Heute Abend berät der Aufsichtsrat über Bernd Hoffmanns Zukunft, die nach acht Jahren als HSV-Chef ungewiss ist. Eine Entscheidungshilfe.

Hamburg. Die erste Entscheidung ist gefallen: Bei der mit Spannung erwarteten Aufsichtsratssitzung am heutigen Abend dürfen sich die HSV-Kontrolleure statt wie zuletzt über Roastbeef und Bratkartoffeln diesmal über Rinderroulade mit Rotkohl und Salzkartoffeln freuen. Alle weiteren Entscheidungen, so zumindest die offizielle Ansage von Aufsichtsratschef Ernst-Otto Rieckhoff, sollen hinter verschlossenen Türen im Stadionrestaurant "Die Raute" besprochen werden. Und zu besprechen gibt es vor allem eines: die zum Ende des Jahres auslaufenden Verträge der HSV-Vorstände Bernd Hoffmann und Katja Kraus.

Offiziell sagen möchten Hoffmann und Kraus vor der heutigen Sitzung lieber nichts, zumal ihr Verbleib beim HSV nach acht Jahren im Vorstand ungewiss ist. Acht von zwölf Stimmen der Kontrolleure benötigt das Duo, damit sich ihr bis zum 31. Dezember befristetes Arbeitspapier um weitere drei Jahre verlängert. Nach Abendblatt-Informationen darf Hoffmann derzeit mit sechs Jastimmen und vier wahrscheinlichen Neinstimmen rechnen, zwei Aufsichtsräte sollen sich noch nicht entschieden haben. Die Perspektive von Kraus dürfte unmittelbar von Hoffmanns Zukunft abhängig sein. Mit einer endgültigen Abstimmung über das Duo soll aber erst dann zu rechnen sein, wenn es ein klares Votum im Aufsichtsrat gibt. "Auf der Sitzung wird es nicht zum Showdown kommen", beschwichtigt Rieckhoff, der den designierten Sportchef Frank Arnesen seinen Kollegen vor anderthalb Wochen mit einem elfseitigen Lebenslauf präsentierte. Ein ähnliches Paper über Hoffmann sollte dagegen nicht erforderlich sein. Die Stärken und Schwächen des mächtigen Klubchefs sind hinlänglich bekannt.

Ganz konkret darf Hoffmann zu Recht darauf verweisen, dass er aus einem finanziell angeschlagenen Sportverein ein im Kern gesundes Unternehmen geschaffen hat. Der 48-Jährige steigerte den Jahresumsatz von 66 Millionen Euro auf 146 Millionen Euro, den Zuschauerschnitt von 46 000 auf 54 000, die Mitgliederzahl von 17 000 auf 70 000 und die Zahl der verkauften Dauerkarten von 22 000 auf 31 000. Siebenmal in Folge erreichte der HSV ein positives wirtschaftliches Ergebnis, der Verein kletterte in Hoffmanns Amtszeit in der Uefa-Klubrangliste vom 83. auf den aktuell 18. Rang. Es sind Nummern, die beeindrucken. Es sind und bleiben allerdings auch nur Zahlen.

Dabei hat Hoffmann auch abseits dieser Statistiken viele von der Öffentlichkeit nicht ganz so beachtete Projekte initiiert. Während seiner Amtszeit wurden Fußballschule, Kidsklub und Museum gegründet, die Sponsoreninitiative "Hamburger Weg" in Gang gesetzt und die Rautenwelt im Stadion - inklusive Roulade und Roastbeef - um- und ausgebaut. Nur die Kritik, dass es seit Hoffmanns Inthronisierung kein Gemeinschaftsgefühl und keine Gesprächskultur innerhalb des Vereins gibt, konnte der umtriebige Vereinschef nie so richtig aus der Welt schaffen.

"Ich bin gern Herr des Verfahrens", ist einer seiner Leitsätze. Hoffmann ist ein Bestimmer und Gestalter, der die Dinge gerne selbst in die Hand nimmt. Armin Veh ist der achte Trainer, Frank Arnesen wird nach Dietmar Beiersdorf, dem schon inthronisierten Urs Siegenthaler und Bastian Reinhardt der vierte Sportchef in Hoffmanns Amtszeit sein. Mit Stephan Hildebrandt, Jens Todt, erneut Hildebrandt und Paul Meier durften sich vier Nachwuchsleiter betätigen und mit Arnesens rechter Hand Lee Congerton kommt nun auch noch ein Technischer Leiter zum HSV. Unter Hoffmanns Ägide wurden 68 Profis verpflichtet und 76 Spieler wieder abgegeben. Der Verein nahm auf dem Transfermarkt rund 113 Millionen Euro ein und gab mehr als 142 Millionen Euro wieder aus. Der erhoffte Titel blieb in all den Jahren aber trotz großer finanzieller Anstrengungen aus. "Der HSV wird geführt wie eine Finanzholding", hatte Jürgen Hunke vor der Mitgliederversammlung im Januar kritisiert, auf der Hunke als einer von vier potenziellen Hoffmann-Kritikern in den Aufsichtsrat gewählt wurde. Es war kein Denkzettel der Mitglieder, es war eine Botschaft: bis hierhin und nicht weiter.

Besonders der von Hoffmann initiierte Kühne-Deal, der dem HSV auf der einen Seite 12,5 Millionen Euro einbrachte, auf der anderen Seite aber das Abtreten eines Drittels der Transferrechte von gleich sechs Spielern nach sich zog, löste gewaltige Proteste aus, deren Quittung auf der Mitgliederversammlung folgte. Eine ernsthafte Alternative zu Hoffmann scheint derzeit aber auch niemand parat zu haben. So könnte am Ende langer Diskussionen im Aufsichtsrat die alte auch die neue Lösung sein. Glaubt man HSV-Stadionsponsor Imtech, braucht sich Hoffmann ohnehin keine Gedanken um seine Zukunft zu machen. Bei einer chronologischen Auflistung aller HSV-Chefs ist Hoffmanns Beginn seiner Amtszeit richtig mit dem 1. Februar 2003 datiert. Nur beim datierten Ende seiner Amtszeit scheinen die Verantwortlichen der Imtech-Homepage mehr als die Hamburger Aufsichtsräte zu wissen. Das angegebene Datum: 31. Juli 2020.