uns eingestehen, dass wir uns von der sportlich überzeugenden Hinrunde haben blenden lassen.

Vor nicht mal zwei Wochen sprachen Sie von "gezielten Indiskretionen" und "fehlendem Vertrauen". Ist nach der Aussprache alles vergeben und vergessen?

Ein kleiner Nachgeschmack bleibt immer. Aber darüber will ich gar nicht viel nachdenken. Mit unserer Aussprache haben wir nun einen Schlussstrich gezogen. Mir wurde in die Hand versprochen, dass Internes ab jetzt intern bleibt. Darauf verlasse ich mich, auch wenn ich mir bewusst bin, dass es immer schwierig sein wird, zwölf Räte unter einen Hut zu bringen.

Bleiben Sie bei Ihrer Forderung, dass der Aufsichtsrat verkleinert werden müsste?

Das ist meine persönliche Meinung, und dabei bleibe ich. Aber ich alleine kann das nicht entscheiden, weil die Größe des Aufsichtsrats durch unsere Satzung vorgegeben ist. Das kann nur die Mitgliederversammlung ändern.

Im Gegensatz zur Sitzung im vergangenen August haben Sie diesmal nicht die Vertrauensfrage gestellt. Warum nicht?

Ich habe meinen Kollegen sehr deutlich gemacht, dass ich unter den bisherigen Bedingungen nicht bereit war, Aufsichtsratsvorsitzender zu bleiben. Die anschließenden Gespräche waren aber so positiv, wie ich das bereits geschildert habe. Und am Ende wurde ich nahezu bedrängt weiterzumachen.

Herr Becker, kleben Sie an Ihrem Stuhl?

Diese Frage wurde mir heute schon mal gestellt, im Übrigen nicht von meiner Frau. Das kann ich aber klar verneinen. Ich würde bei gutem Wetter auch lieber Golf spielen als zu erklären, warum es im Aufsichtsrat so oder so läuft. Und auch wenn es etwas hochtrabend klingen mag: Ich habe mich zum Wohle des HSV entschieden, weiterzumachen. Ich bin schon so lange dabei, habe die Erfahrung von vielen Jahren, dass ich mir anmaßen möchte, dem HSV immer noch etwas geben zu können.

AUFSICHTSRAT VERSPRICHT RUHE

Sergej Barbarez hatte Ihnen indirekt vorgeworfen, eine zu große Nähe zum Vorstand, den Sie ja kontrollieren sollen, zu pflegen. Hat er Unrecht?

Also zunächst mal würde ich mit Sergej sehr gerne zeitnah selber sprechen, aber er will offenbar derzeit nicht reden. Was seinen Vorwurf betrifft: Natürlich hat man als Vorsitzender des Aufsichtsrats immer eine gewisse Nähe zum Vorstand. Auch abseits von beschlussfähigen Themen sollte man den ständigen Austausch suchen. Es ist unsere Pflicht, uns gegenseitig auf dem Laufenden zu halten.

Trotzdem haben Sie als Aufsichtsrat die Aufgabe, den Vorstand zu kontrollieren.

Das ist richtig, trotzdem empfinde ich die Diskussion über eine zu große Nähe zum Vorstand als scheinheilig. Es wird doch immer wieder gefordert, dass wir Hand in Hand zusammenarbeiten. Und mit Bernd Hoffmann und Katja Kraus arbeite ich seit sechs Jahren sehr eng zusammen. Wir vertrauen uns. Und das müssen wir auch. Als Aufsichtsratsvorsitzender ist ein gutes Verhältnis zum Vorstand nicht problematisch, es ist essenziell wichtig.

Bis Januar sind Sie nun weiterhin Chef. Haben Sie sich schon entschieden, ob Sie nach der Mitgliederversammlung erneut als Vorsitzender kandidieren?

Auch aus Angst vor meiner Frau möchte ich darüber noch nicht nachdenken...

Was ist Ihr Ziel als alter und neuer Aufsichtsratsvorsitzender bis zur Versammlung im Januar?

Mein oberstes Ziel ist, dass nun endlich Ruhe in den Verein einkehrt.