Nur noch Dennis Aogo vertritt den HSV am Mittwoch beim Länderspiel gegen Brasilien in Stuttgart (20.45 Uhr im Liveticker auf abendblatt.de).

Stuttgart. Zumindest im Fußball liegen zwei Welten manchmal näher zusammen, als man denken mag. Gerade mal drei Meter Luftlinie trennten Hamburgs Dennis Aogo und Dortmunds Mario Götze, als die Nationalspieler gestern Mittag im Konferenzsaal des Stuttgarter Hotels Le Meridien Platz nahmen. Aogo, drei Tage zuvor mit dem HSV beim deutschen Meister nach allen Regeln der Kunst vorgeführt, grüßte seinen Dortmunder Nationalelf-Kollegen freundlich, fühlte sich ein Glas Wasser ein und suchte dann doch etwas räumlichen Abstand. "Ich brauchte schon zwei Tage, um die Partie zu verdauen. Aber natürlich habe ich auch mit meinen Dortmunder Freunden über das Spiel vom Freitag geredet", sagte der Linksverteidiger, der im Kreise des DFB-Teams auf keine hilfreiche Unterstützung hoffen kann. Aogo ist der letzte von ursprünglich vier HSV-Nationalspielern (Piotr Trochowski, Marcell Jansen und Jerome Boateng), der als Hamburger für das Freundschaftsspiel gegen Brasilien (Mittwoch, 20.45 Uhr/ARD, Live-Ticker auf abendblatt.de) nominiert wurde. Er ist, etwas pathetisch ausgedrückt, der Letzte seiner Art.

"Es klingt vielleicht blöd, aber im Fußball geht alles immer sehr schnell", sagt Aogo, der nur wenig Lust verspürt, sich auf eine tiefgründige Ursachenforschung zu begeben, "es kann gut sein, dass auch ich beim nächsten Mal nicht mehr dabei bin, es kann aber genauso gut sein, dass beim nächsten Länderspiel wieder zwei oder drei Hamburger nominiert werden." Der gebürtige Karlsruher nippt an seinem Wasserglas, mittlerweile halb voll, aber keinesfalls halb leer. Die Liste potenzieller Nationalelf-Kandidaten, die vom HSV dabei sein könnten, ist nach Meinung des überzeugten Optimisten lang: Aogos Zimmerkollege Heiko Westermann gehöre trotz dessen Formtief natürlich dazu, auch Jansen habe gute Chancen, und sogar Dennis Diekmeier dürfe sich Hoffnungen auf ein baldiges Debüt machen: "Dennis hat außergewöhnliche Qualitäten. Wenn er eine gute Saison spielt, könnte er genauso überraschend ins EM-Aufgebot rutschen wie ich vor einem Jahr ins WM-Aufgebot."

Diekmeier selbst reagiert auf die Nationalmannschaftsdebatte wie auf dem Feld: Ball flach halten und Gas geben. "Natürlich ist die Nationalelf ein Traum von mir, aber zunächst muss ich meine Leistung im Verein bringen", sagt der Rechtsverteidiger, dessen Glück Aogos Pech werden könnte. Nach Philipp Lahms erzwungenem Seitenwechsel von der rechten auf die linke Abwehrseite bei Bayern München hat auch Löw den lahmschen Flügelwechsel im DFB-Team angekündigt. Somit wird auf Diekmeiers Abwehrseite noch ein Stammspieler gesucht, auf Aogos Seite nimmt die Konkurrenzsituation dagegen zu. "Sollte Philipp dauerhaft links zum Einsatz kommen, werde ich alles geben, ein guter Back-up für ihn zu sein", gibt sich Aogo, der mit dem am Knie verletzten Dortmunder Marcel Schmelzer um einen Platz kämpft, demütig. Laute Kampfansagen wird man in diesen Tagen auch vom formschwachen Westermann kaum zu hören bekommen. Er habe zuletzt im Mai mit Löw telefoniert, ihn damals um eine Auszeit gebeten, damit er seine Wehwehchen in Ruhe auskurieren könne, sagt der alte und neue HSV-Kapitän, der die Nationalmannschaft trotz seiner zuletzt schwankenden Leistungen noch lange nicht abgehakt hat. "Für mich geht es nun darum, mich durch Leistungen im Verein schnellstmöglich wieder zu empfehlen", sagt der 27-Jährige, der somit das gleiche Ziel wie Vereinskollege Jansen verfolgt. Auch der habe zuletzt im Mai mit Löw telefoniert, der Nationaltrainer habe ihm versichert, dass er nur fit zu werden brauche. "Jetzt bin ich fit", sagt Jansen, der nach eigenem Verständnis schon beim nächsten Länderspiel wieder dabei sein müsste.

Sorgen, dass der tief greifende Umbruch beim HSV auch die eigene Nationalelfkarriere kosten könne, scheint keiner der Aspiranten aus Hamburg zu haben. "Der Bundestrainer kann sehr gut einschätzen, was im Verein passiert und was man imstande ist, zu leisten", sagt Aogo, "keiner von uns muss sich Gedanken machen." Vielmehr verspürt der 24-Jährige große Vorfreude auf das Freundschaftsspiel gegen Brasilien, das er unter keinen Umständen als Freundschaftsspiel bezeichnen will: "Für mich ist es ein Traum, gegen Brasilien dabei zu sein. Bei so einem Gegner kann man nicht von Freundschaftsspiel sprechen, wir werden mit großen Ehrgeiz an die Sache gehen."

Sollte Aogo tatsächlich ein paar Einsatzminuten bekommen, darf er sich aller Voraussicht nach als direkten Gegenspieler auf das brasilianische Wunderkind Neymar, 19, freuen. "Der ist ja gerade in aller Munde, so einen Gegenspieler hat man nicht alle Tage", sagt der HSV-Profi, dessen Eltern am Mittwoch von der Tribüne aus die Daumen drücken. Auf einen möglichen Trikottausch mit dem von Real Madrid umworbenen Nachwuchsstar sei er aber nicht sonderlich scharf, aus dem Alter sei er schließlich raus. "Ich bin ja nicht zum ersten Mal bei der Nationalmannschaft dabei", sagt Aogo. Und hoffentlich auch nicht zum letzten Mal.