Während sich die HSV-Mannschaft im Zillertal auf die neue Saison vorbereitet, bastelt Sportchef Frank Arnesen weiter am Team der Zukunft.

Finkenberg. Mit so einem Rummel hatte Jeffrey Bruma, 19, nicht gerechnet. "Was ist denn hier los?", fragte Hamburgs jüngster Neuzugang erstaunt, als er mit der Mannschaft am acht Kilometer vom Sporthotel Stock entfernten Trainingsplatz in Hippach ankam. Mehr als 700 Fans ließen es sich nicht nehmen, die erste HSV-Einheit des Zillertal-Trainingslagers im Lindenstadion feuchtfröhlich mit Sprechchören, Szenenapplaus und jede Menge Vormittagsbier zu begleiten. "Bei Chelsea habe ich so etwas beim Training noch nie erlebt. Die haben ihren Spaß, auch wenn einige ein bisschen besoffen sind", sagte Bruma, der besonders von der 15-köpfigen Gruppe auf der Sonnenseite des Trainingsplatzes, die ohne T-Shirts, aber mit ordentlich Promille für Mallorca-Stimmung in den Bergen sorgte, beeindruckt schien.

Dass der nüchterne Spaß auch auf dem Platz nicht zu kurz kommt, dafür soll in erster Linie Trainer Michael Oenning sorgen. Nach dem fünftägigen Kurztrip nach Sylt will der Chefcoach seiner verjüngten Mannschaft beim achttägigen Betriebsausflug in die Alpen nun den Feinschliff verpassen für den nächsten Anlauf auf die vorderen Plätze in der Liga. "Ich habe bereits einen sehr positiven ersten Eindruck", stellte Oenning fest, nachdem seine Jungs quasi auf der Durchreise den FC Ingolstadt mit 4:2 bezwungen hatten. Das Fazit des Zwischenstopps: Nach vorne spielen die Hamburger Youngster schon einen sehr gepflegten Ball, in der neu formierten Defensive ist noch Spielraum nach oben. "Je länger die Partie lief, desto besser haben sich Michael und Jeffrey eingefügt", lobte Oenning trotzdem die neuen Innenverteidiger Bruma und Mancienne, die in Kürze Konkurrenz vom noch angeschlagenen Heiko Westermann bekommen.

+++ Guerrero und Rincon überzeugen bei der Copa America +++

"Ich weiß, was ich kann", zeigte sich Bruma unbeeindruckt vom erwarteten Dreikampf im Abwehrzentrum. Und während die Stammplätze rechts (Dennis Diekmeier) und links (Dennis Aogo) in der Viererkette vergeben sind, dürfte das Hauen und Stechen im Dreier-Mittelfeld vor der Abwehr spannend werden. Gegen Ingolstadt teilten sich Robert Tesche, Gojko Kacar und David Jarolim die Aufgaben in der Zentrale, Alternativen sind der in Südamerika weilende Tomas Rincon und Bald-Neuzugang Per Ciljan Skjelbred.

Allerdings glaubt HSV-Sportchef Frank Arnesen nicht daran, seinen vielseitigen "Box-to-Box-Player" noch vor dem 3. August - dem zweiten Champions-League-Qualifikationsspiel seines Noch-Arbeitgebers Rosenborg Trondheim - an die Elbe zu lotsen, obwohl die Norweger mit Mohammed Awal Issah (Roter Stern Belgrad) einen potenziellen Nachfolger im Blick haben. Rosenborg habe noch neun Pflichtspiele im Juli zu bestreiten, da sei Geduld gefragt, sagte Arnesen. "So einen wie Per brauchen wir noch. Er ist intelligent, lässt sich auf engem Raum nicht unter Druck setzen und läuft viel" lobte der Däne den Mittelfeldallrounder, der ablösefrei im Januar oder für knapp 900 000 Euro im August kommen wird.

Skjelbred, 24, soll aber nicht der letzte Neuzugang bleiben. "Wir wollen noch einen Kreativspieler im Mittelfeld holen", bestätigte Arnesen, der bereits mehrere Kandidaten im Auge hat. So nutzte der Neu-Sportchef seinen 36-Stunden-Ausflug nach Brasilien, wo er den Verkauf Alex Silvas vorantreiben wollte (siehe Rand), um alte Kontakte aus seiner Zeit als Chelsea-Manager zu intensivieren. Besonders hilfreich dürfte dabei die Bekanntschaft zu Berater Giuliano Bertolucci sein, der seinerzeit die Transfers der Brasilianer Alex und David Luiz nach Chelsea erfolgreich einfädelte. Bertoluccis neuster Rohdiamant hat den klangvollen Namen Oscar dos Santos Emboaba Junior, ist 19 Jahre alt, spielt bei Internacional Porto Alegre und ist, wie es der Zufall so will, ein Kreativspieler im offensiven Mittelfeld. Er habe sich mit der Personalie beschäftigt, bestätigte Arnesen, aber zumindest aktuell sei Oscar kein ernsthaftes Thema. Statt eines weiteren Talentes wolle er lieber einen erfahreneren Profi verpflichten, der seiner neu zusammengestellten Rasselbande Halt gibt. Die Gerüchte, der HSV wolle Liverpools Joe Cole ausleihen, wurden dementiert.

+++ Wechselposse um Verteidiger Alex Silva +++

Der noch fehlende Mittelfeldregisseur dürfte also das letzte Puzzleteil des neuen HSV sein. Im Angriff, das hat auch der Test gegen Ingolstadt gezeigt, ist die Mannschaft von Trainer Oenning schon jetzt vielversprechend besetzt. Obwohl Paolo Guerrero (Copa de América), Mladen Petric (Aufbautraining) und Marcus Berg (Rehatraining) noch fehlten, machten Eljero Elia (links), Änis Ben-Hatira (rechts) und Heung Min Son (zentral) ihre Sache im Dreiersturm mehr als ordentlich. Zudem soll Marcell Jansen - zumindest in einem 4-4-2-System - eine echte Alternative im linken Mittelfeld sein. Gute Laune - ob mit oder ohne Pegel - ist somit auch in den kommenden Tagen garantiert.

HSV in Ingolstadt: Mickel - Diekmeier (82. Götz), Mancienne (58. Besic), Bruma (84. Labus), Aogo (58. Jansen) - Tesche (78. Nagy) - Jarolim, Kacar - Ben-Hatira ( (88. Behrens), Elia (88. Bertram) - Son (64. Töre). Tore: 0:1 Jarolim (20.), 0:2 Son (22.), 0:3 Kacar (29.), 1:3 Pisot (40.), 1:4 Kacar (57.), 2:4 Leitl (60.). Zuschauer: 4539.