Der HSV spielte beim 1:1 in Hannover stark, verschenkte aber zwei Punkte und den Sprung auf Tabellenrang elf. Ganz stark war Keeper Drobny.

Hannover/Hamburg. "Jetzt hält Drobny auch schon das Wasser! Wir wollen los!", twitterte Mediendirektor Jörn Wolf vor drei Wochen nach dem Auswärtsspiel in Leverkusen. Am Sonnabend wiederholte sich die Geschichte. Der HSV-Torwart war nach dem 1:1 in Hannover erneut einer der Auserwählten für die Dopingkontrolle. Und wieder ging nichts. Um 21.30 Uhr verließ der HSV-Bus die AWD-Arena ohne Jaroslav Drobny. Erst nach dem Verzehr von zehn Bieren - angeblich alkoholfrei - konnte der Tscheche schließlich Wasser lassen und fuhr den Kollegen schließlich mit Teammanager Marinus Bester in dessen Auto hinterher. Kurz vor Hamburg konnte Drobny dann in den Bus umsteigen.

Wie gut er auch in seinem Beruf das Festhalten (von Bällen) beherrscht, hatte der 31-Jährige in den 90 Minuten auf dem Rasen par excellence vorgeführt. Vor allem in der ersten Halbzeit zeigte er gegen Jan Schlaudraff sowie Karim Haggui hervorragende Reflexe. Längst hat der Torhüter nachgewiesen, dass seine Schwächephase zu Beginn dieser Saison nicht seinem Standard entspricht. Wie sich Drobny in den vergangenen Wochen aus seiner persönlichen Krise herausgearbeitet hat, eignet sich nur zu gut, um ihn als Symbol für den jüngsten Aufstieg des HSV nach grandiosem Fehlstart einzusetzen. Nebenbei erwähnt genauso wie Gökhan Töre, dem anfangs als einer der Chelsea-Talente nicht zugetraut wurde, schnell zu einer Stütze der Mannschaft im Abstiegskampf zu reifen.

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Dass Drobnys Laune am Sonntag eher bescheiden war, lag indes eher daran, dass er etwas Entscheidendes eben nicht festhalten konnte: den 106 km/h schnellen, unglaublichen Volleyschuss Schlaudraffs nach einer Pinto-Ecke aus 17 Metern (79.), womit 96 noch Brumas Führungstor nach einer Töre-Ecke (64.) egalisierte. "Was soll ich sagen, das war ein schönes Tor", sagte Drobny gewohnt wortkarg und wollte kaum mehr Worte über seine Fangkünste verlieren. "Paraden gehören zu meiner Arbeit. Wir haben nicht gewonnen, also bin ich nicht zufrieden." Eine Einschätzung, die fast alle Kollegen teilten. Nach dem Abpfiff war die Stimmung in der Kabine von Enttäuschung über die verpasste Drei-Punkte-Chance geprägt.

Mit einem 1:0-Erfolg und dann 16 Punkten hätte sich der HSV auf Tabellenplatz elf hochgearbeitet, nebenbei nur noch sechs Punkte entfernt von Europa-League-Rang sechs. So aber beträgt der Vorsprung des Tabellen-15. auf Relegationsplatz 16 nur einen Zähler.

Es wäre dennoch völlig falsch, das Remis in Hannover als Stillstand einzuordnen. Das Team von Thorsten Fink, der auch in seinem sechsten Pflichtspiel mit dem HSV ungeschlagen blieb, zeigte Qualitäten, die vor Wochen noch undenkbar erschienen. "In den 35 Minuten nach der Pause waren wir bärenstark", wies Kapitän Heiko Westermann auf die ausgeprägte Dominanz der Gäste hin. Bei den so heimstarken Hannoveranern präsentierte sich der HSV spielerisch klar überlegen und zwang den Gegner zu häufigen Fehlpässen. Zugleich zeigte sich allerdings, dass die lernfähige Mannschaft noch am Anfang ihrer Entwicklung steht, also einen Zustand erreicht hat, den man sich bereits zu Saisonbeginn erhofft hatte.

Was dem HSV noch fehlt, um solche Spiele wie in Hannover zu gewinnen, ist vorrangig die Fehlerminimierung. Dem Ausgleich der 96er gingen zwei Missgeschicke voraus. Erst verlor Gökhan Töre unnötig den Ball, was zu einem Zweikampf zwischen Gojko Kacar und Mohammed Abdellaoue führte, den Schiedsrichter Felix Zwayer (fälschlicherweise) als Foul wertete. Der anschließende Freistoß führte zu einer Ecke. Nur weil dann die Spieler die Übersicht verloren und nicht den Rückraum abdeckten, konnte Schlaudraff überhaupt zum Abschluss kommen.

Genauso unvollendet präsentierte sich der HSV in seinen (vielen) Offensivbemühungen und vergab reihenweise fahrlässig Erfolg versprechende Aktionen. "Uns fehlten die Klarheit, die Ruhe und das Auge im Abschluss, das sind noch Sachen, die kommen müssen", analysierte Marcell Jansen.

Was Trainer Fink dennoch mit Recht positiv stimmte, war die Einstellung seiner Spieler, die auch nach der Führung weiter offensiv dachten: "Diese Ausstrahlung war eines HSV würdig. Wir haben uns nach dem 1:0 nicht hinten reingestellt, das war für mich entscheidend, deshalb bin ich zufrieden", kam der HSV-Coach zu einem positiveren Gesamturteil als Drobny.

Für Finks Arbeit in Hamburg spricht: Im Vergleich zu den ersten Saisonspielen ist längst eine klare Grundordnung erkennbar. Doch auch im Fortschritt fehlt es in einzelnen Aktionen noch an Homogenität zwischen den Mannschaftsteilen, an Kompaktheit. Der Weg in die Wohlfühlzone der Liga bleibt kein Selbstgänger.

"Der Blick geht nur nach oben"; sagte Torschütze Bruma, der fast in gleichem Atemzug einschränkte: "Bei einem Sieg in Hannover hätte man sagen können: Der HSV ist zurück! So muss man erst mal abwarten." In den Partien gegen die direkten Konkurrenten Nürnberg (15 Punkte), Mainz (15) sowie zum Abschluss der Hinrunde Augsburg (11) stehen die Hamburger weiter unter Druck, im Wissen um neu gewonnene Stärken nicht nachlässig zu werden, sondern weiter am Projekt Aufschwung zu arbeiten. Schließlich hat der HSV in den fünf Ligaspielen unter Fink zwar nicht verloren, aber eben auch nur einmal gewonnen. Zu viele "ärgerliche Punktgewinne" wie in Hannover helfen dem HSV aber auf Dauer nicht weiter.