Der neue Sportdirektor Frank Arnesen will den HSV am PSV Eindhoven orientieren. Er und seine Frau freuen sich auf die Hansestadt.

Sonderborg. Spätestens gestern Nachmittag um 15.50 Uhr hatte Morten Nissen Gewissheit, dass er in diesem Jahr genau den richtigen Stargast für sein Unternehmer-Treffen ausgewählt hatte. Alle zwei Jahre organisiert der Däne aus Sonderborg direkt hinter der deutschen Grenze ein Abendessen mit einem prominenten Gastredner für die lokalen Geschäftsmänner - und diesmal konnte Nissen den 450 Gästen keinen Geringeren als den designierten HSV-Sportchef Frank Arnesen präsentieren, dessen Verpflichtung der Aufsichtsratsvorsitzende Otto Rieckhoff am Sonntag verkündet hatte. "Das Essen war schon seit Monaten verabredet. Als ich am vergangenen Sonnabend erfuhr, dass Arnesen Sportchef beim HSV wird, war ich zunächst besorgt, dass er kurzfristig absagen könnte", sagte Nissen, der schnell merkte, dass seine Sorge unbegründet war. Arnesen kam am Tag nach dem 2:0 des FC Chelsea in der Champions League in Kopenhagen sogar zehn Minuten früher als erwartet.

"Hallo, ich bin Frank", stellte sich Arnesen, dunkelblauer Anzug, hellblaues Hemd, dunkelblaue Krawatte, mit einem freundlichen Lächeln vor. Der Noch-Sportchef des FC Chelsea wirkt im ersten Moment wie eine sympathische Kopie von Louis van Gaal, dem Noch-Trainer des FC Bayern. Der Blick ist genauso fokussiert, der Seitenscheitel genauso akkurat gekämmt. Doch anders als der grantige Münchner hat der herrlich unkomplizierte Arnesen offenbar keinerlei Berührungsängste mit den zahlreichen Journalisten aus Dänemark und Deutschland, die sich bereits vor dem Beginn der Veranstaltung im gemütlichen Hotel Comwell um ein Gespräch mit dem begehrten Fußballfachmann bemühten. Mit Erfolg. Seine Eltern hätten früher in Kopenhagen einen Zeitungskiosk gehabt, da wäre er von Anfang an im Kontakt mit den Medien gewesen. Also sagte er schnell ein paar Sätze, die man hören wollte. Ja, er und seine Frau freuen sich auf den HSV und auf Hamburg. Sein Freund Sören Lerby hätte ihm die Stadt wärmstens empfohlen, sagte der 54-Jährige, dessen zahlreiche Lachfältchen sich bei jedem Wort ausdehnten.

Selbst als man in der unterhaltsamen Runde auf die ungewissen Perspektiven seines zukünftigen Arbeitgebers zu sprechen kam, verschwand das Lächeln aus Arnesens Gesicht zu keinem Zeitpunkt. Weiß er schon, mit welchem Trainer er in der kommenden Saison planen kann? "Nein." Lächeln. Was wird aus Klubchef Bernd Hoffmann? "Das ist Sache des Vereins. Ich bin ja erst ab dem 1. Juli in Hamburg." Lächeln. Hat er denn gar keine Angst vor der ewigen Unruhe im Verein? "Es wird immer Unruhe geben. Das ist doch ganz normal in so einem großen Verein wie dem HSV." Und Lächeln. Nein, schlechte Laune, das wird klar, will sich dieser Arnesen unter keinen Umständen und von niemanden einreden lassen.

Am lautesten muss Arnesen lachen, als er auf die finanziellen Verhältnisse angesprochen wird, die sich beim HSV ja doch vom FC Chelsea unterscheiden. "Nur ein ganz bisschen", scherzt Arnesen, lacht wieder, und wird dann doch noch für einen kurzen Moment ernst. "Wir müssen eben intelligenter als die anderen sein, wir müssen junge Spieler verpflichten. In Eindhoven hatte ich die gleichen Voraussetzungen wie beim HSV - und dort hat es ja zehn Jahre lang auch ganz gut geklappt." Der vierfache Familienvater betont, dass jeder im Verein mit anpacken muss: "Felix Magath, Manfred Kaltz, Horst Hrubesch, oder Kevin Keegan. Der HSV ist ein großer Verein mit einer großen Geschichte und vielen großen Namen. Jetzt müssen wir alle dafür sorgen, aus diesem Verein wieder etwas Großes zu machen - nicht nur auf dem Spielfeld, sondern auch im Nachwuchsbereich und in der Scoutingabteilung." Seine eigene Arbeit beim PSV diene dabei als Vorbild. "Ich weiß, dass schon bald Entscheidungen getroffen werden müssen", sagt Arnesen, der versichert, dass er bis Sommer auch im fernen London den HSV "immer in meinem Hinterkopf" habe.

Wahrscheinlich könnte man sich ohne große Probleme noch stundenlang mit dem redseligen Dänen unterhalten, wäre da nicht Herr Nissen und sein geplantes Essen mit den Geschäftsleuten. Zumindest seine Begeisterung für die Bundesliga will der Fundamentaloptimist dann aber doch noch loswerden. Die Stadien seien in Deutschland immer voll, die Begeisterung groß und die Spannung elektrisierend. In England würden immer nur Manchester United oder Chelsea Meister werden, in Deutschland wechseln sich dagegen Bayern und andere Teams wie Wolfsburg, Stuttgart, Bremen und jetzt eben Dortmund in schöner Regelmäßigkeit ab. "Bayern ist zwar immer der Favorit, aber dahinter gibt es zehn bis zwölf Mannschaften, die um einen Champions-League-Platz kämpfen. Das ist doch toll." Auch der HSV? "Ich will nicht unnötig Druck aufbauen, aber der HSV ist nun mal ein großer Verein." Und Lächeln.