HSV-Kontrolleur forderte eidesstattliche Versicherungen wegen Agentur-Zusammenarbeit. Im Sommer müssen 20 Millionen Euro her.

Hamburg. Zumindest über den Ausblick konnte sich gestern niemand beschweren. Anders als üblich tagten Aufsichtsrat und Vorstand des HSV am Abend nicht in einem Nebenraum des Stadionrestaurants Die Raute, sondern in der Sportfive-Loge, von der aus die Kontrolleure einen herrlichen Blick ins Innere des Stadions hatten. Besondere Anlässe erfordern besondere Maßnahmen. Schließlich galt es in der Sitzung neben der HSV-Zukunft auch die noch immer nicht abgehakte Vergangenheit zu besprechen. Und zu besprechen, das hatte HSV-Chef Carl Edgar Jarchow im Vorfeld prognostiziert, gab es einiges.

Trotz der Brisanz waren allerdings nur acht der insgesamt zwölf Kontrolleure gekommen. Während Horst Becker in Florida weilte und Gerd Krug aus gesundheitlichen Gründen absagte, ließen sich auch Ian Karan und Jörg Debatin wegen beruflicher Verpflichtungen entschuldigen. Über die rund 20 Millionen Euro, die der Verein inklusive der 14 Mio. Euro Verbindlichkeiten für Transfers und Beraterhonorare im Sommer erwirtschaften muss, dürften aber auch sie aufgeklärt worden sein. "Wir gehen von einem vertretbaren Minus in diesem Geschäftsjahr aus", beschwichtigte Aufsichtsratschef Otto Rieckhoff in einer Sitzungspause.

Dabei soll nicht nur im Großen durch Gehaltseinsparungen (Gehaltsetat soll von 47 auf 37 Mio. Euro reduziert werden) und Spielerverkäufe (Elia, Guerrero, Pitroipa, Demel) Geld generiert werden, sondern auch im Kleinen durch eine massive Umstrukturierung der Geschäftsstelle. Heute um 11 Uhr gibt es eine Vollversammlung, auf der die Vorstandspläne den Mitarbeitern vorgestellt werden.

"Es war abzusehen, dass wir die ganz großen Sprünge nicht mehr machen können", hatte Trainer Michael Oenning schon vor der Aufsichtsratssitzung konstatiert. Trotz der finanziellen Schieflage hofft er noch immer auf die Verpflichtung von Wunschspieler Ilkay Gündogan. "Ich weiß, dass er sich noch nicht entschieden hat", sagte Oenning. Ob der HSV aber mit Bald-Meister Dortmund mithalten und die geforderten 6,5 Millionen Euro, die Nürnberg für sein Mittelfeldtalent haben will, aufbringen kann, scheint fraglich.

Neben den finanziellen Rahmendaten wurden gestern besonders auch die umstrittenen Beraterverträge Bernd Hoffmanns mit der Hamburger Kommunikationsagentur fischerAppelt diskutiert. HSV-Chef Jarchow erläuterte den anwesenden Kontrolleuren, warum er die letzte von insgesamt drei Raten in Höhe von rund 50.000 Euro noch nicht an die Agentur überwiesen habe. Derzeit liefen noch die Prüfungen des neuen Vorstands, welche Leistungen die Agentur für den HSV überhaupt erbracht hat. Sogar die Möglichkeit, ob die Abfindungszahlungen von rund einer Millionen Euro an Hoffmann und Katja Kraus eingestellt werden sollten, wurde erörtert. Sehr emotional wurde auf der "harmonischen Sitzung" (Rieckhoff) zudem über die Frage gestritten, ob und welche Aufsichtsräte von dem Beratervertrag wussten. Mindestens ein Kontrolleur ließ sich sogar im Vorfeld der Sitzung dazu hinreißen, schriftlich zu versichern, nichts von der Zusammenarbeit der Kommunikationsagentur mit dem verabschiedeten HSV-Vorstand gewusst zu haben.

Zudem wurde ein Antrag diskutiert, der eine eidesstattliche Versicherung von Hoffmann und Agenturchef Bernhard Fischer-Appelt einforderte, mit denen auch die beiden Protagonisten bekräftigen sollten, weder direkt noch indirekt Internetforen und Online-Umfragen zugunsten Hoffmanns manipuliert zu haben. Fischer-Appelt, der am Montag gegenüber dem Abendblatt die Vorwürfe einzelner Aufsichtsräte "haltlos und absurd" nannte, wollte sich gestern nicht erneut offiziell zu diesem brisanten Thema äußern.