Wer wird neuer Sportchef beim Hamburger SV? Ex-Fußballprofi Sergej Barbarez scheint jetzt doch nicht mehrheitsfähig zu sein.

Hamburg. Als Horst Becker gestern Mittag auf dem Flughafen von Palma de Mallorca aus dem Flugzeug stieg, konnte sich der Aufsichtsratsvorsitzende des HSV ein kurzes Lächeln einfach nicht verkneifen. 21 Grad, blauer Himmel und leichter Wind - die Rahmenbedingungen auf der Mittelmeerinsel stimmten. Und hätte nicht wenige Minuten nach der Landung erstmals sein Mobiltelefon geklingelt, hätte der 69-Jährige für einen kurzen Moment sogar all den Ärger rund um seinen HSV vergessen können. Konnte er so aber nicht.

"Ich wehre mich vehement dagegen, plötzlich der Alleinschuldige zu sein", sagte Becker wenig später im Abendblatt-Gespräch. Becker wankt, aber er fällt nicht. Noch nicht. Denn auch die milde Mittelmeerluft wollte Beckers raue Stimmung nach der geplatzten Verpflichtung Nico Hoogmas als neuer Sportchef nicht verbessern. "Nico Hoogma hätte bei uns eine große Chance gehabt, schade, dass er sie nicht wahrnehmen wollte", sagte Becker, der betonte, dass sich aufgrund von unterschiedlichen Gehaltsvorstellungen eine überwiegende Mehrheit des Aufsichtsrates gegen die Verpflichtung Hoogmas aussprach. Tatsächlich hatte er jeden seiner elf Kollegen vor seiner Absage persönlich angerufen, um über den Stand der Verhandlungen zu berichten. Dabei lagen nach Abendblatt-Informationen beide Parteien lediglich um jährlich 70 000 Euro auseinander. Während Hoogma vonseiten des Aufsichtsrats für einen Dreijahresvertrag ein Salär von 350 000 Euro geboten wurde, forderte der Niederländer ein Festgehalt von 420 000 Euro per annum. Knackpunkt in den Verhandlungen waren unterschiedliche Auffassungen bei den Prämien. Im Bestfall einer erneuten Teilnahme an einem europäischen Halbfinale in zwei Jahren hätte Hoogma eine Steigerung seiner Bezüge auf rund 600 000 Euro brutto gewünscht - Hoogma lehnte schließlich ab, und Becker flog nach Mallorca.

HOOGMA SAGT AB - ES GING UM SEIN GEHALT

Nach seiner Rückkehr am Sonntag will der Chefkontrolleur bis zur geplanten Aufsichtsratssitzung am Montag weitere Gespräche mit Neu-Kandidat Sergej Barbarez führen, der nach Roman Grill, Oliver Kreuzer, Horst Heldt, Urs Siegenthaler und eben Hoogma der neue "Wunschkandidat" Beckers und des Vorstands ist - allerdings nicht des zwölfköpfigen Kontrollgremiums. "Ich schätze Sergej Barbarez als Ratskollegen sehr, dennoch habe nicht ich ihn als neuen Sportchef vorgeschlagen", sagte gestern Aufsichtsrat Peter Becker dem Abendblatt. Für den bosnischen Aufsichtsrat, der wegen Befangenheit kein Stimmrecht erhält, dürfte es bis zur nächsten Sitzung fast unmöglich sein, eine nötige Dreiviertelmehrheit zu bekommen.

Mindestens vier Räte haben durchblicken lassen, ihrem Kollegen die Stimme zu verweigern. Hinter vorgehaltener Hand wurde moniert, dass sich der frühere Publikumsliebling zu selten bei Personaldiskussionen konstruktiv einbrachte. Der Hauptvorwurf: Barbarez sei ein Lehrling, der nicht das erwünschte Gegengewicht zum für viele zu mächtigen Vorstandsvorsitzenden Bernd Hoffmann darstellt.

Eine Meinung, die Becker nicht teilt und deswegen auch nicht befolgt. So hat der Chefkontrolleur gemeinsam mit seinen Kollegen Bernd Enge und Gerd Krug bereits ein erstes Gespräch mit Barbarez geführt - was wiederum andere Mitglieder des Aufsichtsrats irritierte. Und anders als bei ähnlichen Fällen in der Vergangenheit könnte Becker, den die "zunehmenden Indiskretionen" aus dem eigenen Gremium nerven, diesmal durch sein vorschnelles Vorgehen selbst straucheln. Nach Abendblatt-Informationen, die Becker auf Nachfrage vehement bestreitet, war die Stimmung im Aufsichtsrat bereits nach dem geplatzten Showdown mit Grill und Kreuzer im August trotz der offiziell kommunizierten 11:0-Abstimmung bei der Vertrauensfrage für Becker kritisch, im Januar nach der letzten Mitgliederversammlung votierten immerhin fünf Räte offen gegen ihren Vorsitzenden. Konsequenzen zog damals lediglich Ernst-Otto Rieckhoff, der aus dem von vielen kritisierten Personalausschuss zurücktrat. Diesmal denkt Becker nun selbst über Konsequenzen nach: "Ich überlege mir, unter welchen Umständen ich als Aufsichtsratsvorsitzender weitermache."

Ein Szenario, an das zumindest Bernd Hoffmann nicht zu denken wagt: "Wir haben in den vergangenen Jahren viele Entscheidungen gemeinsam getroffen, die dazu geführt haben, dass der Verein so gut aufgestellt ist, wie er es jetzt ist", sagt der oberste HSV-Vorstand, der darauf hofft, dass Becker seine Rücktrittsgedanken ähnlich schnell verwirft wie Nico Hoogma sein Interesse an einer Rückkehr zum HSV.