Nach dem 0:0 gegen 96 verabschiedet sich der HSV von allen europäischen Träumen. Trainer Michael Oenning darf trotzdem bleiben.

Hamburg. Gewöhnlich haben Fans ein feines Gespür für die Befindlichkeiten ihrer Mannschaft. So dauerte es auch am Sonnabend nur wenige Sekunden nach dem Schlusspfiff, ehe das triste 0:0 zwischen dem HSV und Hannover 96 mit lautstarkem Beifall beschlossen wurde. Mit "Europapokal! Europapokal!"-Rufen feierten die Anhänger ihre Helden, die zwar kein Tor geschossen, dafür aber 90 Minuten gekämpft und im Großen und Ganzen auch klug agiert hatten. Als Fazit des torlosen Nachmittags durfte also festgehalten werden, und da waren sich alle Protagonisten einig, dass dieses Team reif für den internationalen Wettbewerb ist. Dieses Team, und das war zumindest aus Hamburger Sicht die schlechte Nachricht des Tages, war Hannover 96. Die Profis des HSV, die mit dem dritten sieglosen Spiel in Folge auch die letzten Europapokalhoffnungen begraben mussten, waren zu diesem Zeitpunkt dagegen längst in den Katakomben der Arena verschwunden.

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"Für unsere Idee, nach Europa zu kommen, hilft uns dieses Ergebnis wenig", stellte Trainer Michael Oenning etwas später ernüchtert fest. "Eigentlich dürfen wir uns in den letzten Spielen nun keinen Fehler mehr erlauben." Im Klartext bedeutet das, dass der HSV seine letzten vier Partien gegen Stuttgart, Freiburg, Leverkusen und Gladbach gewinnen und gleichzeitig auf Ausrutscher von Mainz und Nürnberg hoffen muss. Ein Vorhaben, das nach dem bisherigen Saisonverlauf so wahrscheinlich wie eine Erdnussallergie bei A-Hörnchen und B-Hörnchen ist.

Mit einer schnellen Rückkehr in den internationalen Wettbewerb scheint in Hamburg ohnehin niemand ernsthaft zu rechnen. "Wir haben die Qualifikation für Europa nicht gegen Hannover verspielt", stellte Kapitän Heiko Westermann treffend fest. Die Partie gegen 96 war eine passende Blaupause für die gesamte Saison, in der den Profis in guten Momenten der Wille zwar nicht abgesprochen werden konnte, in schlechten aber sehr wohl das Können. So schien beispielsweise Eljero Elia, der noch vor zehn Monaten für zweistellige Millionenbeträge von ganz Europa umworben wurde, auch gegen Hannover vor Ehrgeiz nur so zu sprühen. Allerdings vergaß der glücklose Niederländer ähnlich wie ein Großteil der anderen Hamburger bei seinen Bemühungen immer wieder eine essenzielle Kleinigkeit: das Fußballspielen.

"Realistisch betrachtet wird es für uns nun sehr schwer werden", sagte Joachim Hilke, der unter dem Eindruck des so gut wie sicher verpassten internationalen Wettbewerbs gemeinsam mit seinen Vorstandskollegen noch in dieser Woche eine Entscheidung in der noch immer offenen Trainerfrage treffen muss. Etwas überraschend hatte Noch-Sportchef Bastian Reinhardt nach der Partie verkündet, dass die seit Langem angedachte Beförderung Oennings nun nicht mehr so sicher sei. "Die Entscheidung kann auch anders ausfallen", sagte Reinhardt der "Mopo am Sonntag" - und löste damit heftiges Kopfschütteln in der Chefetage aus. Zwar hat Hamburgs designierter Sportchef Frank Arnesen, der diese Woche nach Hamburg kommen wird, noch immer kein endgültiges Urteil gefällt, aber alles andere als ein neuer Vertrag für Oenning würde bei Arnesens baldigen Vorstandskollegen Carl Edgar Jarchow, Hilke und Oliver Scheel für große Verwunderung sorgen. "Ich gehe davon aus, dass zeitnah irgendeine Entscheidung getroffen wird", sagte Oenning, der noch einen laufenden Vertrag als Assistent bis 2012 hat.

Sollte der Coach aber wie geplant noch in dieser Woche seinen neuen Vertrag unterschreiben, kann und muss er sich umgehend an den Neuaufbau der Mannschaft machen. Ein Großprojekt, das ein erhöhtes Maß an Kreativität erfordert. Ohne europäische Perspektive, das weiß auch Oenning, ist der Fußballstandort Hamburg für Toptalente wie Nürnbergs Ilkay Gündogan, den es wohl nach Dortmund zieht, nicht mehr attraktiv. Erschwerend hinzu kommt die unschöne Tatsache, dass den ohnehin leeren Klubkassen die erwarteten Europapokaleinnahmen von rund fünf Millionen Euro nun fehlen.

Zu viel Schwarzmalerei wollte nach dem vierten Spiel in Serie ohne Niederlage dann aber auch kein Hamburger hören. "Es ist noch nicht vorbei", sagte Mladen Petric, der nach dem internationalen Sabbatjahr nur zu gern auf die europäische Bühne zurückkehren würde. Positiv aus Hamburger Sicht kann nach dem Remis gegen Hannover aber nur eins festgehalten werden: Der Abstieg ist seit diesem Wochenende auch rechnerisch nicht mehr möglich. Für großen Applaus der eigenen Fans reicht dieses Fazit allerdings nicht.