Der Sportchef des HSV erhält vom Aufsichtsrat grünes Licht für Nachbesserungen des Kaders und stellt sich hinter Trainer Oenning.

München. Das 0:5 gegen Bayern München war noch keine Stunde besiegelt, da hatte Frank Arnesen seinen Humor wiedergefunden. "Ich kann mich gut daran erinnern, dass ich auch schon mal mit meiner Mannschaft fünf Tore kassiert habe. Nebenbei bemerkt, das Tor für uns habe damals ich erzielt", erzählte der Däne leise lächelnd, um so indirekt darauf hinzuweisen, dass der HSV nicht gegen irgendein Team, sondern eben gegen die großen Bayern eine Lehrstunde erhalten hatte. Die Leistung des deutschen Rekordmeisters ordnete der HSV-Sportdirektor mit dem Prädikat "Weltklasse" ein.

Die aktuelle Tabelle

Erstaunlich war nicht nur Arnesens gutes Gedächtnis. Am 22. Oktober 1980 verlor er mit Ajax Amsterdam noch mit 1:5, nachdem er den Führungstreffer erzielt hatte (37.). Vielmehr stellte sich der 54-Jährige mit dieser Aussage demonstrativ auf eine Stufe mit der vom Platz geprügelten, hilflosen Mannschaft. So sieht Rückendeckung aus.

Arnesen wusste natürlich genau, dass er nun als Krisenmanager gefragt war. Und er wählte in der Öffentlichkeit die offensive Variante. "Wir reden über Menschen, nicht über Roboter", verteidigte er das Versagen der Spieler. "Wir haben gesagt, dass wir den Umbruch wollen und vollziehen müssen. Hinter dieser Entscheidung stehe ich noch immer, deshalb stehe ich auch absolut hinter Michael Oenning und der Mannschaft. Der Vorstand muss jetzt Unterstützung geben, und das will ich auch, weil ich sehe, dass gute Arbeit beim Training geliefert wird." Seine Aussage wirkte glaubwürdig. Wie stressresistent dieser Treueschwur aber ist, sollten die Ergebnisse und Lerneffekte innerhalb der Mannschaft in der näheren Zukunft weiter ausbleiben, muss allerdings abgewartet werden.

DAS SPIEL IM LIVETICKER

Wer in der jüngsten Vergangenheit regelmäßig die Trainingseinheiten des HSV verfolgte, konnte feststellen, dass Arnesen kaum einmal fehlte. Viermal schaute er sich vor dem Bayern-Spiel die Übungen der Spieler an, suchte das Gespräch mit Oenning. "Kommunikation ist das Wichtigste, das habe ich auch den Spielern gesagt. Sie sind gefordert, sich auch untereinander auszutauschen", forderte Arnesen, gemeinsam daran zu arbeiten, die offensichtlichen Defizite möglichst schnell zu beheben. Speziell, wenn der HSV eine schwere Phase durchlaufe wie derzeit, sei es essenziell, ruhig zu bleiben und zusammenzustehen. Wie viel Zeit man sich geben könne, wollte Arnesen nicht konkret beantworten: "Zeit ist für mich unwichtig. Wichtig ist, dass wir gut arbeiten, dass wir Verbesserungen sehen und mit unseren Spielern lernen. Wenn wir nicht mehr arbeiten, wäre es etwas anderes. Aber das habe ich nicht gesehen. Nicht eine Sekunde." Außerdem sei er kein Mensch, der die Dinge im Abstand von ein, zwei Wochen neu bewerte, sondern eher in Blöcken von drei Monaten denke.

Auf die Frage, ob es auch eine Option sei, bis zum Ende der Transferperiode am 31. August noch einmal aktiv zu werden, flüchtete sich Arnesen direkt nach dem Abpfiff erneut in die Abteilung Humor. "Eine sehr gute Idee", entgegnete er zunächst, um dann dem Fragesteller die Hand entgegenzustrecken: "Kannst du mir Geld leihen?"

Dass in der Vereinskasse keine Notgroschen mehr vorhanden sind, ist längst kein Geheimnis mehr. Nach den knapp sechs Millionen Euro Minus in der abgelaufenen Saison kalkuliert der Klub derzeit mit einem weiteren Minus von etwa sieben Millionen Euro. Dieser Betrag ist jedoch nur ein Schätzwert und abhängig von weiteren Einnahmen im DFB-Pokal oder möglichen Spielertransfers - in beide Richtungen.

Vom Aufsichtsrat gibt es bereits das klare Signal, eventuelle Vorschläge Arnesens, doch noch einmal kurzfristig auf dem Transfermarkt aktiv zu werden, wohlwollend zu prüfen. "Wenn uns der Vorstand ein überzeugendes Konzept vorschlägt, werden wir natürlich darüber reden", sagt der Aufsichtsratsvorsitzende Otto Rieckhoff, der die Blamage gegen die Bayern mit 30 Freunden im eigenen Wohnzimmer verfolgte. "Ich persönlich würde derartigen Vorschlägen sehr offen gegenüberstehen." Bis zum Ende des Monats habe er sich jedenfalls vorsichtshalber nichts vorgenommen, gewährte Rieckhoff einen Blick in seinen Terminplan.

Größten Handlungsbedarf sehen die Verantwortlichen des HSV nach wie vor im zentral-offensiven Mittelfeld. Arnesen hatte bereits während der Sommerpause zu zwei Kandidaten Kontakt aufgenommen, die er immer noch sehr gerne zum HSV holen würde. Brasiliens U-20-Nationalspieler Oscar dos Santos Emboaba Junior (Internacional Porto Alegre) empfindet Arnesen genauso als Soforthilfe wie Arsenal Londons Nicklas Bendtner, 23. "Ich werde den FC Arsenal verlassen", hatte Bendtner, mit dem Hamburgs Sportchef im Sommer mehrfach gesprochen hatte, unlängst verkündet.

Nimmt man jedoch die bisherigen Auftritte des HSV als Maßstab, müsste Arnesen in jedem Bereich nachbessern, vor allem in der Defensive. Ganz klar: Arnesen ist jetzt gefragt, die richtigen Entscheidungen zu treffen.