Neuverpflichtungen gibt es nur nach Spieler-Verkäufen. Die Transferverbindlichkeiten wurden aber auf nahezu die Hälfte gedrückt.

Finkenberg. Der Empfang hätte nicht herzlicher sein können. "Grüß dich, Burschi", begrüßte Hamburgs Kultmasseur Hermann Rieger HSV-Vorstand Carl-Edgar Jarchow und fiel ihm beim Vormittagstraining im verregneten Lindenstadion in die Arme. "Das Wetter könnte besser sein, aber ansonsten freue ich mich, endlich hier zu sein", sagte der HSV-Chef, der am Dienstagabend noch einen Pflichttermin in Hamburg hinter sich zu bringen hatte: "Bis 23 Uhr hatten wir eine Aufsichtsratssitzung. Aber aufregende Sachen wurden dort nicht besprochen."

Natürlich ist es Auslegungssache, was man als "aufregende Sache" beschreiben kann. Die Finanzen, die Jarchow und Vorstandskollege Joachim Hilke den Aufsichtsräten vorgestellt hatten, waren jedenfalls nicht so belanglos, wie es Jarchow hanseatisch zurückhaltend weismachen wollte.

Wie das Abendblatt erfuhr, rechnen die Verantwortlichen des HSV mit einem rund eine Million Euro höheren Minus der abgelaufenen Saison, das sich auf knapp fünf Millionen Euro summiert haben dürfte. Die gute Nachricht: Das prognostizierte Minus der kommenden Saison soll nach aktuellen Rechnungen weitaus geringer ausfallen als zuletzt befürchtet. So schaffte es der Vorstand in kürzester Zeit, die 14 Millionen Euro Transferverbindlichkeiten durch eine Vielzahl von Sparmaßnahmen und nicht erwarteter Sponsorenabschlüsse nahezu zu halbieren. Endgültige Entwarnung wollte Jarchow aber nicht aussprechen: "Wir haben nur dann einen finanziellen Spielraum für Neuverpflichtungen, wenn wir auch weitere Spieler abgeben."

+++ Kommentar: HSV-Sparkurs ohne Alternative +++

Die Spekulationen englischer Zeitungen über eine Verpflichtung von Liverpools Joe Cole, der wöchentlich 100 000 Euro verdienen soll, hat Jarchow folglich "eher belustigt" zur Kenntnis genommen. Den ganz konkreten Wunsch Frank Arnesens nach einem zentralen Mittelfeldspieler kennt der Vorstandsvorsitzende dagegen genauso wie die Gespräche des Sportchefs mit Arsenal Londons Topverdiener Nicklas Bendtner. "Ich weiß wirklich nicht, wie wir so etwas im Moment wuppen sollen", sagt Jarchow, der es sich zum Ziel gemacht hat, den Gehaltsetat von knapp 48 Millionen Euro auf bis zu 32 Millionen Euro zu senken: "Wir sind auf einem guten Weg dahin."

Als kleinen Stimmungsdämpfer auf dem bislang erfolgreichen Weg der Sanierung empfand Jarchow die Einnahmen aus den Verkäufen der Streichkandidaten. So fiel die "Netto"-Ablöse für Jonathan Pitroipa, der für 3,5 Millionen Euro zu Stade Rennes gewechselt war, nach Abzug der sechsstelligen Beraterhonorare weitaus geringer aus.

Auch die erzielten Einnahmen aus den Verkäufen Joris Mathijsens, David Rozenahls und Alex Silvas waren bescheiden: "Ich habe nicht vergessen, dass wir für Silva und Rozehnal mal sehr viel Geld gezahlt haben", sagt Jarchow, der als Grund die aktuellen Finanzsorgen vieler Klubs ausgemacht hat: "Es werden nur noch wenige große Summen auf dem Transfermarkt investiert - mal abgesehen von Bayern." So erinnert Jarchow daran, dass auch andere Klubs monetäre Sorgen haben: "Werder muss auch erst mal verkaufen, bevor die etwas holen dürfen. Und Schalke hat viel größere finanzielle Probleme als wir." Und damit das auch so bleibt, fliegt Jarchow bereits heute Abend wieder zurück.