HSV-Interimscoach Michael Oenning hofft, auf Dauer zum Chef befördert zu werden. Gute Trainer sind weg, das spielt ihm in die Karten.

Hamburg. Gestern hatte Michael Oenning, 45, einen außerordentlich wichtigen Termin. Der Interims-Cheftrainer des HSV traf sich mit dem künftigen Sportchef Frank Arnesen. Die Unterredung mit dem Dänen könnte Oenning seinem erklärten Ziel, auch in der kommenden Saison die Verantwortung beim HSV zu tragen, wieder ein Stück näher gebracht haben.

Bereits bei seiner Vorstellung vor elf Tagen hatte Oenning selbstbewusst erklärt, dass der HSV seiner Ansicht nach die Suche nach einem Nachfolger für seinen gefeuerten Chef Armin Veh getrost einstellen könne. Damals schien die Aussage noch etwas gewagt - schließlich verhandelte der HSV zu diesem Zeitpunkt bereits mit Ralf Rangnick. Doch der hat sich inzwischen für den FC Schalke 04 entschieden - auch andere mögliche Kandidaten mit klangvollem Namen wie Felix Magath (Wolfsburg) oder Christoph Daum (Frankfurt) haben inzwischen wieder neue Arbeitgeber gefunden.

Zudem könnte der Vorstandswechsel Oenning in die Karten spielen. Während der ehemalige Vereinschef Bernd Hoffmann intern als Skeptiker einer Beförderung Oennings galt, hat die neue Führung mit den Vorständen Carl Jarchow und Joachim Hilke in den ersten Gesprächen mit Oenning einen guten Eindruck gewonnen. Positiv kam dabei auch an, dass sich Oenning bedingungslos loyal gegenüber seinem ehemaligen Chef Armin Veh verhielt und kein kritisches Wort zu dessen Arbeit verlor. Das wichtigste Argument jedoch sind natürlich respektable Leistungen. Und hier gelang ihm mit dem 6:2-Sieg über den 1. FC Köln ein eindrucksvoller Einstand als Verantwortlicher.

Allerdings ist die Bundesliga-Historie reich an am Ende gescheiterten Co-Trainern. Positiv-Beispiele wie Christoph Daum, der 1986 Georg Kessler in Köln ablöste, oder Mirko Slomka, der 2006 mit großem Erfolg die Nachfolge von Ralf Rangnick bei Schalke antrat, sind dagegen eher rar.

Für Oenning spricht, dass der studierte Germanist noch nie als "Hütchen-Aufsteller" galt, wie Assistenten zuweilen despektierlich genannt werden. Schon als Co-Trainer unter Armin Veh zeichnete er für das HSV-Training in weiten Teilen verantwortlich. Zudem gelang ihm schon mal der Aufstieg vom Co zum Chef: Beim 1. FC Nürnberg löste er im August 2008 Thomas von Heesen ab, schaffte den Wiederaufstieg. Das Aus kam dann in der folgenden Hinrunde, die der Klub mit dem vorletzten Tabellenplatz abschloss.

Oenning sieht keine Probleme mit seiner Autorität, auch wenn er eher wie ein "Kumpeltyp" wirkt: "Ich sehe überhaupt keine Probleme mit dieser Konstellation. Wer eine natürliche Autorität ausstrahlt, hat auch keine Schwierigkeiten beim Arbeiten mit den Spielern, selbst wenn man vorher nur der Co-Trainer war. Ich bin ohnehin kein Freund von starren Hierarchien."

Im Umgang mit den Profis habe er sich nicht verändert, auch die Ansprache sei gleich geblieben. Einige Akteure, die Oenning von früher kennen, duzen ihn weiter, andere siezen ihn oder nennen ihn schlichtweg "Trainer". Beim VfL Wolfsburg hatte Pierre Littbarski in vergleichbarer Situation darauf bestanden, dass er als Cheftrainer nicht mehr der "Litti" sei, sondern von allen Spielern gesiezt werden möchte. "So einen Quatsch machen wir hier nicht", sagt Oenning, dem solche Formalien nicht wirklich wichtig sind.

Oenning will mit der richtigen Mischung aus Nähe und Distanz und teilweise anderen Schwerpunkten als sein Vorgänger weiter Erfolge feiern. Vor allem im taktischen und konditionellen Bereich soll intensiv gearbeitet werden. Er weiß, dass seine Zukunft von den Ergebnissen in den restlichen sieben Spielen abhängt. Und damit vom erklärten Ziel, doch noch die Europa-League-Qualifikation zu schaffen. Gelingt Oenning dies, dürfte ihm die dauerhafte Beförderung kaum zu nehmen sein.

Sein Vertrag beim HSV läuft bis 2012, als Cheftrainer ist er jedoch vorerst nur bis Saisonende vorgesehen. Mit einer möglichen Degradierung zurück in seine alte Aufgabe beschäftigt sich Oenning nach eigener Aussage aber nicht. "Denkbar ist grundsätzlich alles, aber darüber mache ich mir jetzt keine Gedanken." In dem Gespräch mit Arnesen sei es im Übrigen in erster Linie um die Zukunft des Kaders im Hinblick auf die kommende Saison gegangen, weniger um seine eigene. "Ich mache meine Aufgabe so, als würde ich noch lange hier Trainer sein. Alles andere wäre auch grob fahrlässig."