HSV-Marketingvorstand Joachim Hilke hofft trotz fehlender Gelder auf die Geduld der Fans und erklärt, warum ein Verein keine Marke sein kann.

Hamburg. Vier Wochen hatte sich Marketingvorstand Joachim Hilke, 43, Zeit genommen, bevor er dem Abendblatt sein erstes großes Interview gab. Das gestrige Gespräch verlegte der Nachfolger von Katja Kraus kurzfristig ins Stadionrestaurant Die Raute. Seine Erklärung: "Ich habe Hunger."

Abendblatt: Herr Hilke, erklären Sie uns bitte, wie der Marketingexperte des HSV den Fans schonend beibringen will, dass in den kommenden Jahren nicht mit sportlichen Erfolgen zu rechnen ist.

Joachim Hilke: Wir müssen überhaupt nichts schonend beibringen, wir müssen nur ehrlich sein. In den vergangenen Wochen haben wir eine sehr ehrliche Bestandsaufnahme gemacht, aus der sich ein ganz klares Bild ergibt: Es ist nicht zu erwarten, dass wir in der kommenden Saison um die Champions-League-Plätze mitspielen können.

Müssen auch Stammspieler verkauft werden?

Hilke: Nun lassen wir mal die Kirche im Dorf. Der HSV steht sehr wohl vor schwierigeren Zeiten. Wir werden den Gürtel enger schnallen, trotzdem bleiben wir in der Bundesliga konkurrenzfähig. Wir müssen die eigenen Erwartungen eben etwas herunterschrauben.

Die Erwartungen der Fans sind in Hamburg traditionell sehr hoch.

Hilke: Dann müssen wir es schaffen, dass sich die Erwartungshaltung ändert. Ich bin aber sehr optimistisch, dass die Fans uns auf unserem Weg begleiten, solange wir ehrliche und gute Arbeit anbieten. Wenn die Mannschaft, die nächstes Jahr auf dem Platz steht, sich zerreißt, dann wird ihr auch die eine oder andere Niederlage verziehen.

Auf dem Papier ist der HSV immer noch auf Platz 19 in der Europa-Rangliste. In wie vielen Jahren spiegelt sich das auch auf dem Rasen wider?

Hilke: Diese Frage müssen Sie eigentlich Frank Arnesen stellen. Aber natürlich sind wir mit der Prämisse angetreten, dass wir mittelfristig wieder andere Ziele verfolgen können. Aber in der kommenden Saison reden wir über ein sehr kleines Brötchen, das zu backen ist.

Hat der Verein aufgrund der zuletzt nicht erfüllten Erwartungen gelitten?

Hilke: Eher durch die ständigen Querelen, denke ich. Natürlich auch durch den bisherigen Saisonverlauf. Man kann keinen dauerhaften Kampf gegen die Realität führen. Den Leuten gefällt es offenbar, wie ehrlich Carl Jarchow den Istzustand des Vereines beschrieben hat. Jedenfalls nehme ich hauptsächlich positives Feedback für den neuen Kurs wahr.

Würden Sie es begrüßen, wenn auf dem Posten des Vorstandsvorsitzenden aus der Interimslösung Jarchow die Dauerlösung Jarchow wird?

Hilke: Ich kann nur betonen, wie viel Spaß die Zusammenarbeit mit Carl Jarchow macht Es ist leicht, mit ihm zu harmonieren. Die Entscheidung treffe aber nicht ich, sondern er und der Aufsichtsrat. (Genau in diesem Moment klingelt Hilkes Handy. Mit einem "Hallo Kollege", begrüßt er Jarchow, mit dem er sich für etwas später am Tag verabredet.)

Wurde die Marke HSV in den vergangenen Wochen beschädigt?

Hilke: Wie definieren Sie die Marke HSV? Man kann einen Fußballverein nicht mit einer Handcreme vergleichen, die man im Supermarkt kaufen kann. Der HSV ist ein sehr emotionaler Verein, der für viele Leute Mittelpunkt ihres Lebens ist. Und das wird trotz der Unruhe in den vergangenen Monaten auch so bleiben. Auch die kritischen Fans sagen am Ende immer noch: Nur der HSV.

Welches Ziel verfolgen Sie in Ihrem Arbeitsbereich für den HSV?

Hilke: Ich möchte den HSV noch näher mit der Stadt Hamburg verknüpfen. Der HSV soll nicht nur am Spieltag stattfinden, sondern auch unter der Woche. Besonders die vielen guten Ideen wie der Kidsklub oder die Fußballschule sollen weiter entwickelt werden. Ein Besuch beim HSV kann ein echtes Erlebnis sein. Dabei geht es aber nicht nur um Geld. Um es mal ganz deutlich zu sagen: Wir wollen keine Kommerz-Maschine sein.

Geld braucht jeder Fußballverein.

Hilke: Das gilt natürlich auch für uns. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass der HSV kein x-beliebiges Shoppingprodukt ist. Wie bereits gesagt: Der HSV ist ein Teil des Lebens vieler Menschen. Es wäre wünschenswert, wenn Profis und Fans noch enger zusammenrücken könnten. Ich hätte jedenfalls nichts dagegen, wenn sich die Spieler beispielsweise auch mal sonntags mit ihrer Familie am Stadion sehen lassen.

Vor Trainingseinheiten hinter Zäunen muss also niemand Angst haben?

Hilke: Auf gar keinen Fall. Ich halte es für völlig falsch, die eigenen Fans wie in anderen Ländern üblich, vom Training auszusperren. Ich kann auch nicht erkennen, warum es leistungsfördernd sein soll, ohne Fans zu trainieren. Wie sollen sich denn die Profis emotional an einen Verein binden, wenn man sie vom Herzschlag des Vereins wegsperrt? Als HSVer haben wir auch eine soziale Verantwortung in der Stadt. Dieser Verantwortung müssen wir uns stellen und sie vorleben.