Beim ersten Test müht sich der HSV gegen Viertligist Rosenheim zu einem ganz schwachen 1:1 - Sportchef Frank Arnesen fordert Mentalitätswechsel.

Rosenheim. Hoffentlich war das kein schlechtes Omen für die neue Saison. 55 Sekunden waren im Test gegen TSV 1860 Rosenheim , den Aufsteiger in die Vierte Liga, gespielt, als Torwart René Adler hinter sich greifen musste. Nach einer Standardsituation verstolperte Neuzugang Artjoms Rudnevs den Ball. Erst nach 52 Minuten konnte der HSV vor 800 Zuschauern durch Jacopo Sala ausgleichen. Beim 1:1 blieb es. Einfach nur peinlich.

Frank Arnesen verfolgte das matte Auftreten des Teams von der Bank aus. Nähme er die gezeigte Qualität zum Maßstab, müsste er auf so gut wie allen Positionen noch aktiv werden. Dabei war der Däne im Vorfeld des Spiels so glänzender Laune gewesen, weil es endlich erste Anfragen für die HSV-Spieler gab, die noch verkauft werden sollen. "Es fängt an, etwas zu passieren", formulierte der Sportchef.

Am Donnerstag verhandelte er mit Vertretern von Rubin Kasan (Russland) wegen Paolo Guerrero. Arnesen bestätigte das Gespräch, sagte, dass man manchmal Räume für etwas Neues schaffen müsse, wollte aber keine Details nennen - wie auch im Fall Rafael van der Vaart. "Nichts Konkretes", wiegelte er ab, betonte aber, dass sich dies ändern könne, wenn es ein Zeichen vonseiten van der Vaarts gäbe.

Für Arnesen beginnt jetzt die Hochsaison des Handelns. Es gilt, auf dem Spielerbasar eigene Ware teuer feilzubieten und zugleich nach verborgenen, günstigen Schätzen zu forschen.

Eigentlich ein Prozedere, das sich Jahr für Jahr wiederholt. Doch in diesen Wochen sind die Vorzeichen andere, zu Beginn seiner zweiten Saison steht der Sportchef selbst unter Beobachtung. "Nach der schlechten Saison wächst der Druck auf Frank Arnesen", hat auch Klubchef Carl Jarchow registriert, "mit seinem Namen sind hohe Erwartungen verbunden, auch intern. Schließlich griff man bei seiner Verpflichtung in die hohe Schublade."

Arnesen, der allein deutlich mehr verdient als Jarchow und Joachim Hilke zusammen, muss jetzt liefern, so lautet die Stimmungslage im Aufsichtsrat, obwohl das Vertrauen in Arnesen weiter ungebrochen ist.

+++ Fink: "Wir werden weniger tolerant sein" +++

"Druck hast du immer", zuckt der 55-jährige Däne nur mit den Achseln, ohne dass sein Puls auch nur einen Schlag zulegt. Er sitzt drei Stunden vor dem Spiel in Rosenheim auf der Terrasse des Hotels Happinger Hof, trinkt Pfefferminztee und erzählt von seinem ersten HSV-Jahr, dem "schwersten, aber auch interessantesten Jahr meiner Karriere". Er gibt offen zu, dass er sich auch schon fragte, ob der Druck für Bruma, Sala und Töre, die Chelsea-Spieler also, nicht zu groß gewesen sei. Und er fordert offen, dass diese Spieler nun den nächsten Schritt, die nächste Entwicklungsstufe gehen müssten. Beim Thema Mentalität hält er fast einen Vortrag. "Ich habe mich gefragt: War es zu ruhig bei uns? Vielleicht waren wir manchmal zu lieb. Unser Thema ist aber, besser zu werden, nicht Freunde zu sein." Wichtig sei es, sich intern die Meinung zu sagen, damit jeder Spieler in jedem Training und Spiel an seine Leistungsgrenze gelangt. Wie wichtig die Umsetzung wäre, sah man beim missglückten Versuch in Rosenheim.

+++ Info: Mickel wartet auf Anruf +++

Arnesen spricht davon, dass die Mannschaft Probleme hatte beim Bilden einer Hierarchie, eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg. Aber er erwähnt nicht seine persönlichen Schwierigkeiten zu Beginn seiner Amtszeit. Noch unter dem alten Vorstand war er mit dem Versprechen nach Hamburg gelockt worden, das Team mit einem zweistelligen Millionenbetrag verstärken zu können. Der Traum war schnell ausgeträumt. Aber Arnesen ist kein Profilneurotiker, er muss das nicht für sein Ego erwähnen.

Stattdessen riskierte er sogar den Verlust an Ansehen und setzte sich als Trainer auf die Bank, als Michael Oenning entlassen war und Wunschkandidat Fink noch nicht frei war. "Wie drei Jahre" hätten sich die ersten zwölf Monate angefühlt, sagt Arnesen und nennt als größtes Plus, dass er den HSV und die Bundesliga nun viel besser kennt.

Eine Einschätzung, die Jarchow teilt. "Als Mensch hat er sich nicht verändert, Frank war von Anfang an offen und unkompliziert, aber ich denke, er geht jetzt anders an die Bundesliga ran, kann sie besser einschätzen." Die negativen Phasen hätte das Team im Vorstand zusammenrücken und einheitlich auftreten lassen, so Jarchow. Auch die Kompetenzen zwischen Vorstand und Trainer sind klar verteilt bei Einkäufen. "Am Ende entscheidet der Vorstand, ich muss auch die Zukunft des HSV berücksichtigen. Ein Trainer denkt zwangsläufig kurzfristiger."

Vier Kandidaten für zwei Positionen im Mittelfeld (Nummer sechs und zehn) hat Arnesen im Visier. Mit den Spielern, die der Klub gerne abgeben würde, wurde ebenfalls gesprochen. "Aber nicht alle wollen weg. Das respektiere ich. Außerdem: Vergangenen Sommer wollten noch fünf, sechs Spieler unbedingt weg." Wenigstens ein Erfolg in dieser erfolglosen Zeit.