Nach dem 1:1 gegen Fast-Meister Borussia Dortmund steigen die Chancen des HSV-Trainers auf einen Verbleib

Hamburg. Man kann mit Recht behaupten, dass Michael Oenning ein wahrhaft meisterliches Wochenende hinter sich hat. Am Sonntagnachmittag beobachtete der 45-Jährige von der Tribüne aus das 22:22 der HSV-Handballer gegen Großwallstadt, denen ihr erster Bundesliga-Titel trotz des Ausrutschers nicht mehr zu nehmen ist. Am Tag zuvor hatte er Jürgen Klopp nach dem 1:1 gegen den designierten Fußballmeister Borussia Dortmund mit hanseatischem Understatement gratuliert: "Ihr spielt schon einen guten Ball."

Reichlich Anschauungsunterricht für den HSV-Trainer, der sich über den späten, wenn auch verdienten Ausgleich des BVB in der zweiten Minute der Nachspielzeit zwar ärgern musste, sich aber dennoch als einer der Gewinner fühlen durfte. Die taktisch weitgehend kluge und leidenschaftliche Vorstellung seiner Mannschaft lieferte wichtige Argumente für eine Weiterbeschäftigung als Cheftrainer nach dieser Saison - und im Kollegenkreis scheint er sich ebenfalls großer Beliebtheit zu erfreuen. Ungefragt outete sich Klopp kurz nach dem Abpfiff als Oenning-Fan. Er wünsche "dem HSV und Michael das Allerbeste", vor allem aber dem HSV ausnahmsweise eine ruhige Hand bei der Trainerentscheidung: "Wenn sich eine Mannschaft entwickeln darf, kann man so spielen wie wir. Wenn eine Mannschaft das aber nicht darf, bekommt sie trotz vorhandener Qualität ein paar Probleme. Ist ja nicht wirklich mein Thema, jetzt habe ich trotzdem was gesagt. Sorry. Ciao."

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich Klopp und Oenning auch in der kommenden Saison freundschaftlich abklatschen können, wird immer größer. Der Austausch zwischen dem Interimstrainer und dem künftigen Sportchef Frank Arnesen klappt gut. Dass der Däne Oenning vor dem Anpfiff noch eine SMS mit besten Wünschen für das Spiel schickte, spricht für sich. Bereits nach einem erfolgreich gestalteten Auftritt am kommenden Wochenende gegen Hannover 96 könnte eine über die Saison hinausreichende Zusammenarbeit perfekt gemacht werden, da auch dem Vorstand die eindeutigen Signale der Spieler nicht entgangen sind. "Oenning macht einen richtig guten Eindruck. Er arbeitet gut, hat natürlich die Qualität, auch als Cheftrainer zu bleiben", urteilte selbst ein Altmeister wie Ruud van Nistelrooy, der keine Zukunft mehr hat.

Was Oenning und den 57 000 Zuschauern am Sonnabend in der Imtech-Arena geboten wurde, kann bedenkenlos als wunderbare Arbeitsgrundlage für die kommenden Monate bezeichnet werden. Imponierend, wie viel das junge Team des BVB für den Punktgewinn investierte, nicht zuletzt an Laufbereitschaft. Der HSV mit seinen Altstars hatte große Mühe, im packenden Wettrennen um die drei Punkte mitzuhalten. "Man hat gesehen, dass es schwer ist, 90 Minuten mit unserem Tempo mitzugehen", sagte Borussias Nationalspieler Mats Hummels. "In der ersten Halbzeit hat das der HSV gut gemacht, aber in der zweiten Hälfte sind sie langsam ein bisschen müder geworden."

Sollte Oenning weiter in der sportlichen Verantwortung stehen, muss er dafür sorgen, die richtigen Protagonisten für einen ähnlich modernen Fußball zu finden, die der wohl künftige Deutsche Meister mit Mario Götze, Marcel Schmelzer & Co. zelebrierte. Jeder HSV-Fan würde sich außerdem wünschen, dass bald ein Spieler der Hamburger das über sein Team sagt, was Kevin Großkreutz über das seinige von sich gab: "Wir sind die geilste Mannschaft der Liga, wir halten zusammen."

Das Erfreuliche aus Hamburger Sicht nach dem 1:1: Trotz zweier Unentschieden in Folge hat der Klub weiter Blickkontakt zu Rang fünf und der Qualifikation für die Europa League, da Mainz (0:2 in Hannover) zum vierten Mal sieglos blieb. "Wir mussten uns selbst gegen Dortmund zeigen, wozu wir in der Lage sind", sagte Oenning. Gegen die 96er könnten sie zum Beispiel mal beweisen, dass sie in der Lage sind, konstant gut zu spielen.