Der Nationalspieler hat sich mit dem FC Bayern fast für die Champions League qualifiziert. Dennoch gibt es Unruhe vor dem Duell gegen den HSV.

München. Endlich konnte Jerome Boateng mal ausschlafen. Gestern bat Trainer Jupp Heynckes den Abwehrchef des FC Bayern und seine Kollegen erst am Mittag zum Training an die Säbener Straße. Für die Einrichtung seiner neuen Wohnung konnte der ehemalige HSV-Verteidiger den Vormittag trotzdem nicht nutzen - er wohnt in München noch im Hotel. Dort verarbeitete er den vorherigen Abend.

Eigentlich war er erfolgreich gewesen. 2:0 (1:0) hatten sie das Hinspiel der Qualifikation zur Champions League gegen den FC Zürich durch Tore von Bastian Schweinsteiger (8.) und Arjen Robben (72.) gewonnen, Boateng hatte im ersten internationalen Auftritt nach seinem Wechsel von Manchester City an die Isar (13,5 Millionen Euro Ablöse) eine solide Leistung geboten. Dennoch war der laue Sommerabend in der Allianz-Arena längst nicht so harmonisch verlaufen, wie das Ergebnis vermuten lässt.

Der Fernsehsender Sat.1 berichtete, dass Präsident Uli Hoeneß in der Halbzeitpause in die Kabine gestürmt sei. Und auch Robbens Aussagen ließen auf einen Wutausbruch Hoeneß' schließen: "Das waren einfach Emotionen, das gehört zum Fußball. Vergangene Saison haben wir jeden Moment darüber gesprochen, dass wir nicht Europa League spielen wollen, dann muss man das auch mal auf dem Platz zeigen."

Und so wurde der ehemalige Nationalstürmer Hoeneß am Mittwochabend zum Führungsspieler a. D., er trieb die Mannschaft an und zeigte mit seinen Emotionen schon auf der Tribüne das, was viele Zuschauer im Stadion und vor den Fernsehern dachten: Der FC Bayern München muss doch mehr können, als er in den ersten Wochen der Saison geboten hat.

Ein 2:0 ist gut, aber nicht genug, um dem Rückspiel am Dienstag in Zürich völlig gelassen entgegenzublicken. "Wir hoffen, dass es kein heißer Tanz wird", sagte Boateng. Zunächst aber müsse sich die Mannschaft auf das Spiel gegen den HSV am Sonnabend (15.30 Uhr, Sky) konzentrieren.

"Viele Spieler haben den Verein verlassen. Obwohl nicht mehr so viele alte Kollegen von mir beim HSV spielen, ist es etwas Besonderes für mich. Es ist ein anderes Spiel mit anderen Emotionen, auf das ich mich sehr freue. Ich hatte schöne Jahre in Hamburg und habe dem HSV viel zu verdanken", so Boateng. Und er warnt seine neuen Kollegen: "Es ist schwer zu sagen, wo der HSV steht. Auf jeden Fall dürfen wir ihn nicht unterschätzen."

Nach dem nicht überzeugenden Spiel gegen Zürich ist dies ohnehin nicht angebracht. Die Fans erwarten jedenfalls mehr, sie pfiffen zur Halbzeitpause. "Die Zuschauer haben zu Recht gepfiffen. Wir müssen realisieren, dass wir noch nicht gut genug spielen. Das müssen wir verbessern, sonst wird es diese Saison ganz schwierig", sagte Robben. Wie die angeschlagenen Franck Ribéry und Mario Gomez trainierte er gestern wegen erneuter Rückenprobleme nur im Kraftraum. Gegen den HSV wird er aber aller Voraussicht nach spielen können. "Wir brauchen mehr Leidenschaft", so Robben. Er hat Hoeneß verstanden.

Das Spiel gegen den HSV wird zeigen, wie schnell die Mannschaft die Forderungen der Vereinsführung umsetzen kann. Ob Hoeneß die Wortführer Schweinsteiger und Philipp Lahm gestärkt hat, ist fraglich. Der Ex-Bayern-Torwart Oliver Kahn hat von ihnen gerade mehr klare Worte gefordert, ihm fehlen die Führungsspieler. "Alles Käse", hatte Hoeneß gesagt. Warum aber muss er dann die Mannschaft wachrütteln? Tun es Schweinsteiger und Lahm nicht? Holger Badstuber berichtete, dass die Spieler in der Kabine sehr wohl genug kommunizieren: "Wir haben uns in der Halbzeit gegenseitig gepusht."

Thomas Müller erlebte das als Ersatzspieler. Heynckes hatte ihn aus der Startelf genommen und Toni Kroos spielen lassen - der enttäuschte. Müller wechselte der Trainer erst in der 57. Minute ein, der sonst so fröhliche Stürmer verließ wortlos das Stadion.

Dazu Hoeneß' Wut, die Pfiffe der Fans und die Kritik von Kahn: Die Tage rund um das Zürich-Spiel waren turbulent. Gomez bezeichnete die Stimmung im Stadion als "komisch". Der Verein hofft, dass sich die Gemengelage in den nächsten Partien leistungsfördernd auswirkt. Motto: Den Kritikern zeigen wir es jetzt erst recht. Boateng hat sich viel vorgenommen: "Ich fühle mich gut, und es ist wichtig für mich, Spielpraxis zu sammeln. Dann werde ich wieder ganz der Alte sein." Und so stark wie beim HSV. Nur das Trikot bleibt in jedem Fall ein anderes.