Hoffenheims früherer Trainer soll die Position von HSV-Vorstand Hoffmann stärken - doch der fiel in einer Probeabstimmung des Aufsichtsrats durch.

Hamburg. So schnell hatte nun wirklich niemand mit einem Ergebnis gerechnet. Noch bevor die mit Spannung erwartete Sitzung des HSV-Kontrollgremiums pünktlich um 19 Uhr im Stadionrestaurant "Die Raute" offiziell begann, trat Aufsichtsratschef Ernst-Otto Rieckhoff überraschend vor die bereits wartenden Kameras. Seine Nachricht: Es gibt keine Nachricht. "Wir werden definitiv keine Beschlüsse fassen und deswegen nichts sagen", sagte Rieckhoff, der auch nicht über die ungewisse Zukunft der Vorstände Bernd Hoffmann und Katja Kraus sprechen wollte: "Es war nie Sinn und Zweck, das Thema so konkret zu besprechen." Somit war zumindest für die enttäuscht von dannen ziehenden Fernsehteams der Arbeitstag sehr viel schneller beendet als erwartet.

Für die zehn anwesenden Aufsichtsräte - Gerd Krug ließ sich aus gesundheitlichen Gründen entschuldigen, Ian Karan war geschäftlich in Amsterdam - ging der Abend dagegen erst so richtig los. Denn anders als zuvor von Rieckhoff angekündigt, wurde hinter verschlossenen Türen sehr wohl über die auslaufenden Verträge von Hoffmann und Kraus gesprochen, geredet und sogar gestritten.

Der Aufsichtsrat, das ist nicht erst seit gestern klar, scheint in der wohl wichtigsten Frage für den Verein nahezu hoffnungslos gespalten. Die Gruppe der gerade erst gewählten Aufsichtsräte, die zum Großteil der mächtigen Fan-Gruppierung "Supporters" zugerechnet wird, ist klar gegen eine Vertragsverlängerung. Eine zweite Gruppe um die sogenannten Wirtschafts-Weisen im Aufsichtsrat - allen voran ECE-Chef Alexander Otto - ist dagegen klar für eine Verlängerung Hoffmanns. Diesem Lager werden jedoch maximal sieben Kontrolleure zugeordnet - zu wenig, um die für eine Vertragsverlängerung erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit (acht Stimmen) zu erreichen.

Nach Abendblatt-Informationen ist es bereits am Montag zu einer inoffiziellen Probe-Abstimmung gekommen, bei der die entsprechende Mehrheit für Hoffmann und Kraus verfehlt wurde. Allerdings ist die Gruppe der Hoffmann-Gegner derzeit erst recht nicht mehrheitsfähig, zumal sie noch keine Alternative zu Hoffmann öffentlich benennen wollte. Dies soll sich jedoch in den nächsten Tagen ändern. So wurde bereits mit mindestens zwei Kandidaten aus der Hamburger Wirtschaft Kontakt aufgenommen, mit denen zeitnahe Verhandlungen geführt werden sollen. Wie das Abendblatt erfuhr, handelt es sich bei einem der beiden Kandidaten um den früheren Sportfive-Vorstand Joachim Hilke, der unter dem ehemaligen HSV-Präsidenten Rolf Mares Ende der 90er-Jahre schon einmal im Vorstand des HSV saß. Hilke, der im vergangenen Jahr beim Sportvermarkter Sportfive ausstieg, soll dem Vernehmen nach der Anfrage des Aufsichtsrats aufgeschlossen gegenüberstehen.

Bevor es aber tatsächlich zu einem Wechsel im aktuellen Vorstand kommt, muss zunächst Einigung über die Zukunft Hoffmanns getroffen werden. Der amtierende Vorstandschef ist jedenfalls keinesfalls gewillt, freiwillig aus dem Amt zu scheiden. Bereits zum Jahreswechsel signalisierte er, dass er gerne "bis zur Rente" bleiben möchte. Hoffmanns Strategie scheint klar: Mit zügigen Personalentscheidungen möchte er die noch unentschlossenen Kontrolleure auf der Zielgeraden doch noch von seinen Qualitäten überzeugen.

In der Sportchef-Frage ist ihm dies bereits gelungen. Mit Frank Arnesen, derzeit noch in gleicher Funktion beim FC Chelsea, wird zur kommenden Saison ein international erfahrener Experte in den Vorstand aufrücken. Obwohl laut Satzung der Aufsichtsrat den Vorstand bestellt, war es doch Hoffmann, der Arnesen von einem Wechsel zum HSV überzeugte.

Bleibt die nicht weniger wichtige Frage des Trainers. Armin Veh hatte bereits im Winter gegenüber dem Vorstand angedeutet, dass er spätestens am Saisonende aufhören möchte. Inzwischen gab es jedoch ein erstes Telefonat zwischen Neu-Sportchef Arnesen und Noch-Trainer Veh. Und offenbar verlief das halbstündige Gespräch positiv. Der designierte HSV-Sportchef, dessen wichtigste Aufgabe die Lösung der noch offenen Trainerfrage ist, schließt jedenfalls nicht mehr aus, doch mit dem aktuellen Trainerstab weiterzumachen. Veh will sich innerhalb der kommenden zwei Wochen erklären.

Wesentlich wahrscheinlicher ist jedoch, dass Hoffmann versuchen wird, nach dem Sportchef-Posten auch den des Trainers neu zu besetzen. Klar ist bislang nur das Anforderungsprofil. Sollte Veh tatsächlich gehen, soll ein erfahrener Mann mit reichlich Erfahrung als Cheftrainer in der Bundesliga kommen. Ganz oben auf der Wunschliste steht Ralf Rangnick, 52, der vom HSV-Interesse bereits offiziell informiert wurde. Im Januar hatte Rangnick, der zuvor in Ulm, Stuttgart, Hannover und auf Schalke arbeitete, seinen Dienst bei 1899 Hoffenheim quittiert - die Reaktion auf den Verkauf seines Führungsspieler Luis Gustavo. Mäzen Dietmar Hopp hatte Gustavo ohne Rücksprache an den FC Bayern transferiert. Dies wertete Rangnick als Vertrauensbruch.

Und obwohl Rangnick ein unterschriftsreifer Vertrag vom VfL Wolfsburg vorliegt, soll der Konzepttrainer einem Engagement in Hamburg positiv gegenüberstehen. "Ideal wäre es, wenn beides vorhanden ist - finanzielle Voraussetzungen und Tradition", beschrieb Rangnick vor Kurzem im "Kicker" seinen zukünftigen Wunschverein. Eine Beschreibung, die zumindest auf den VfL Wolfsburg nicht zutrifft.

Gegenüber den VfL-Verantwortlichen hat sich Rangnick Bedenkzeit bis Ostern erbeten, um alternative Angebote zu prüfen. Neben Wolfsburg und dem HSV sollen aber noch weitere Vereine an Rangnick, der für eine Stellungnahme gestern nicht zu erreichen war, interessiert sein. Ein offizielles Angebot kann allerdings erst dann erfolgen, wenn auch Einigkeit über den zukünftigen HSV-Chef herrscht. Und mit einem konkreten Ergebnis, zumindest das wollte Rieckhoff während einer kurzen Sitzungspause bei Rinderroulade und Rotkohl verraten, ist schon bald zu rechnen: "Sehr, sehr bald!"