Das Team von Coach Thorsten Fink fliegt in die Wildnis. Dortmunds Zweite hat die Tortur schon hinter sich. Der Teamgedanke soll gestärkt werden.

Hamburg. Was auch immer an diesem Wochenende passiert: Die deutschen Olympioniken könnten für einen Medaillenregen sorgen, HSV-Sportdirektor Frank Arnesen den erhofften Topstar verpflichten oder Griechenland aus dem Euro austreten - die HSV-Spieler würden es nicht mitbekommen. Denn die Profis lassen sich am Sonnabendmorgen samt Trainerteam für vier Tage in der skandinavischen Wildnis aussetzen. Jegliche Telekommunikation ist tabu. Kein Handy, kein Computer, keine Tageszeitung. Nur ein paar Ersatzklamotten dürfen die Spieler dabeihaben, für spartanisches Essen und Schlafsäcke sorgt die Agentur Laganda, die das Wildnis-Camp organisiert. Vom nächstgelegenen Ort, dem norwegischen Halden, wird der Trupp nichts zu sehen bekommen.

Trainer Thorsten Fink hatte die Idee zu diesem außergewöhnlichen Element in der Vorbereitung auf die neue Saison, die dem Teamgedanken dienen soll. Er erhofft sich, dass seine Mannschaft zu einer verschworenen Einheit wird, und Erkenntnisse über den Charakter jedes Einzelnen. "Man wird merken, wer vorangeht und wer schnell aufsteckt", sagt der Coach. Stürmer Marcus Berg, dessen schwedische Heimat nicht weit von der Seenlandschaft entfernt ist, auf dem sich die Fußballer mit dem Kanu abplagen müssen, freut sich auf die Tour. "Auch wenn ich mir einige Mannschaftskollegen nur schwer in der Wildnis vorstellen kann, bringt uns so ein Erlebnis sicherlich enger zusammen. Und wenn es mir zu viel wird, kann ich ja bei meinen Eltern schlafen", sagt Berg und grinst.

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Das Grinsen könnte ihm noch vergehen. Nicht umsonst hat der HSV eine Strafe von 10.000 Euro angesetzt, sollte jemand am frühen Sonnabend um 5.30 Uhr beim Treffpunkt an der Arena fehlen. Denn das, was auf die Profis zukommt, ist offenbar eine extreme Grenzerfahrung. "Spaß ist etwas anderes", sagt jemand, der es wissen muss. David Wagner, Trainer der Drittligamannschaft von Borussia Dortmund, war mit seinem Team im Juni auf Überlebenstraining im schwedisch-norwegischen Grenzgebiet unterwegs, organisiert von derselben Agentur. "Wenn mir etwas Spaß macht, möchte ich es auch ein zweites und drittes Mal machen. Doch dieses Erlebnis möchte ich unter keinen Umständen wiederholen."

Auch wenn der Trainer am Erfolg der Maßnahme nicht zweifelt, waren die Entbehrungen doch heftig. "Es hat fast durchgehend geregnet, und wir hatten immer um die zehn Grad, waren ständig durchnässt und am Frösteln. Dazu die Mückenplage. Und auch psychisch ist das Ganze nicht zu unterschätzen. Im Sommer wird es dort ja nur für ein paar Stunden dunkel, währenddessen hört man die Wölfe heulen. Um 3 Uhr war es wieder hell. Wenn man dann am Morgen einen Kaffee trinken wollte, musste man erst Holz sammeln, es dann hacken und ein Feuer mit dem nassen Brennstoff entzünden. Eine echte Tortur", erklärt Wagner.

Auch für die Zeit des HSV-Aufenthaltes ist für jeden Tag Regen angesagt, die Temperaturen sollen nur knapp im zweistelligen Bereich liegen. Die "Ausrüstung" für diese Outdoor-Erfahrung: Zwei Trainingsanzüge, zwei Paar Joggingschuhe, ein dicker Pulli, eine Regenjacke, zwei Handtücher, Zahnpasta und Bürste, Socken, Unterhosen und eine wasserdichte Tonne zur Aufbewahrung. Messer und spitze Gegenstände sind verboten, genauso wie alle Luxusgegenstände. Dann geht es los mit dem Kanu, mehrere Stunden täglich müssen die Profis paddeln. Jeden Abend wird in einer anderen Ödnis das Lager aufgeschlagen. Essen über die Grundnahrungsmittel hinaus müssen sich die Spieler selbst besorgen - angelnd oder jagend.

Jonas Hofmann, 20, eines der größten Talente im Kader von Dortmunds zweiter Mannschaft, ist froh, dass er sobald nicht mehr nach Skandinavien muss. "Ich hatte eine kleine Vorahnung, aber dass es so extrem wird, hatte ich nicht für möglich gehalten." Das Schlimmste sei für ihn die tägliche Hygiene gewesen. "Wir haben nicht einmal duschen können in der Zeit. Ein Spieler hat sich ins eiskalte Wasser gewagt, doch nachdem wir da einen 1,20-Meter-Hecht rausgeholt haben, hat sich keiner mehr reingetraut. Und als Toilette diente ausschließlich die Natur." Zwei Spieler seien zudem krank geworden. Hier will der HSV vorsorgen und schickt einen Teamarzt mit.

Überlebenskampf als Vorbereitung auf den Abstiegskampf? Spötter mögen es so sehen, doch in der letzten Saison wurde deutlich, dass das HSV-Team nicht gerade als "verschworener Haufen" bezeichnet werden kann. Und sollte Arnesen nicht tatsächlich einen Topstar aus dem Hut zaubern, könnte ein gesunder Mannschaftsgeist am Ende den Unterschied ausmachen.