Nach großen Startschwierigkeiten zu Saisonbeginn entwickelt sich HSV-Torwart Jaroslav Drobny zum Rückhalt im Abstiegskampf.

Hamburg. Noch vor einigen Wochen hätte diese Meldung in Hamburg für heftige Diskussionen gesorgt: Bei den Los Angeles Galaxy um David Beckham verabschiedete sich der frühere HSV-Torwart Frank Rost mit New York Red Bulls nach dem 1:2 im Viertelfinal-Rückspiel (Hinspiel 0:1) aus den Play-offs. Die Saison für den 38-Jährigen ist damit gelaufen, sein Vertrag läuft aus, seine Zukunft völlig offen. Somit wäre er prinzipiell frei für eine Rettungsaktion wie im Januar 2007, als der HSV tief im Abstiegskampf steckte und Rost der völlig verunsicherten Mannschaft die nötige Portion Sicherheit verpasste.

Doch die Kritiker, die bereits forderten, dass der HSV so schnell wie möglich einen neuen Torwart verpflichten müsse, um die Klasse zu halten, sind verstummt, nachdem einige noch vor Kurzem mit reichlich Häme ihre Abneigung zum Ausdruck gebracht hatten. Gerade einmal eineinhalb Monate ist es her, dass Jaroslav Drobny während eines Testkicks gegen Landesligaklub Concordia bei jedem Ballkontakt mit höhnischem Applaus bedacht worden war. Es war die gnadenlose Abrechnung der eigenen Fans nach einem verpatzten Start des Tschechen als Stammtorwart. Gegen Hertha (2:2) und Köln (3:4) hatten schwere Fehler des Keepers zu Punktverlusten geführt.

Wer damals darauf gewettet hätte, dass Drobny jetzt schon mit Sprechchören von den Anhängern auf den Stehplätzen gefeiert wird, hätte wohl viel Geld verdienen können. Aber offensichtlich gerade noch rechtzeitig zeigte seine Leistungskurve nach oben. Nach einem starken Auftritt in Freiburg, wo er den 2:1-Sieg mit starken Paraden rettete, präsentierte er sich auch in den Heimspielen gegen Wolfsburg (1:1) und Kaiserslautern (1:1) verbessert.

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Reden mag Drobny über diese schwere Zeit nicht gern. Nach dem glücklichen Pokalsieg in Trier reagierte er, freundlich formuliert, einsilbig auf Fragen nach der jüngsten Vergangenheit ("Ich schaue nicht zurück"), einzig in der "Sportbild" ließ er sich mit den Worten zitieren, dass es wichtig gewesen sei, dass die Mannschaft in dieser Phase zu ihm gestanden habe.

Dieses öffentliche Bild des zurückhaltenden, fast scheuen Menschen entspricht dabei so gar nicht dem Typen, der beim HSV für ein gutes Klima sorgt und sich sogar auch mal traut, einen Flachs Richtung Trainer oder Sportchef loszulassen. "Er ist schon ein lustiger Kauz", charakterisiert ihn Kapitän Heiko Westermann, während ihn Ronny Teuber als "offen und kommunikativ" kennengelernt hat. Drobnys Kollegialität zahlte sich aus: Für den Torwarttrainer war es bemerkenswert, wie die Ersatztorhüter Sven Neuhaus und Tom Mickel ihren Rivalen anfeuerten und tatkräftig unterstützten, damit dieser aus der persönlichen Krise wieder herausfinden konnte. "Drobo hat gelitten wie ein Hund", macht Teuber kein Geheimnis daraus, wie sehr es den 32-Jährigen beschäftigte, dem Team nicht wie gewünscht helfen zu können.

Wer sich an die Vorsaison erinnert, versteht besser, warum sich Drobny auch jetzt, wo es für ihn besser läuft, zurückhält. Im Sommer vergangenen Jahres sollte der Torhüter nach dem (heimlichen) Wunsch des damaligen HSV-Vorsitzenden Bernd Hoffmann den Platz des unbequemen Rost erobern, doch der frühere Trainer Armin Veh entschied sich gegen Drobny und für den Platzhirsch, was auch von den meisten Hamburger Medien so gefordert worden war.

Nach einer Saison quasi ohne Spielpraxis - 2010/11 kam er gerade mal auf fünf Einsätze - zwang ihn während der Vorbereitung in diesem Sommer ein Rippenanbruch zu einer dreiwöchigen Pause. Als dann wie beschrieben der Start misslang, verschwand der Rest des ohnehin schon gering vorhandenen Selbstvertrauens. Doch mit Teubers Hilfe arbeitete Drobny am Beheben seiner Schwächen. Zu Hause am Computer analysierte er Spielszenen, die ihm der Torwarttrainer zusammengeschnitten hatte, und erarbeitete spezielle Trainingsübungen. Doch es bedurfte einiger Paraden in den jüngsten Spielen, um wieder Vertrauen in die einstige Stärke zu gewinnen: "Das hat er sich auf dem Platz mit seinen Leistungen zurückgeholt", sagt Westermann. Doch jetzt, in der Phase des Aufschwungs, große Reden zu schwingen und in Richtung seiner Kritiker auszuteilen ist nicht sein Ding, er mag ganz einfach die Klischees des Geschäfts inklusive der Auferstehung von zuvor tief gefallenen Fußballhelden nicht bedienen.

Weiter Leistung zu zeigen ist auch wichtiger. Als Rückhalt wird Drobny gerade am Sonnabend bei Bayer Leverkusen (18.30 Uhr) mehr denn je gebraucht, schließlich fallen mit Jeffrey Bruma (Muskelfaserriss) sowie Slobodan Rajkovic (Rotsperre) zwei Innenverteidiger aus, weshalb Westermann mit dem bislang wenig überzeugenden Michael Mancienne das Bollwerk in der Zentrale bilden soll. Der Weg Drobnys könnte Mancienne als Vorbild dienen. "Nach meinem Faserriss kam ich außer Tritt und hoffe nun, dass ich diese neue Chance ergreifen und der Defensive Stabilität verleihen kann", sagte der Engländer vor der Abfahrt.

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