Marcell Jansen versucht wie auch Dennis Diekmeier beim HSV einen Neustart. Schon vor dem offiziellen Trainingsstart schwitzte Jansen in den USA.

List/Flensburg. Beim Vorbereitungsspiel in Flensburg gegen den VfL Wolfsburg standen Dennis Diekmeier und Marcell Jansen 90 Minuten auf dem Platz. Das deftige 1:5 konnte auch das Duo nicht verhindern. Diekmeier zeigte als Rechtsverteidiger nur zwei gute Flankenläufe, Jansen konnte als Linksverteidiger keine Akzente setzen.

In diesen Tagen ist häufig von der Verjüngungskur beim HSV die Rede, die am Sonntag noch wirkungslos blieb. Der Name Diekmeier fehlt in diesen Aufzählungen, obwohl er im Grunde ebenfalls als Neuzugang geführt werden müsste. Nach seinem Wechsel aus Nürnberg 2010 kam Diekmeier nur im letzten Viertel der Saison zu acht Einsätzen. Erst ein Bänderriss, dann zwei Operationen wegen eines Fersensporns setzten ihn monatelang matt.

In dieser Vorbereitung jedoch will der 21-Jährige beweisen, zu welch einem Trumpf er sich entwickeln könnte, sollte er von Verletzungen verschont bleiben. Wie schwer es ist, seinen Hochgeschwindigkeitsfußball zum Abschluss zu bringen, zeigte sich beispielhaft gegen Wolfsburg. Gefragt nach seiner Bestzeit, schüttelt er den Kopf: "Kenne ich nicht. Aber ich war auch in der Schule immer klar der Schnellste. Ob Tennis, Badminton oder Squash, Sport gehörte immer zu meinem Leben." Und das, obwohl er seit dem sechsten Lebensjahr an Asthma leidet und täglich ein Medikament einnehmen muss.

Klar, dass seine Qualitäten schon beim TSV Verden erkannt wurden. "Früher lief ich im Sturm auf", erzählt Diekmeier, "das lief dann meistens so ab, dass ich steil geschickt wurde und abging." Erst in der U 19 von Werder Bremen beorderte ihn der damalige Trainer Mirko Votava auf die rechte Außenverteidigerposition. Nur anfänglich hatte er noch so seine Schwierigkeiten mit der neuen Aufgabe. Er durchlief die Junioren-Mannschaften beim DFB und war auch dort in den Sprinttests meist unüberwindbar, vor allem bei den längeren Strecken ab 60 Meter.

Im Grunde wäre er mit seinen Fähigkeiten wie gemalt für die vakante rechte Seite im A-Team von Joachim Löw, doch dazu müsste er verletzungsfrei bleiben und konstant gut spielen, weshalb dieses Thema für ihn noch keines ist: "Der HSV ist das Wichtigste für mich. Alles andere kann dann ganz schnell gehen." Dabei ist gerade bei Diekmeier und den anderen Jungen Geduld gefragt, nicht alles nach einer Niederlage infrage zu stellen.

Häufiger Gesprächs- und Freizeitpartner beim HSV ist Jansen, obwohl Diekmeier mit dem Linksfuß sein schlimmstes Erlebnis verbindet: "Beim 0:4 mit Nürnberg 2009 war ich richtig schlecht, während Marcell aufgezogen hat. Aber ich verstehe mich super mit ihm." Auf Sylt lieferten sich Jansen und Diekmeier mehrfach Pokerrunden.

Jansen spielt bereits seine vierte Saison beim HSV und hat mit seinen 25 Jahren bereits an drei Großturnieren (WM 2006 und 2010, EM 2008) teilgenommen. Doch wie Diekmeier vesucht er nach zwei durchwachsenen Jahren beim HSV einen Neustart. Nachdem er sich mit großem Willen einen Platz im Südafrika-Kader erkämpft hatte, fiel Jansen "in ein tiefes Loch" und zahlte einen hohen Preis für seine WM-Teilnahme. Viruserkrankung, Zehenbruch, Achillessehnen-Probleme, Grippe, Hüftprobleme, so lautet seine jüngste Krankenakte. Zuletzt war für ihn auch beim DFB kein Platz mehr. Jetzt hat Jansen ganz bewusst einen Punkt hinter die vergangenen sieben Jahre gesetzt. "Ich habe viel gelernt aus dieser Zeit, die wie in Sekunden vorbeigegangen ist. Nun folgt der zweite Abschnitt, ich möchte gerne noch sieben Jahre spielen." Bei seinem Neustart hofft Jansen darauf, dass er endlich einmal verletzungsfrei bleibt und sich so in den Kader für die EM 2012 kämpft.

"Häufig wird unterschätzt wie beschwerlich es ist, nach Verletzungen wieder den Anschluss zu bekommen", sagt der Linksfuß, "das ist so, als ob man eine Woche krank war und dann wieder aufs Fahrrad steigt und sich einen Wettbewerb mit den Kollegen liefern muss, die in dieser Zeit fleißig waren. Talent und Wille spielen im Fußball zwar eine große Rolle, auf Dauer brauchst du aber eine gewisse Grundlage." Vor dem Trainingsstart hat sich Jansen bei DFB-Physiotherapeut Shad Forsythe acht Tage gezielte Vorarbeit geleistet, damit sich bald auch bei ihm die Dynamik in seinen Flankenläufen wieder einfindet. Wie auch bei Diekmeier.