Der neue HSV-Sportchef sichtete Ruud van Nistelrooy und Arjen Robben, Ronaldo durfte sogar bei ihm wohnen. Das Porträt eines Entdeckers.

Hamburg. Den Betriebsausflug mit dem FC Chelsea nach Kopenhagen wollte sich Frank Arnesen nicht entgehen lassen. Gestern Nachmittag checkte Hamburgs designierter Sportchef im Marriott-Hotel ein, heute Abend will er das Champions-League-Spiel seines Noch-Klubs gegen den FC Kopenhagen verfolgen. Der Trip in die alte Heimat könnte die letzte Dienstreise des Dänen im Auftrag des FC Chelsea sein. Eine Reise in die Vergangenheit und Zukunft zugleich. Bis zu seinem 19. Lebensjahr wohnte der heute 54-Jährige auf Amager, einer kleinen Insel, die zu Kopenhagen gehört. Spätestens ab Sommer will der Fußballfachmann dann nur noch für den HSV unterwegs sein - geht es nach den Hamburger Verantwortlichen, sogar deutlich früher.

"Der HSV darf sich auf einen absoluten Top-Mann freuen. Nur wenige kennen sich im europäischen Fußball so gut aus wie Frank", sagt einer, der es wissen muss. Pedro Salazar ist Mediendirektor bei Arnesens früherem Klub PSV Eindhoven - und vor allem ist er seit der gemeinsamen Zeit beim PSV ein sehr enger Freund des Dänen. "Frank ist ein sehr herzlicher Mensch. Er ist auch immer für einen Spaß zu haben, will aber eigentlich gar nicht so gerne in den Vordergrund gerückt werden", sagt Salazar. "Franks Arbeit spricht ohnehin für sich." Und tatsächlich liest sich die Liste der von Arnesens verpflichteten Spieler in Eindhoven wie das Who's who des Weltfußballs: Ronaldo, Arjen Robben, Ruud van Nistelrooy, Mark van Bommel, Jaap Stam, Eidur Gudjohnsen und Phillip Cocu sind nur einige, die der Däne zum PSV lotste. "Er hat ein sicheres Auge und Gespür für Talente. Und im Gespräch überzeugt er jeden", sagt Salazar.

Richtige Überzeugungsarbeit musste der vierfache Familienvater bei Arjen Robbens Vater Hans leisten. Als 18-Jährigen holte Arnesen den talentierten Jungstar 2002 aus Groningen nach Eindhoven, indem er die Familie zu Hause besuchte und stundenlang mit Robben Senior und Robben Junior über die sportlichen Perspektiven des Filius sprach. Am Ende des Abends ging Arnesen mit einem unterschriebenen Vertrag in der Hand aus dem Haus und hinterließ zwei zufriedene Robbens. "Frank ist eine großartige Persönlichkeit", schwärmt Arjen Robben noch heute über seinen Entdecker. Noch enger war die Beziehung zwischen Arnesen und dem späteren Weltfußballer Ronaldo, den der Ex-Nationalspieler als 17-Jährigen in Brasilien entdeckte. Arnesen, der fließend spanisch und auch ein wenig portugiesisch spricht, ließ das schüchternde Supertalent in den ersten Monaten sogar bei sich und seiner Familie zu Hause wohnen, hält bis heute einen engen Kontakt: "Ronaldo ist ein wirklich netter Typ, sehr umgänglich. Er wird immer in meinem Herzen bleiben."

Ruud van Nistelrooy wollte Arnesen eigentlich schon 1997 als 21-Jährigen für 500 000 Euro nach Eindhoven holen. "Leider mussten wir ein Jahr warten und dann sechs Millionen Euro zahlen. Das war aber nicht so schlimm, weil wir ihn am Ende für 25 Millionen Euro nach Manchester verkauften", erinnert sich Arnesen, der schon immer ein Fan des heutigen HSV-Stürmers war: "Ruuds Entschlossenheit, jeden Tag besser zu werden, ist fantastisch."

Arnesens Auge für talentierte Fußballer sprach sich schnell in der Branche herum. "Er hat ein Notizbuch, in dem jedes Talent Europas steht", sagt Dänemarks früherer Nationaltrainer Sepp Piontek, der seinen ehemaligen Spieler zuletzt bei einer Fußballgala in Kopenhagen im November traf. Beim FC Chelsea brachte Arnesen, dessen vier erwachsene Kinder in ganz Europa verstreut wohnen, zuletzt die Supertalente Josh McEachran, 17, Gael Kakuta (19, an Fulham ausgeliehen), Patrick van Aanholt, 20, und Jeffrey Bruma (19, beide an Leicester ausgeliehen) heraus. An Bruma war der HSV bereits im Winter interessiert, der Transfer scheiterte an der zu hohen Ablöseforderung. Nach Abendblatt-Informationen soll Arnesen versuchen, den Niederländer im Sommer mit nach Hamburg zu bringen.

Ein echter Volkheld ist Arnesen, seit 19 Jahren mit Ehefrau Kate glücklich verheiratet, in Dänemark. Trotzdem meidet der Workaholic auch in seiner Heimat das Rampenlicht. "Ich brauche keine große Aufmerksamkeit. Eigentlich stehe ich lieber ein paar Schritte zurück in der zweiten Reihe", sagte der Bob-Dylan-Fan dem Autor Jens Andersen, der Arnesens in Dänemark gut verkaufte Biografie "Ah! Frankie Boy" verfasste.

In Hamburg, das ist Arnesen bewusst, muss er spätestens ab Sommer dagegen wieder in die erste Reihe treten. "Als der HSV vor einigen Wochen auf mich zukam, war mir sofort klar, dass dies eine Option und ein große Herausforderung für mich ist", ließ sich Arnesen gestern auf der HSV-Homepage zitieren.

Hamburgs Zukunft kann also endlich beginnen.